Besser kommunizieren mit Supportmatrix und Stakeholder-Analyse

Die zum Salzgitter-Konzern gehörende KHS-Gruppe ist im Rahmen ihres Change Managements eine Kooperation mit der Fachhochschule Südwestfalen eingegangen. Durch ein gemeinsames Lehrpraxisprojekt erhielt KHS von Studierenden wichtige Impulse für die weitere Ausgestaltung der Change-Kommunikation.
Im Rahmen von Change-Prozessen sehen Personalmanager ihre Rolle vielfach auf die operative Umsetzung von zuvor beschlossenen Maßnahmen begrenzt. So konzentriert sich das Personalmanagement beispielsweise auf nachgelagerte Unterstützungsprozesse wie die Durchführung von Versetzungen, die Aktualisierung von Stellenbeschreibungen oder die Anpassung bestehender Karrierepfade und verzichtet darauf, sich selbst aktiv steuernd in den Change-Prozess einzubringen. Gefragt ist hier jedoch ein professionelles Personalmanagement, das sein Kompetenzspektrum umfassend integriert: Idealerweise stellt es sein Knowhow und seine Beratungskompetenz bereits bei der Konzeption geplanter Veränderungen zur Verfügung und ist ein aktiv steuernder Begleiter des gesamten Prozesses. In einem solchen Selbstverständnis als Change-Agent wird das aktuelle Unternehmensentwicklungsprogramm beim Spezialisten für Abfüll- und Verpackungsanlagen KHS vom Personalmanagement fachkundig begleitet. Die im Programm verankerten Initiativen reichen von Maßnahmen zur Verringerung der Durchlaufzeiten über die Optimierung des Lieferantennetzwerks, die Senkung der Produktkosten und eine intensivere Marktbearbeitung bis hin zur Lean Administration.
Das Potenzial von Veränderung besser nutzen
Bei vorangegangenen Change-Management-Prozessen kommunizierte KHS eher in informativer Absicht und weniger im Sinne eines Umgangs mit möglichen Ängsten oder Widerständen. Zu den Maßnahmen gehörten Flyer als Anlage zur Gehaltsabrechnung, ein Podcast sowie über das Intranet verbreitete Leserbriefe. Das zugrunde gelegte Kommunikationskonzept wurde weitgehend einheitlich ohne Differenzierung auf die unterschiedlichen Zielgruppen im Unternehmen angewendet. Im Gesamtprojektdesign stand die Frage nach einer den Change-Prozess unterstützenden Kommunikation nicht im Vordergrund.
In Reflexion der bisherigen Vorgehensweise entwickelte KHS die Idee, das Potenzial von Veränderungsprozessen künftig besser zu nutzen. Schwerpunkte bilden dabei die stärkere Beteiligung weiterer Hierarchieebenen an der Konzeption sowie ein intensiver Fokus auf Kommunikation. Beim aktuellen Change-Vorhaben ist somit die Ebene unterhalb der Executives bereits bei der Konzeption einbezogen. Für ein Überdenken des bisherigen Kommunikationsprozesses wurde der Kontakt mit der Fachhochschule Südwestfalen gesucht.
Ein Studierendenteam entwickelte im Rahmen eines Lehrpraxisprojekts passende Lösungsansätze für die weitere Optimierung der Change-Kommunikation bei KHS.
Checkliste
Die Stakeholder-Analyse

Abbildung
Die Supportmatrix Dimensionen: Einfluss auf das Projekt – Unterstützung

Die Stakeholder werden in eine Vier- oder Neun-Felder-Matrix eingeordnet. Bei KHS geschah dies anhand der Dimensionen „erwartete Unterstützung“ und „Einfluss auf das Change-Projekt“.
Direkt und authentisch kommunizieren
Die Studierenden interviewten zunächst Mitarbeiter aus dem gewerblich-technischen Bereich. Ziel war es, ein Stimmungsbild zu gewinnen, wie die bisherige Change-Kommunikation bei dieser Zielgruppe ankommt. Dabei wurde deutlich, dass gerade im gewerblichen Bereich nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Intranet aktiv zur Informationsbeschaffung genutzt wird. An dieser Beurteilung ändern auch interessante Podcasts und professionell aufgemachte Leserbriefe nur bedingt etwas. Am wirksamsten sei letztlich, so die Beschäftigten, die „Hallenbildzeitung“. Diese weitgehend ungesteuerte Kommunikation ist aus Sicht des Unternehmens jedoch problematisch, da schnell Gerüchte entstehen, sich Unmut verbreiten kann und keine systematische Begleitung der Kommunikation erfolgt. Der „Hallenbildzeitung“ freien Lauf zu lassen, entspricht nicht dem KHS-Anspruch, Stimmungen, Ängste oder Widerstände der Beschäftigten aktiv aufzugreifen und zu beeinflussen. „Wenn etwas anliegt, sollte es direkt und persönlich von der Führungskraft kommen“, wünscht sich ein Mitarbeiter und zeigt zugleich einen Weg zu einer gelungenen Change-Kommunikation auf. So stehen bei KHS für einen solchen Faceto-Face-Austausch spezielle Teamtische in den Werkshallen zur Verfügung.
Besonders überzeugend war für die Mitarbeiter, dass der Leiter Unternehmensstrategie in einer Vertrauenssitzung „Klartext“ geredet hat. Eine Bestätigung dafür, dass Akzeptanz entsteht, wenn auch schwierige Themen offen angesprochen werden. Ebenfalls wichtig war den Beschäftigten das Miteinanderreden, so ein zentrales Ergebnis der Befragung. Dies gilt vor allem dann, wenn größere und eventuell auch als unangenehm wahrgenommene Veränderungen anstehen. Unabdingbare Voraussetzung für eine wirksame und authentische Kommunikation sind hierbei Führungskräfte auf der mittleren Führungsebene, die über alle relevanten Informationen verfügen, sich regelmäßig austauschen und somit eine offene Kommunikationskultur praktizieren und vorleben. Das Vorgehen von KHS hat gezeigt: Der Mut zu einer direkten und aufrichtigen Kommunikation, ergänzt um gezielte und gut strukturierte Kommunikationsmedien, sind der Grundstein einer erfolgreichen Change-Kommunikation.
Zielgruppenorientierung statt Gießkannenprinzip
Zu beachten ist zugleich, dass auch beim Change Management nicht das berühmte Gießkannenprinzip gelten sollte. Im Rahmen des Lehrpraxisprojekts beschäftigten sich die Studierenden daher mit der Frage, wie die Change-Kommunikation mit unterschiedlichen Dialoggruppen gestaltet werden kann. Der Schlüssel für eine solchermaßen optimierte Kommunikationsstrategie ist eine Stakeholder-Analyse, so die Lösung der Studierenden. Mit diesem Instrumentarium wird untersucht, welche Interessen, Anforderungen und Bedürfnisse die Anspruchsgruppen und Akteure im Unternehmen haben und welche Reaktionen jeweils wahrscheinlich sind. Mögliche Gefahren und Krisenherde, aber auch Unterstützungspotenziale lassen sich somit identifizieren. Nicht zuletzt gibt die Analyse Aufschluss darüber, welche Anspruchsgruppen und zentralen Akteure im Zentrum der Kommunikation stehen sollten und welches das jeweils für sie geeignete Kommunikationsinstrument ist.
Die Studierenden entwickelten ein Vorgehensmodell für eine auf KHS zugeschnittene Stakeholder-Analyse. In einem ersten Schritt gilt es, eine Liste relevanter Stakeholder aufzustellen. Dies kann arbeitsteilig durch die für die Kommunikation verantwortlichen Personen erfolgen. Die als wichtig erachteten Anspruchsgruppen werden gesammelt und schließlich zu einer gemeinsamen Liste verdichtet. Wichtig ist es, nicht nur die offensichtlichen Stakeholder in den Blick zu nehmen, wie beispielsweise die Beschäftigten im gewerblich-technischen Bereich, die Führungskräfte und den Betriebsrat, sondern auch solche, die nur indirekt von der Veränderung betroffen sind, wie Kunden, Lieferanten oder Verbände. Stakeholder können auch einzelne zentrale Personen mit Gatekeeper- oder Multiplikatoren-Funktion sein. Ist die Liste der Stakeholder komplett, werden diese anhand von Kriterien charakterisiert. Dies kann im Rahmen eines Workshops erfolgen. Beispielsweise bewerten die für die Change-Kommunikation Verantwortlichen bei KHS die Stakeholder hinsichtlich folgender Fragen:
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Welche Reaktionen sind zu erwarten?
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Welche Unterstützung ist für das Change-Vorhaben zu erwarten?
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Welchen Einfluss haben die Stakeholder auf den Prozess?
Hilfreich hierfür sind entsprechende Bewertungsraster mit vorgegebenen Skalen (zum Beispiel Einfluss hoch, mittel, gering). Das Kernstück der Analyse bildet die Stakeholder-Matrix: Die Stakeholder werden anhand passender Kriterien (in der Regel sind es zwei) grafisch in eine Vier- oder Neun-Felder-Matrix eingeordnet. Bei KHS waren dies die Dimensionen „erwartete Unterstützung“ und „Einfluss auf das Change-Projekt“. Aus der Stakeholder-Matrix lassen sich schließlich konkrete Kommunikationsstrategien ableiten, die in abgestimmte Aktionspläne umzusetzen sind. So sollten Formate für regelmäßige Meetings von Schlüsselpersonen konzipiert oder ein Prozedere installiert werden, mit dem Einwänden (etwa von Akteuren mit mittlerem oder geringem Unterstützungspotenzial/Einfluss) begegnet werden kann. Das KHS-Kommunikationskonzept wird gerade im Sinne des Stakeholder-Ansatzes grundlegend überdacht.
Jenseits von Beraterroutinen
Insgesamt bringt die Kooperation der KHS mit der FH Südwestfalen im Lehrpraxisprojekt allen Beteiligten einen besonderen Gewinn: Der unvoreingenommene und unverstellte Blick der Studierenden auf das Thema ermöglichte innovative Erkenntnisse jenseits von Beraterroutinen. Die Studierenden wurden aufgrund ihrer Rolle als Lernende offen im Unternehmen aufgenommen und hatten dadurch Zugang zu authentischen Aussagen der Mitarbeiter – ein Praxisfeld, in dem sich die Studierenden im Unternehmenskontext wiederum gut erproben können. Nicht zuletzt haben Unternehmen durch Hochschulkooperationen die große Chance, sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Aus Sicht der Dozentinnen und Dozenten erhalten die Studierenden durch die anwendungsorientierte Lehre in Lehrpraxisprojekten vielfältige Lernchancen: Dadurch, dass Studierende erleben, wie Konzepte in der Praxis umgesetzt werden, verinnerlichen sie das erarbeitete Fach- und Methodenwissen nachhaltig. Durch den Kontakt mit Unternehmensverantwortlichen inklusive Arbeitnehmervertretern sowie die Zusammenarbeit im studentischen Beratungsteam werden zudem wichtige persönliche und soziale Kompetenzen gefördert. Die Lehrenden agieren als begleitender Coach und optimieren somit den Lernprozess.
Die Projektpartner
Die KHS-Gruppe mit Hauptsitz in Dortmund legt von jeher einen starken Fokus auf die nachhaltige Gestaltung von Hochschulkontakten. Angebote für Studierende reichen von studienbegleitenden Praktika über Werkstudententätigkeiten bis hin zu praxisbezogenen Abschlussarbeiten. Gleiches gilt für die anwendungsorientierte Lehre an der Fachhochschule Südwestfalen. An der Hochschule wiederum existieren verschiedene Formate für Unternehmenskooperationen, die von Projekt- und Abschlussarbeiten über studentische Lehrpraxisprojekte, kooperative Studienmodelle bis hin zu Forschungsprojekten reichen. Aktuell erfährt der Master Wirtschaft an der Fachhochschule Südwestfalen eine entsprechende Neuausrichtung: Das Studium wird in den ersten drei Semestern flankiert durch ein praktisches Lehrprojekt „Angewandte Unternehmensforschung“.
Claßen, Martin: Change Management aktiv gestalten: Personalmanager und Führungskräfte als Architekten des Wandels, 2. Auflage, Köln 2013.
Deutinger, Gerhild: Kommunikation im Change: Erfolgreich kommunizieren in Veränderungsprozessen, Berlin/Heidelberg 2013.
DGFP e.V. (Hrsg.): Herausforderung Change Management. Mit professioneller Personalarbeit Veränderungen zum Erfolg bringen, Bielefeld 2011.
Doppler, Klaus et al.: Unternehmenswandel gegen Widerstände, Change Management mit den Menschen, Frankfurt 2013.
Groth, Alexander: Führungsstark im Wandel: Change Leadership für das mittlere Management, Frankfurt 2013.
Vahs, Dietmar/Weiand, Achim: Workbook Change Management: Methoden und Techniken, 2. Auflage, Stuttgart 2013.
Autoren
Dr. Sabine Kiunke, Leiterin Wissensmanagement, KHS GmbH, Dortmund,
sabine.kiunke@khs.com
Prof. Dr. Christina Krins, Lehrgebiet Personalmanagement, Fachhochschule Südwestfalen, Standort Meschede,
krins.christina@fh-swf.de
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