Mehr Aufwand für die betriebliche Altersversorgung

Am 30. Dezember 2015 wurde das Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie verkündet. Es soll die Mobilität der Arbeitnehmer verbessern, indem es Hindernisse abbaut, die sich aus Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung ergeben können. Für Arbeitgeber kann das Gesetz zu einer nicht unerheblichen Steigerung des Aufwands für die betriebliche Altersversorgung führen.
Insbesondere drohen Unternehmen Mehrkosten, wenn sie das bisherige Betriebsrentensystem beibehalten. Auch der Verwaltungsaufwand wird infolge gesteigerter Auskunftspflichten zunehmen. Arbeitgeber haben bis zum 1. Januar 2018 Zeit, die betriebliche Altersversorgung an die neuen Regelungen anzupassen. Die EU-Mobilitätsrichtlinie (Richtlinie 2014/50/EU) sieht in folgenden Regelungsbereichen der betrieblichen Altersversorgung potenzielle Hindernisse für die Mobilität von Beschäftigten:
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zu lange Unverfallbarkeitsfristen für den Erwerb von Betriebsrentenanwartschaften,
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fehlende Wahrung von Anwartschaften bei einem Arbeitgeberwechsel,
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Abfindungen von Kleinstanwartschaften ohne Zustimmung der Beschäftigten,
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unzureichende Information der Beschäftigten über ihre Betriebsrentenansprüche.
Zur Umsetzung der Richtlinie hat der Gesetzgeber insbesondere Änderungen in den folgenden Bereichen vorgenommen:
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Änderung bei den Unverfallbarkeitsfristen,
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Dynamisierung der Anwartschaften,
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Abfindung,
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Auskunftspflichten.
Nach derzeitiger Gesetzeslage bleibt einem Arbeitnehmer, dem Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung zugesagt worden sind, die Anwartschaft erhalten, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls, jedoch nach Vollendung des 25. Lebensjahres endet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt mindestens fünf Jahre bestanden hat (unverfallbare Anwartschaft). Diese Regelung gilt für alle Zusagen, die ab dem 1. Januar 2009 erteilt worden sind. Übergangsvorschriften bestehen für Versorgungsleistungen, die vor dem 1. Januar 2009 beziehungsweise vor dem 1. Januar 2001 zugesagt worden sind.
Unverfallbarkeitsfristen
In Konsequenz könnte ein nach dem 1. Januar 2009 in das Unternehmen eingetretener 18-jähriger Mitarbeiter, der von Beginn an eine arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung erhält, nach fünf Jahren ausscheiden, ohne dass ihm seine Versorgungsanwartschaften erhalten blieben. Sein Arbeitsverhältnis hätte vor Vollendung des 25. Lebensjahres geendet.
Das Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie sieht eine Absenkung der Unverfallbarkeitsfristen vor. Arbeitnehmern bleibt danach eine vom Arbeitgeber finanzierte Betriebsrentenanwartschaft bereits dann erhalten, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls, jedoch nach Vollendung des 21. Lebensjahres endet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt mindestens drei Jahre bestanden hat. Die Absenkung der Unverfallbarkeitsfristen findet grundsätzlich nur auf Zusagen Anwendung, die ab dem 1. Januar 2018 erteilt werden (Neuzusagen). Für Anwartschaften, die vor dem 1. Januar 2018 erteilt wurden (Altzusagen), bleibt es grundsätzlich bei den bisherigen Unverfallbarkeitsvoraussetzungen. Allerdings hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass Arbeitnehmer mit Altzusagen, die in die neue Regelung „hineinwachsen“, gegenüber Arbeitnehmern mit Neuzusagen nicht ungerechtfertigt schlechter gestellt werden. Daher bleibt die Anwartschaft auch erhalten, wenn die Zusage ab dem 1. Januar 2018 drei Jahre bestanden hat und der Mitarbeiter bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 21. Lebensjahr vollendet hat.
Nach der gesetzlichen Neuregelung bleibt die Versorgungsanwartschaft des 18-jährigen Mitarbeiters aus dem obigen Beispiel erhalten, wenn er nach dem 1. Januar 2018 in das Unternehmen eintritt. Dies sogar dann, wenn er bereits nach drei Jahren aus seinem Arbeitsverhältnis ausscheiden sollte.
Sofern Versorgungsordnungen längere Unverfallbarkeitsfristen enthalten, sind diese ab dem Zeitpunkt der Geltung der gesetzlichen Neuregelung für neu eintretende Mitarbeiter unwirksam. Behalten Arbeitgeber ihre bisherige betriebliche Altersversorgung bei, kann dies zu zusätzlichen Kosten führen, da Mitarbeiter schneller eine unverfallbare Anwartschaft erhalten.
Dynamisierung der Anwartschaften
In der bisherigen Fassung des Gesetzes hatte sich der Gesetzgeber dafür entschieden, Änderungen der Versorgungsregelung und der Bemessungsgrundlagen, die nach dem Ausscheiden eines Mitarbeiters eintreten, bei der Berechnung der Höhe der Versorgungsanwartschaft nicht mehr zu berücksichtigen. Der Berechnung der Versorgungsanwartschaft zugrunde zu legen ist daher einerseits die bei Ausscheiden geltende Versorgungsordnung. Hierunter ist ausschließlich das arbeitsrechtliche Versorgungsverhältnis zu verstehen (zum Beispiel kann die Regelung Gegenstand eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung sein). Andererseits sind die Bemessungsgrundlagen zu berücksichtigen, die zum Zeitpunkt des Ausscheidens gelten. Als Bemessungsgrundlagen sind alle rechnerischen Größen zur Bestimmung des Leistungsumfangs anzusehen, etwa Gehaltsstufen bei gehaltsabhängiger Versorgung. Aufgrund der bisherigen Gesetzeslage kann ein Arbeitnehmer, der vor Eintritt der Versorgungsfalls ausscheidet, unter bestimmten Voraussetzungen schlechter gestellt sein als ein Kollege, der bis zum Eintritt in den Ruhestand im Betrieb verbleibt.
Die gesetzliche Neuregelung ändert mit Wirkung ab dem 1. Januar 2018 die bisherige Rechtslage. Auch nach der Neuregelung gilt zwar, dass Veränderungen der Versorgungsregelung und der Bemessungsgrundlagen nach dem Zeitpunkt des Ausscheidens außer Betracht bleiben. Gleichzeitig wird allerdings neu eingeführt, dass ein aus dem Unternehmen ausgeschiedener Arbeitnehmer im Hinblick auf den Wert seiner unverfallbaren Anwartschaft nicht schlechter gestellt werden darf als vergleichbare nicht ausgeschiedene Arbeitnehmer. Die Neuregelung gilt nicht für Beschäftigungszeiten vor dem 1. Januar 2018. Für Beschäftigungszeiten nach dem 31. Dezember 2017 gilt die Dynamisierungspflicht nicht, wenn das Versorgungssystem bereits vor dem 20. Mai 2014 für neu eintretende Arbeitnehmer geschlossen worden ist.
Der Gesetzgeber führt in dem neu eingefügten § 2a Abs. 2 S. 2 BetrAVG Fallgestaltungen auf, bei denen eine solche Benachteiligung des ausgeschiedenen Arbeitnehmers nicht vorliegt (Nr. 1) bzw. eine Benachteiligung durch Anpassung der Anwartschaft vermieden werden kann (Nr. 2).
Nach Nr. 1a liegt keine Benachteiligung vor, wenn die Anwartschaft als nominales Anrecht festgelegt ist. Nach der Gesetzesbegründung ist Sinn und Zweck dieser Regelung, solche Anwartschaften von einer möglichen Anpassungsverpflichtung auszunehmen, deren Wertentwicklung zum Zeitpunkt der Zusage bereits berücksichtigt worden ist und die einen mit entsprechender Quotierung vorzeitig ausscheidenden Arbeitnehmer nicht gegenüber dem im Unternehmen verbleibenden benachteiligen. Dazu gehören zunächst Festbetragszusagen (zum Beispiel „monatlich 1000 Euro Betriebsrente bei Eintritt des Versorgungsfalls“; „monatlich 50 Euro Betriebsrente pro Dienstjahr“). Daneben sind Zusagen erfasst, die zwar keinen konkreten Betrag nennen, bei denen eine Euro-Summe aber bereits beim Erwerb der Anwartschaft ermittelt werden kann (zum Beispiel „pro Dienstjahr zwei Prozent des Jahreseinkommens“). Nicht unter die Ausnahmeregelung von Nr. 1a fallen dagegen endgehaltsbezogene Zusagen, die eine unbestimmte Einkommensdynamik enthalten (zum Beispiel „20 Prozent des Gehalts bei Renteneintritt“).
Nach Nr. 1b gilt eine Benachteiligung gleichfalls als ausgeschlossen, wenn die Versorgungszusage eine Verzinsung enthält, die auch dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer zugutekommt. Schließlich soll nach Nr. 1c eine Benachteiligung ausgeschlossen sein, wenn die Altersversorgung über einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung durchgeführt wird und die Erträge auch den ausgeschiedenen Arbeitnehmern zugutekommen.
Nach Nr. 2 werden Benachteiligungen vermieden, wenn die Anwartschaft des ausgeschiedenen Arbeitnehmers
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um ein Prozent jährlich (Nr. 2a),
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wie die Anwartschaften oder die Nettolöhne vergleichbarer nicht ausgeschiedener Arbeitnehmer (Nr. 2b),
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wie die laufenden Leistungen, die an die Versorgungsempfänger des Arbeitgebers erbracht werden (Nr. 2c), oder
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entsprechend dem Verbraucherpreisindex für Deutschland (Nr. 2d)
angepasst wird.
Hintergrund der gesetzlichen Änderungen ist die Vorgabe der EU-Mobilitätsrichtlinie, wonach ruhende Anwartschaften vorzeitig ausscheidender Arbeitnehmer grundsätzlich nicht anders behandelt werden dürfen als die Anwartschaften vergleichbarer nicht ausgeschiedener Arbeitnehmer.
Die neuen Regelungen zur Wahrung der Anwartschaften ausgeschiedener Arbeitnehmer bewirken, dass ab dem 1. Januar 2018 bestimmte Anwartschaften gegebenenfalls der Höhe nach angepasst (dynamisiert) werden müssen. Arbeitgeber sollten prüfen, ob sie von dieser Regelung betroffen sind. Ist dies der Fall, sollte in Erwägung gezogen werden, ob das Betriebsrentensystem angesichts des steigenden Dotierungsrahmens umgestellt werden kann und soll. Außerdem sollte bei begünstigenden Änderungen von Versorgungszusagen berücksichtigt werden, dass auch ausgeschiedene Arbeitnehmer diese geltend machen können.
Abfindung
Für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitgeber eine Anwartschaft nach derzeitiger Gesetzeslage ohne Zustimmung des Arbeitnehmers abfinden, wenn der Wert der Abfindung einen bestimmten Schwellenwert nicht übersteigt. So kann der Arbeitgeber eine Anwartschaft einseitig abfinden, wenn der Monatsbetrag der aus der Anwartschaft resultierenden laufenden Leistung bei Erreichen der vorgesehenen Altersgrenze ein Prozent beziehungsweise bei Kapitalleistungen 12/10 der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV nicht übersteigen würde.
Nach dem Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie haben Arbeitgeber bei der Abfindung von Kleinstanwartschaften künftig neue Regelungen zu beachten. Für den Fall, dass ein Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein neues Arbeitsverhältnis in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union begründet und dies dem ehemaligen Arbeitgeber innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitteilt, ist dessen Zustimmung zur Abfindung der Kleinstanwartschaft erforderlich. Die Mitteilungsverpflichtung dient der praktischen Umsetzbarkeit des Zustimmungserfordernisses.
Auskunftspflichten
Nach der bisherigen Gesetzeslage haben Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber oder dem Versorgungsträger (zum Beispiel Lebensversicherer oder Pensionskasse) einen Auskunftsanspruch. Der Arbeitgeber oder der Versorgungsträger hat dem Arbeitnehmer bei einem berechtigten Interesse auf dessen Verlangen schriftlich mitzuteilen, in welcher Höhe aufgrund der bislang erworbenen unverfallbaren Anwartschaft bei Erreichen der vorgesehenen Altersgrenze ein Anspruch auf betriebliche Altersleistungen besteht und wie hoch der Übertragungswert im Sinne des BetrAVG ist.
Ab dem 1. Januar 2018 treten umfassende neue Auskunftspflichten des Arbeitgebers in Kraft. Mit diesen sollten sich Personalverantwortliche zeitnah vertraut machen. Zukünftig ist der Arbeitgeber oder der Versorgungsträger verpflichtet, dem Arbeitnehmer in Textform (zum Beispiel per E-Mail) und in angemessener Frist auf dessen Verlangen mitzuteilen, ob und wie die Betriebsrentenanwartschaft erworben wird, wie hoch diese ist, wie sich ein Ende des Arbeitsverhältnisses auf sie auswirkt und wie sie sich anschließend weiterentwickelt.
Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen
Durch die gesetzliche Neuregelung erhalten Mitarbeiter schneller unverfallbare Anwartschaften. Dies kann zu zusätzlichen Kosten für Unternehmen führen. Bestehende Versorgungsordnungen sollten überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Außerdem muss ab dem 1. Januar 2018 die Höhe bestimmter Anwartschaften ausgeschiedener Arbeitnehmer dynamisiert werden. Arbeitgeber sollten prüfen, ob ihre Versorgungsordnungen von der Neuregelung betroffen sind. Ist dies der Fall, kann eine Umstellung des Betriebsrentensystems in Betracht gezogen werden.
Die Abfindung von Kleinstanwartschaften nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann künftig eine Zustimmung des Arbeitnehmers erfordern. Die Zustimmungspflicht tritt dann ein, wenn der Arbeitnehmer ein neues Arbeitsverhältnis in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union begründet und dies dem ehemaligen Arbeitgeber innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitteilt. Schließlich treten mit Wirkung ab dem 1. Januar 2018 umfassende neue Auskunftspflichten des Arbeitgebers in Kraft. Dem Arbeitnehmer ist auf dessen Verlangen mitzuteilen, ob und gegebenenfalls wie die Betriebsrentenanwartschaft erworben wird, wie hoch diese ist, wie sich ein Ende des Arbeitsverhältnisses auf sie auswirkt und wie sie sich anschließend weiterentwickelt.
Autoren
Moritz Kunz, Partner, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Herbert Smith Freehills Germany, Frankfurt,
moritz.kunz@hsf.com
Dr. Simone Gregori, Rechtsanwältin, Herbert Smith Freehills Germany, Frankfurt,
simone.gregori@hsf.com
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