Ausgabe 6 - 2016
In drei Stufen zum Abschluss

Gerade in der Zeitarbeit ist der Anteil geringqualifizierter Mitarbeiter überproportional hoch. So haben mit 22,4 Prozent fast doppelt so viele Beschäftigte in der Zeitarbeit keine abgeschlossene Berufsausbildung wie auf dem Gesamtarbeitsmarkt. Hier setzt das 3-Stufen-Qualifizierungsmodell des BAP an.
Für Menschen ohne Berufsabschluss stehen die Chancen schlecht, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Viele Jobs, die sogenannte Geringqualifizierte heute ausüben, wird es morgen möglicherweise schon nicht mehr geben. Gleichzeitig gibt es heute bereits Klagen der deutschen Wirtschaft über einen Mangel an Fachkräften. Damit wird der Bereich der Personalentwicklung immer wichtiger – auch für kleine und mittelständische Unternehmen, die die deutsche Wirtschaft prägen. Viele dieser KMUs können jedoch aufgrund ihrer geringen Größe weder die Konzipierung noch die Durchführung komplexer Bildungsmaßnahmen gewährleisten. Die Zeitarbeitsbranche könnte somit künftig eine wichtige Dienstleisterfunktion auf dem Weg zur Qualifizierung von Personal für ihre Kunden übernehmen. Doch wie soll das gehen?
Der Weg dafür liegt in der Zusammenarbeit von Kundenunternehmen und Personaldienstleistern bei der Personalentwicklung. Die Zeitarbeitsunternehmen nehmen dabei ihren Kunden bestimmte Aufgaben wie beispielsweise die Konzeption von Weiterbildungsmaßnahmen ab. So hat der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) ein 3-Stufen-Qualifizierungsmodell entwickelt, das geringqualifizierte Mitarbeiter in mehreren Etappen an einen anerkannten Berufsabschluss heranführt.
Niedrigschwelliger Ansatz für Mitarbeiter mit schwieriger Bildungsbiografie
Gerade in der Zeitarbeit ist der Anteil geringqualifizierter Mitarbeiter überproportional hoch. So haben mit 22,4 Prozent fast doppelt so viele Beschäftigte in der Zeitarbeit keine abgeschlossene Berufsausbildung wie auf dem Gesamtarbeitsmarkt. Die Personaldienstleister haben deswegen große Erfahrungen mit geringqualifizierten Arbeitnehmern und wissen, dass viele von ihnen schwierige Bildungsbiografien haben. Negative Lernerfahrungen und Prüfungsängste sind bei ihnen häufig anzutreffen. Aus diesen Gründen sind die meisten traditionellen Bildungsangebote in der Regel keine Option, um solche Mitarbeiter weiterzubilden und ihnen zu einem Berufsabschluss zu verhelfen. Ein niedrigschwelliger Ansatz, der auf den Kenntnissen und Fähigkeiten aufsetzt, die Ungelernte bei ihrer Arbeit erwerben, ist dagegen zielführend und ein modularer Aufbau, der Geringqualifizierte in Schritten an einen Berufsabschluss heranführt, das Mittel der Wahl.
Zertifikat nach Abschluss jeder Stufe
Genau hier setzt das 3-Stufen-Qualifizierungsmodell des BAP an, das sich aktuell an Zeitarbeitskräfte wendet. Zeitarbeitnehmer erwerben in den Kundenunternehmen umfassende praktische Kenntnisse, die bisher zumeist nur unzureichend erfasst und dokumentiert wurden. Mit dem BAP-Modell haben Zeitarbeitnehmer die Möglichkeit, ihre im Arbeitseinsatz erworbenen Kompetenzen zertifizieren zu lassen. In der berufsbegleitenden Qualifizierungsmaßnahme werden praktische Kenntnisse mit theoretischen Inhalten kombiniert, die zielgruppengerecht vermittelt werden. Über drei Stufen hinweg werden Teilnehmer des Modells so an einen Berufsabschluss herangeführt. Nach Abschluss jeder Stufe durch eine Prüfung bei einer anerkannten Prüforganisation erhalten die Teilnehmer ein Zertifikat.
So verfügen Zeitarbeitskräfte selbst bei Nicht-Bestehen der zweiten oder dritten Stufe über einen Nachweis für ihre gestiegenen Fähigkeiten. Das BAP-Modell ermöglicht somit auch eine Qualifizierung unterhalb der Berufsausbildung. Mit Bestehen der dritten Stufe erlangen die teilnehmenden Zeitarbeitnehmer einen anerkannten Berufsabschluss. Der mehrstufige Aufbau eignet sich besonders für Menschen mit negativen Lernerfahrungen, die anhand eines niedrigschwelligen Ansatzes und des damit verbundenen Erfolgserlebnisses motiviert werden weiterzumachen.
In drei Stufen zum Berufsabschluss
Mit Bestehen der ersten Stufe erwirbt der Teilnehmer einen Abschluss als Fachhelfer, der mit einer Personenzertifizierung durch den TÜV Rheinland erfolgt. Zeitarbeitskräfte müssen dafür eine mündliche und eine schriftliche Prüfung ablegen. Die Kosten für diese Prüfung liegen bei 150 Euro pro Teilnehmer. Prüfungsvoraussetzungen sind eine abgeschlossene Schulausbildung oder mindestens eine einjährige Berufserfahrung und der Nachweis über wenigstens 90 Arbeitstage im einschlägigen Arbeitsbereich sowie über gewisse theoretische Kenntnisse. Die erste Stufe haben bereits mehrere Zeitarbeitnehmer von BAP-Mitgliedsunternehmen erfolgreich absolviert.
Die zweite Stufe führt zu einem Abschluss als Fachassistent. Auch hier steht am Ende die Personenzertifizierung durch den TÜV Rheinland. Um die Zulassung zur Prüfung zu erhalten, muss der Teilnehmer den Abschluss bestimmter Module – also spezifischer Arbeitserfahrungen –, eine Arbeitssicherheitsprüfung sowie vertiefte theoretische Kenntnisse nachweisen. Den Titel als Fachkraft und damit einen anerkannten Berufsabschluss erwirbt, wer die letzte Stufe des BAP-Modells erfolgreich beendet. Eine Industrie- und Handelskammer oder eine Handwerkskammer führt eine sogenannte Externenprüfung durch. Deren Anforderungen sind identisch mit denen, die an Auszubildende des jeweiligen Berufs gestellt werden. Teilnehmer müssen belegen, dass sie die zweite Stufe als Fachassistent im entsprechenden Berufsbild erfolgreich absolviert haben und mindestens vier Jahre im fachbezogenen Arbeitsbereich eingesetzt wurden. Der Nachweis hierfür erfolgt über den Arbeitgeber, die aufgewandte Zeit für die ersten beiden Stufen des BAP-Qualifizierungsmodells wird dabei angerechnet.
Zeit- und ortsunabhängiger Zugriff auf Lerninhalte
Zur Vermittlung der theoretischen Inhalte hat der BAP eigens die E-Learning-Plattform ZetQ (www.zetq.de) entwickelt, auf die Zeitarbeitskräfte unabhängig von Ort und Zeit zugreifen können. Dabei wurde auf eine benutzerfreundliche Bedienung und eine verständliche Sprache geachtet. Kurze Einheiten gliedern die Lerninhalte nach Themenschwerpunkten. Am Ende jedes Kapitels steht ein Selbsttest, sodass die Teilnehmer regelmäßig Rückschlüsse auf ihr bisher erworbenes Wissen erhalten. Sobald alle Inhalte bearbeitet wurden, folgt ein umfangreicher Abschlusstest, der nach Rücksprache mit dem Arbeitgeber einmal wiederholt werden kann. Treten hierbei Wissenslücken auf, gibt das System sogar Empfehlungen zur Wiederholung einzelner Lektionen. Mindestens 80 Prozent der Fragen müssen richtig beantwortet werden, dann können Teilnehmer zur Prüfung angemeldet werden.
Die Nutzung der E-Learning-Plattform ZetQ ist für BAP-Mitgliedsunternehmen kostenfrei. Der Zugriff auf die Plattform ist derzeit noch Mitgliedern des BAP vorbehalten, soll aber perspektivisch für alle Personaldienstleister geöffnet werden.
AÜG-Neuerungen werden Auswirkungen haben
Ob das 3-Stufen-Qualifizierungsmodell des BAP innerhalb der Zeitarbeitsbranche zum Erfolg wird, hängt – leider – auch von der Politik ab. Die Bundesregierung will die Höchstüberlassungsdauer für Zeitarbeitskräfte nämlich auf 18 Monate begrenzen. Damit wäre lediglich die erste Ausbildungsstufe noch mit Sicherheit realisierbar, denn die Stufen zwei und drei setzen entsprechend längere einschlägige Berufserfahrungen voraus. Eine Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten ist zum einen nicht im Sinne der Personaldienstleister, dürfte aber auch bei Zeitarbeitnehmern, die sich für eine Weiterbildung über das Qualifizierungsmodell des BAP entscheiden, einen Nerv treffen.
Abbildung
Das 3-Stufen-Qualifizierungsmodell

Mit dem BAP-Modell haben Zeitarbeitnehmer die Möglichkeit, ihre im Arbeitseinsatz erworbenen Kompetenzen zertifizieren zu lassen.
Autor
Wilhelm Oberste-Beulmann, Vizepräsident, Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP), Berlin,
bildung@personaldienster.de
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