Ausgabe 6 - 2016
Moderne Prozesse für ein modernes Personalmanagement

Ob demografischer Wandel, die fortschreitende Digitalisierung oder ein neues Werteverständnis im Sinne von Work-Life-Balance: Die Herausforderungen für Arbeitgeber im öffentlichen Sektor sind vielschichtig. Die Stadtverwaltung Ingolstadt hat sich diesen Aufgaben gestellt und unter anderem ihr Bewerbermanagement neu aufgesetzt.
Ingolstadt ist eine kreisfreie Großstadt in Bayern mit über 133 000 Einwohnern. Die Stadt ist überwiegend vom verarbeitenden Gewerbe wie dem Automobil- und Maschinenbau geprägt und hat seit vielen Jahren eine äußerst geringe Arbeitslosenquote. Das Personalamt bearbeitet pro Jahr etwa 2000 Bewerbungen. Die Mitarbeiter der Stadtverwaltung beobachteten allerdings in den letzten zwei bis drei Jahren einen Rückgang bei den Bewerberzahlen.
Das war für die Stadtverwaltung ein Grund mehr, sich ganz bewusst als attraktiver Arbeitgeber in der Region, vor allem auch mit Blick auf eine jüngere Zielgruppe, zu positionieren. Um diese Ziele zu realisieren, prüfte sie den Einsatz einer moderneren integrierten Personalmanagementsoftware. Bislang waren die internen Abläufe von manuellen Tätigkeiten geprägt und überaus papierlastig. Daher entschied sich die Stadt dafür, zunächst die eigenen Prozesse im Personalbereich zu analysieren. Durch das Skizzieren von optimalen Abläufen sollte die Basis geschaffen werden, Anforderungen an ein neues System ableiten zu können.
Prozesse neu definieren
Gemeinsam mit dem Amt für Informations- und Datenverarbeitung sowie dem Amt für Steuerungsunterstützung (Organisationsentwicklung) beschlossen die Personalverantwortlichen der Stadtverwaltung, die Beratungsleistung für die Optimierung der personalwirtschaftlichen Prozesse mit anschließender Auswahl und Einführung eines Personalmanagementsystems auszuschreiben. Unterstützung fand die Stadt Ingolstadt bei der Unternehmensberatung Ellrich & Kollegen. Am Anfang des gemeinsamen Projektes stand die umfassende Analyse der im Personalbereich der Stadt Ingolstadt bestehenden Prozesse. Insgesamt etwa 40 Mitarbeiter bedienen dort aktuell gut 3500 Beschäftigte – ihre internen Kunden.
Im Personalamt sind die Tätigkeiten von Einstellung und Abrechnung bis hin zur Zeugniserstellung angesiedelt, ein Teil der Mitarbeiter erledigt die Aufgaben rund um Stellenplanung und Personalentwicklung aus dem Bereich der Steuerungsunterstützung heraus, besser bekannt unter dem Begriff Organisationsentwicklung. Viele der in der Personalabteilung und Steuerungsunterstützung angesiedelten Prozesse wurden bis dato manuell abgewickelt. So sind Bewerbungen beispielsweise bisher fast ausschließlich in Papierform, also per Post, oder auch per E-Mail in Ingolstadt eingegangen – bei etwa 2000 Bewerbungen pro Jahr kein leichtes Unterfangen. „Diese Bewerbungen zu bearbeiten, war mit immensem Aufwand verbunden“, berichtet Werner Gietl, Leiter des Personalamtes der Stadt Ingolstadt. „Für die Zukunft wollten wir daher ein Instrument haben, um Bewerbungen zeit- und ortsunabhängig bearbeiten zu können. Dabei sollten alle Datenschutzrichtlinien automatisiert eingehalten werden.“ Diese Anforderung an das neue System wurde entsprechend festgehalten.
Entgeltabrechnung
Darüber hinaus verfolgte die Verwaltung das Ziel, die Entgeltabrechnung zu optimieren. Bis dato waren die zur Abrechnung benötigten Schnittstellen, wie etwa die Zeiterfassung, noch nicht vollumfänglich ausgebaut. Daraus resultierend wurden viele Daten manuell erfasst. Zudem bot das bestehende System nur sehr eingeschränkte Auswertungsmöglichkeiten. Über Umwege und Nachbearbeitung in anderen Systemen oder Excel-Dateien konnten die benötigten Daten zwar ausgewertet werden, jedoch war auch dies mit einem hohen Zeitaufwand verbunden und führte die Bereithaltung von Personaldaten an verschiedenen Stellen mit sich. Damit wurden die entsprechenden Reportfunktionen ebenfalls Teil des Anforderungskataloges an das neue System. Und noch ein weiteres Modul stand in Ingolstadt auf dem Prüfstand: der Stellenplan. Im bestehenden System war mit Blick auf den Stellenplan eine Berufshistorie nur bedingt abgebildet, daher war es notwendig, benötigte Informationen manuell zu erfassen und zu pflegen. „Zur Pflege des haushaltsrechtlichen Stellenplans war bisher bei uns umfassendes und sehr tiefgehendes Know-how erforderlich“, beschreibt Gietl den Prozess in Ingolstadt. „Das neue System sollte daher auch entsprechend benötigte Informationen quasi per ‚Knopfdruck‘ bereitstellen“, so Gietl weiter.
Komplexes Vergaberecht als Herausforderung
Im Rahmen einer EU-weiten Ausschreibung gingen die Verantwortlichen der Stadt Ingolstadt auf die Suche nach einem Anbieter, dessen Software dem neu erstellten Anforderungskatalog gerecht werden würde. Die Vergabe öffentlicher Aufträge unterliegt einer Vielzahl an Vorschriften, an die sich sowohl öffentliche Auftraggeber als auch Privatanbieter halten müssen. Dabei sind übergreifende Themen, wie der möglichst wirtschaftliche Umgang mit öffentlichen Mitteln, in Deutschland im Vergaberecht geregelt und in der Vergabe- und Vertragsordnung (VOL). Die Komplexität der Regularien sowie die Vielzahl möglicher Vergabearten stellt vor allem Kommunen vor immense Herausforderungen.
Auch in Ingolstadt ging es im ersten Schritt darum, das passende Verfahren zu wählen. Dabei sind auch die von der EU vorgegebenen sogenannten Auftragsschwellenwerte zu beachten. Im zweiten Schritt muss dann das ausgewählte Verfahren zwingend eingehalten und fehlerfrei durchgeführt werden. Aufgrund dieser Risiken, aber auch aufgrund des für die Durchführung notwendigen Knowhows, hatte man sich in Ingolstadt daher dazu entschlossen, diesen Prozess begleiten zu lassen. Der externe Berater konnte zum einen das für Ingolstadt passende Verfahren empfehlen, zum anderen war so auch sichergestellt, dass im Rahmen der Durchführung der Ausschreibung keine Fehler passieren. Am Ende stand dann die Auswahl eines auf die Bedürfnisse der Stadt Ingolstadt zugeschnittenen Systems.
Im Gespräch mit den Mitarbeitern Potenziale heben
Um alle bestehenden Prozesse zu verstehen sowie Problemfelder identifizieren zu können, gleichzeitig aber bereits Optimierungspotenziale ausfindig zu machen, führten die Berater Gespräche und Workshops mit denjenigen Mitarbeitern durch, die an den HR-Prozessen beteiligt sind und bereits zu diesem Zeitpunkt Wünsche an ein Personalmanagementsystem definieren konnten. Die Befragungsergebnisse wurden ausgewertet und entsprechend aufbereitet. Recht schnell wurden Optimierungspotenziale sichtbar, die als Grundlage zur Definition von Sollprozessen und damit auch als Basis zur Erstellung eines Anforderungskataloges an das neue System dienen konnten. „Im Zuge der Auswertung der Interviews wurde deutlich, dass es uns zum einen in vielen Teilbereichen an fest definierten Prozessen fehlte. Zum anderen mangelte es aber auch an Schnittstellen, die zu besseren Workflows beitragen können“, berichtet Werner Gietl, Leiter des Personalamtes der Stadt Ingolstadt. „Daneben kristallisierten sich die vielen manuellen Tätigkeiten bei uns als Störfaktor für Zeit- und Effizienzgewinn heraus.“
Die Ergebnisse der Analysephase wurden in Zusammenarbeit mit den Beratern in Sollprozesse umgewandelt und in einem Prozesshandbuch festgehalten. Einzelne Problemfelder konnten herausgearbeitet und somit ein Anforderungskatalog an das neue Personalmanagementsystem erstellt werden.
Personalmanagementsystem
In der Stadtverwaltung ist das Projekt Personalmanagementsystem noch keinesfalls abgeschlossen. Das ausgewählte System wird modulweise implementiert und der Projektzeitraum ab Zuschlagserteilung wurde auf zwei Jahre festgelegt. Auch in dieser Zeit unterstützt Ellrich & Kollegen im Projektmanagement und berät bei notwendigen Vorarbeiten, um die erarbeiteten Prozesse möglichst bald vollständig IT-gestützt abbilden zu können.
Autorinnen
Karin van Soest, Annette Bouteiller, marvice! GmbH, Mönchengladbach
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