Ausgabe 6 - 2015
IT-Transformationen erfolgreich gestalten

Die meisten Unternehmen haben die Relevanz einer professionellen Begleitung von Veränderungsprozessen erkannt. Erfahrungen zeigen aber, dass eine nachhaltige Umsetzung von Change-Maßnahmen oft nicht erfolgt und die Mehrzahl der IT-Transformationen scheitert. Ein Fallbeispiel zeigt, wie es besser geht.
Unternehmen investieren große Summen in Transformationsprojekte – zum Beispiel im Bereich von Back-Office-Funktionen wie der IT. Begleitet werden diese Projekte immer öfter von einem mehr oder weniger umfassenden Change Management. Doch obwohl die meisten Unternehmen die Relevanz einer professionellen Begleitung von Veränderungsprozessen erkannt haben, zeigen Erfahrungen aus der Beraterpraxis, dass noch große Unterschiede bezüglich einer ganzheitlichen Konzeption und einer nachhaltigen Umsetzung von Change-Maßnahmen bestehen und die Mehrzahl der IT-Transformationen noch viel zu oft scheitern. Die Gründe für die hohe Misserfolgsquote sind vielfältig. Drei aktuelle Entwicklungstendenzen (I-III) im Change Management können jedoch im Sinne der Veränderungsnachhaltigkeit als Best Practices genutzt werden.
Tendenz 1: Führungskräfte als Träger des Change-Prozesses
Der Mensch steht im Mittelpunkt von Veränderungen. Die Folge: Das Change Management muss sich zum einen während eines Veränderungsprozesses noch stärker auf die Mitarbeiter konzentrieren und die Neuausrichtung der Unternehmenskultur stärker in den Vordergrund rücken. Zum anderen muss die Change-Management-Qualifikation der Führungskräfte kritisch überprüft und gegebenenfalls mit entsprechenden Trainingsmaßnahmen nachjustiert werden.
Führungskräfte auf oberer und mittlerer Ebene müssen eine zentrale Rolle als „Change Agents“ einnehmen. Überdies wird mit steigender Veränderungsdichte und -schnelligkeit von ihnen erwartet, dass sie ihren Mitarbeitern in organisationalen Umbrüchen Orientierung bieten. Doch um dieser neuen Funktion eines Motivators und Vorbildes nachkommen zu können, müssen Führungskräfte den Wandel zunächst selbst nachvollziehen können und eine eigene positive Haltung dazu entwickeln. Dafür müssen sie sich im Rahmen von Coachings, Gesprächen und/oder Lektüre mit der Veränderung auseinandersetzen und ihre eigene Kompetenz im Umgang mit Veränderungsprozessen stärken.
Gleichzeitig muss vor allem einer Überlastung des mittleren Managements entgegengewirkt werden. Dieses sitzt nach Entscheidungen auf Topmanagement-Ebene oftmals zwischen den Stühlen: Einerseits sollen diese Führungskräfte ihre Abteilungen und Teams operativ durch den Veränderungsprozess führen, andererseits haben sie häufig selber Vorbehalte und Ängste in Bezug auf den bevorstehenden Change.
Tendenz 2: Change Management wird institutionalisiert und messbar
Ob bei der Einführung neuer Technologien, einer strategischen Veränderung oder einem M&A-Geschäft – die Praxis zeigt bereits heute die zunehmende Integration des Change Managers in HR-Abteilungen und Projekten mit einem bestimmten Volumen beziehungsweise Grad an Komplexität. Während dabei der externe Change Manager Best Practices aus Referenzprojekten sowie seinen neutralen Blick frei von eigenen Interessen einbringen kann, kennt der interne Change Manager die eigene Unternehmenskultur und hat das interne Wissen über Prozesse und wichtige Stakeholder. Dabei trägt die Kombination aus fundierter Change-Kompetenz und unternehmensbezogenem Wissen im Berufsstand des internen Change Managers dazu bei, die strategische Geschäftsentwicklung maßgeblich zu unterstützen und Fähigkeiten und Prozesse für ein Change Management dauerhaft im Unternehmen zu integrieren.
Neben der Kompetenz des Change Managers, intern wie extern Veränderungen nachzuvollziehen, diese proaktiv zu gestalten und vorantreiben zu können, muss der Nutzen der aufgestellten Maßnahmen für den Change zunehmend gemessen werden, um den Erfolg des Wandels nachhaltig sichtbar zu machen. Durch diese Messbarkeit wird sich auch das Ansehen des Change Managements generell sowie der Leistung der Change-Verantwortlichen im Speziellen verbessern.
Tendenz 3: Change Management erreicht höheren Reifegrad
Neben der Einführung von relevanten Change-Trainings in der Führungskräfteentwicklung sowie Messbarkeitskriterien stellt die Nutzung technologischer Innovationen im Change Management derzeit eine der größten Veränderungen dar. Die rasante Entwicklung und Einführung von Online-Kommunikationstools oder Web-based-Trainings sind Zeichen für den fortschreitenden Reifegrad des Change Managements. Soziale Netzwerke dienen zunehmend dazu, Betroffene einzubinden, sich mit Beteiligten schneller auszutauschen oder diese zeitnah zu informieren.
Mithilfe dieser Maßnahmen wird die Identifikation der Mitarbeiter mit der Veränderung erhöht, und über den Beteiligungscharakter der neuen Medien entsteht ein Gefühl der Mitgestaltung. Das somit erhöhte Verständnis in Bezug auf den Anlass einer Veränderung fördert zudem die Motivation der Mitarbeiter, aktiv für die Veränderung einzutreten. Es gilt jedoch zu beachten, dass trotz aller technologischen Neuerungen die neuen Instrumente den persönlichen Kontakt nicht vollkommen ersetzen können. Sie sollten daher als sinnhafte Ergänzung, nicht aber als Ersatz verstanden werden.
Praxisbeispiel – Optimierungspotenzial
Das folgende Praxisbeispiel aus den Jahren 2011 bis 2014 legt exemplarisch dar, in welchen Bereichen im Change Management eines IT-Transformationsprojektes oft noch Optimierungsmöglichkeiten existieren und wie diese Schwachstellen mithilfe der bereits beschriebenen Entwicklungstendenzen angegangen werden können. Der Auslöser der Veränderung in genanntem Projekt war die Einführung einer neuen IT-Lösung für ein bundesweit organisiertes Unternehmen mit 50 000 Anwendern. Alle fünf Projektphasen – Bestandsaufnahme, Diagnose, Design, Umsetzung und Stabilisierung – beinhalteten typische Herausforderungen, denen mithilfe der dargestellten Entwicklungstendenzen des Change Managements entgegengewirkt werden kann (siehe Abbildung).
• In der Bestandsaufnahme wäre es notwendig gewesen, eine Change-Management-Methodik abzustimmen und Ergebnisse und „Best Practices“ aus anderen Change-Projekten zu berücksichtigen. Durch das Fehlen einer Methodik wurden Tools, wie etwa ein Kommunikations- und Meilensteinplan, eher spontan erstellt. Die Zeitschiene wurde nicht visualisiert, sodass Risiken in Bezug auf die Erreichung einiger Meilensteine nicht erkennbar wurden. Die Stakeholder konnten außerdem zu Beginn des Projekts keine Change Story entwickeln, die normalerweise dazu dient, ein gemeinsames Verständnis von und ein Commitment für die Veränderung zu kreieren. Hilfreich wären zu Beginn auch Workshops mit ausgewählten Stakeholdern und weitere monatliche Workshops mit einem Mobilisierungsteam gewesen. Diese hätten es in den folgenden Projektphasen ermöglicht, die Stimmung der Bereiche zu analysieren und passende Maßnahmen aufzusetzen.
• Die Diagnosephase eines Projekts dient in der Regel auch dazu, Kommunikationskanäle und -maßnahmen zu identifizieren. Dieser Schritt wurde in unserem Beispielprojekt jedoch zu spät durchgeführt. Überdies wurden nicht alle relevanten Stakeholder berücksichtigt. Dadurch wurden politische Machtkämpfe entfacht, was wiederum die Arbeitsatmosphäre in Bezug auf die Veränderung negativ beeinflusste. Weil die Projektverantwortlichen es verpassten, die Führungskräfte ausreichend für den Wandel zu sensibilisieren, nahmen diese die Veränderung nicht ernst und schätzten auch die Kommunikation zu den Anwendern als nicht relevant ein. Zudem versäumten es die Projektverantwortlichen, die bestehende Unternehmenskultur zu analysieren und ein im Rahmen der angestrebten Veränderung angemessenes unternehmenskulturelles Zielbild abzuleiten.
• In der Design-Phase wurde es von den Projektverantwortlichen verpasst, Monitoring- und Qualitätssicherungsinstrumente einzuführen, um zu messen, ob alle Bereiche für die Einführung der neuen IT-Lösung bereit waren. Die Analyse solcher Messergebnisse ermöglicht es, Aussagen darüber zu treffen, ob und in welchem Bereich Maßnahmen zur Steigerung der Akzeptanz der Anwender aufgesetzt werden müssen. In diesem Beispielprojekt kam es aufgrund des Fehlens dieser Steuerungs- und Kontrollmaßnahmen während der Einführungsphase zu einer ungewöhnlich starken Senkung der Leistungsbereitschaft und einem hohen Krankenstand auf Seiten der Anwender.
• In der Umsetzungsphase machte das Projektteam einen entscheidenden Schritt von der Theorie in die Praxis. Dabei kam es jedoch zu einigen wesentlichen Versäumnissen. Zum einen wurden die Projektverantwortlichen nicht über Releases zur neuen IT-Lösung seitens der Technik informiert, was dazu führte, dass das Schulungsmaterial für die Anwender für die Einführungsphase der IT nicht überarbeitet werden konnte. Zum anderen fand kein fachlicher Abnahmetest statt. Die IT-Lösung selbst wurde zwar technisch getestet, die Nutzerfreundlichkeit in den verschiedenen Anwendungsbereichen des Unternehmens fand dabei jedoch kaum Beachtung. Die Folge war, dass die Anwender während der Pilotierung noch recht unzufrieden mit der neuen Anwendung waren und noch viele Verbesserungsvorschläge aufgenommen werden mussten.
• In der Stabilisierungsphase fehlte es an einem strategischen Wissensmanagement, sodass aus bereits begangenen Fehlern kein Lerneffekt resultierte. In dem beschriebenen Projekt existierte zudem keine Sammelstelle, an der die Lessons Learned zusammengetragen werden konnten, um sie für Folgeprojekte einsehbar zu machen. Ein solches Verfahren hätte gerade in Bezug auf weitere Roll-out Phasen einen erheblichen Mehrwert für das Projekt und alle relevanten Stakeholder haben und bisweilen zu einer Beschleunigung und qualitativen Verbesserung der Projektabwicklung führen können.
Viele Unternehmen schreiben sich Change Management bereits heute ins Pflichtenheft und bewegen sich zunehmend in Richtung eines ganzheitlichen Change Managements. Bis jedoch die genannten Entwicklungstendenzen I-III im Großteil der Unternehmen verwirklicht werden und Change Management sich zu einem essenziellen und erfolgreicheren Instrument im Management-Werkzeugkasten etabliert hat, wird noch einige Zeit vergehen. Verantwortliche unterschiedlicher Veränderungsprojekte werden zunehmend realisieren, dass sie das Stadium der Akzeptanz bezüglich der avisierten Veränderung ohne ein ganzheitliches Change Management nicht in ausreichendem Maß erreichen können. Erfolgsentscheidend für die Zukunft von Veränderungsprojekten ist es daher, aus den Fehlern vorheriger Projekte zu lernen und mithilfe eines stringenten Wissensmanagements diese Erkenntnisse allen Projekt- und Change-Verantwortlichen zugänglich zu machen.
Abbildung
Die Projektphasen und ihre typischen Herausforderungen

Autoren
Jantje Hoppert, Consultant, EY (Ernst & Young GmbH), Hamburg,
jantje.hoppert@de.ey.com
Dr. Katharina Luh, Manager, EY (Ernst & Young GmbH), Frankfurt,
katharina.luh@de.ey.com
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