Ausgabe 6 - 2017
Personal und Technik in einer Hand
Manchmal sind HR und IT gar nicht weit voneinander entfernt. Wir haben Führungskräfte ausfindig gemacht, die beide Felder beackern, und sie gefragt, wie die künftige Zusammenarbeit von Personalern und ITlern aussieht.
Von Winfried Gertz
In der Arbeitswelt 4.0 darf es kein Konfliktfeld zwischen Mensch und Technik geben. Davor warnen immer mehr Experten. Tatsächlich herrschen in den dazu vorgesehenen betrieblichen Aktionsräumen von HR und IT grundverschiedene kulturelle Bedingungen. Erschwerend kommt hinzu, dass beide Bereiche im Wettbewerb um betriebliche Wertschätzung traditionell eher weit hinten rangieren. Doch seit die Digitalisierung die Wirtschaft in den Bann zieht, erfreut sich die IT mit ihren Akteuren rapide gestiegener Aufmerksamkeit, was für das bipolare Verhältnis Mensch versus Technik weiteren Zündstoff birgt.
Das große Geld winkt den ITlern, nicht HR
Diese Entwicklung spiegelt sich in den Gehaltsperspektiven von IT-Leitern wider, die als „Chief Information Officer“ (CIO) die höchste Sprosse der Karriereleiter erklimmen. Wie die Personalberatung Heidrick and Struggles beobachtet, steigt die Nachfrage nach business-orientierten CIOs, die bereits Erfahrung mit Transformationsprojekten vorzeigen können. „Ihnen winken Gehälter von 250 000 bis 350 000 Euro“, sagt Beraterin Sabine Thiemann. In Einzelfällen streichen sie sogar eine halbe Million oder mehr ein. Davon können Personaler nur träumen.
Dass sich HR und IT deshalb weiter denn je voneinander entfernen, wäre zu kurz gesprungen. „Jeder CIO muss sich täglich mit Personalfragen auseinandersetzen“, sagt Rüdiger Spies, IT-Analyst aus München. „Vorwiegend beschäftigt ihn die Frage, welchen Business Value er mit knappen Ressourcen erreichen kann.“ Die für viele Personaler unangenehme Botschaft: Per Saldo fallen im Zuge der Digitalisierung mehr Jobs weg als neue entstehen. Nur gewaltige Qualifikationsanstrengungen könnten den Trend bremsen, meint Spies. Nehme man den fortschreitenden Personalabbau durch Einsatz von IT, Maschinen und Robotern ernst, müsse gerade die verbleibende Mannschaft ihre Soft Skills ausprägen: „Statt Fachidioten benötigen Unternehmen künftig Mitarbeiter, die vorwiegend kreativ und gedeihlich zusammenarbeiten.“
Was bedeuten derlei Analysen für das Binnenverhältnis zwischen HR und IT? Auf welche Aufgaben sollten sie sich gemeinsam konzentrieren? Worin zeichnet sich ein Pas de deux womöglich aus? – Wer könnte das glaubwürdiger beantworten als jene Verantwortlichen, die in ihren Unternehmen zugleich den Kurs von HR und IT bestimmen. Denn es gibt sie durchaus, die seltene Spezies, die Belegschaft und Technik in Personalunion orchestriert.
Dirigent von HR und IT
Beginnen wir mit dem Informatiker Kai Beckmann. Nach Stationen als CIO und Personalleiter bei Merck in Darmstadt ist er seit 2015 als Chief Administration Officer für HR und IT des Chemie- und Pharmakonzerns verantwortlich. Beckmann sagt über sich selbst, er beschäftige sich gerne mit Technologie, sei aber auch „aus ganzem Herzen“ Führungskraft und Personaler. Wichtig ist ihm, dass HR und IT gemeinsam ergründen sollten, wie sie einerseits die Geschäfte unterstützen und sich zum anderen gegenseitig am besten unter die Arme greifen. Das gilt vor allem mit Blick auf die anstehende Transformation: Tempo und Erfolgschancen, so Beckmann, würden ganz wesentlich davon abhängen, „wie gut HR und IT kooperieren und sich im Schulterschluss des Themas Digitalisierung annehmen“.
Deshalb räumt er gleich mit überkommenen Denkmustern auf: „Ich kenne viele ITler, die gut mit Menschen umgehen können, und umgekehrt viele HRler, die durchaus geschickt Computer und Software für ihre Arbeit einsetzen.“ Dabei beruft er sich auf ein bei Merck eingesetztes IT-System, das Anwender darin unterstützt, systematisch mit Personaldaten zu arbeiten. So ließen sich Personalentscheidungen auf Basis von Daten treffen statt „vom Bauchgefühl“ geleitet.
Als weiteres Beispiel für ein „Hand-in-Hand“ von IT und Personalarbeit bringt Beckmann HR Analytics ins Spiel. Daraus gewonnene Daten könnten Führungskräfte befähigen, „bessere und besser begründbare Entscheidungen zu treffen“. Während die vorrangige Aufgabe von IT laut Beckmann sei, Prozesse zu unterstützen und zu erleichtern, sei erfolgreiche Personalarbeit vor allem von den Führungskräften und der Feedbackkultur im Unternehmen abhängig.
Wer im und für das Unternehmen erfolgreich sein wolle, müsse Beckmann zufolge beides zugleich beherrschen: „mit Menschen kommunizieren und die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen“. Übrigens Anforderungen, die sich nicht allein an IT und HR richten würden, sondern auch an alle anderen Funktionen und Geschäftsbereiche im Unternehmen. Besonders liegt Beckmann die Gestaltung der künftigen Arbeitswelt am Herzen, oft mit dem Schlagwort Arbeiten 4.0 bezeichnet. Dieser Aufgabe sollten HR und IT sich vor allem gemeinsam widmen.
Wirtschaftspsychologe mit Technik-Faible
Gleichermaßen verantwortlich für HR und IT ist auch Gunther Olesch, und zwar in der Geschäftsführung des Elektronikkonzerns Phoenix Contact im westfälischen Blomberg. Jüngst ist ihm auch die Leitung des Facility Managements übertragen worden. Anders als der Informatiker Beckmann hat Olesch einen wirtschaftspsychologischen Hintergrund. In seiner Doktorarbeit ging er dem Entscheidungsprozess auf den Grund, Psychologen in der Industrie zu beschäftigen. Zum Verhältnis zwischen Personalbereich und IT-Abteilung beruft Olesch sich in seinen Präsentationen stets auf dieses Bild: Sei IT als Rückgrat der Organisation mit dem menschlichen Nervensystem zu vergleichen, dann könne HR nur das Herz sein. So denken viele Akteure. Demnach können Personaler als Ausdruck ihrer sozialen DNA gut auf Menschen zugehen, während IT-Experten sich primär als Ingenieure verstehen, die ein Problem mit einer Maschine lösen. „Kommen solch verschiedene, teils bipolare Mentalitäten zusammen“, betont Olesch, „können wir entweder resignieren oder solche Monokulturen im Denken und Handeln überwinden, um daraus neue Stärken zu entwickeln.“ Quintessenz: ITler lernen, wie wichtig Kommunikation ist, Personaler erwerben analytische Kompetenz.
Wie sich HR und IT mit ihrer Kernkompetenz in der Chefetage Gehör verschaffen und an einem Strang ziehen, praktiziert Olesch stets aufs Neue. „Wo sind Wachstumsmärkte, welche Technologien werden dort gesucht, wie viel investieren wir? Und welche Mitarbeiter brauchen wir dafür?“ Unter diesem ganzheitlichen Ansatz – HR, IT, Facility Management oder: Menschen, Infrastruktur, Gebäude sowie die Vernetzung von all dem – bringe man sich stets „auf Augenhöhe“ mit anderen Fachbereichen ins Geschäft ein. Für Olesch übrigens ein wichtiger Grund, dass kaum jemand HR und IT zugleich verantwortet und viele Personaler nicht zur Chefetage vordringen.
Doch das könnte sich ändern, sollten Personaler beginnen, über ihre gewohnte Domäne hinauszublicken. Schließlich spielten Industrie 4.0 und Digitalisierung „eindeutig“ HR und IT in die Karten, behauptet Olesch. „Daten sind das Öl von morgen“, sagt er. Unternehmen, die schnell reagierten und über hochqualitative Daten verfügten, „werden gewinnen“. Daten nutzt Olesch auch, um die Servicequalität der IT auf Vordermann zu bringen. Bei Phoenix Contact wird jeder Auftrag an die IT vom internen Kunden beurteilt. Ob deren Zufriedenheit zu wünschen übrig lässt, illustrieren Kennzahlen. „Sie helfen uns, bei Abweichung vom Soll sofort zu handeln“, so Olesch. Bleiben Verbesserungen aus, wird die variable Vergütung von Mitarbeitern, Führungskräften und Geschäftsführern zum Teil drastisch gekürzt.
Grundsätzlich plädiert Olesch dafür, über eine intensivere Kooperation zwischen HR und IT nachzudenken. Beide könnten viel voneinander lernen. Freilich wird das kein Spaziergang, für seine Überzeugungen muss man schon kämpfen. „Darin sind die ITler den Personalern, die sich als eher kompromissorientiert erweisen, voraus.“ Der ideale HRler ist für Olesch ein „hervorragender Verkäufer, der sich nicht geschlagen gibt und nach 14 Tagen erneut beim Kunden erscheint“.
Marketingexperte in HR und IT
Doch dieses „verkäuferische Gen“ fehlt vielen Personalern. Eine Ausnahme ist Jürgen Seifert von TNT Express in Troisdorf. Statt wie andere Personaler BWL, Jura oder Psychologie studierte er Kommunikationswissenschaft, im Nebenfach Sport. Nach dem Examen vermarktete er in einer Agentur Sportrechte. „Ein Traumberuf“, erinnert er sich. 1993 heuerte Seifert bei TNT als Verkaufstrainer an und machte zügig Karriere, erst in HR, dann in IT. Lange verantwortete er beide Bereiche in der Geschäftsführung, ehe er nach der Übernahme von TNT durch Federal Express (Fedex) die IT-Führung abgab. Heute ist er Geschäftsführer für HR und Customer Experience.
Seifert nimmt oft streitbare Positionen ein. Auch bei der Einordnung der Digitalisierung rückt er vom Mainstream ab: Zahlreiche Hypes hätten mit der beruflichen Realität vieler Personaler wenig zu tun. Bereits in der Vergangenheit fielen vermeintlich vorrangige Themen der Alltagswirklichkeit zum Opfer. „Trends, das ist ihre Wesensart, gehen oft spurlos an einem vorüber.“ Und das sei nicht ursächlich darauf zurückzuführen, dass Personaler von Haus aus konservativ oder risikoscheu seien.
Bei allem Digitalisierungseifer, ruft er HR und IT zur Besinnung, werde häufig vergessen, dass vor der Implementierung die Phase der Mitbestimmung ansteht und Datenschutzauflagen enge Grenzen setzen: „Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwer es ist, neue Technologien zu verhandeln.“ Zu guter Letzt hat Seifert für das auch von ihm konstatierte Problem „mangelnder kommunikativer Kompetenz in der IT“ einen pragmatischen Lösungsvorschlag. Unternehmen sollten deutlich mehr Wirtschaftsinformatiker einstellen. Sie böten sich zugleich dafür an, als „Bindeglied zwischen IT und HR“ zu fungieren.
Zweifacher Dienstleister für die Mitarbeiter
Kommen wir schließlich zu Harald Schwab, Personal- und IT-Leiter der Schmitt + Sohn Aufzugswerke in Nürnberg. Für ihn ist Digitalisierung ein geschickt von Marketingstrategen hochgejazzter „Modebegriff“. Das Veränderungstempo unterschätzt er jedoch nicht. Sofern sinnvoll, würden neue Technologien gezielt eingesetzt. Schließlich gehe es um die „Zukunftsfähigkeit“ des Unternehmens. Doch jede IT-Lösung sei nur so gut „wie die Menschen, die sie anwenden“. Erfolg erziele man dank effektiver bereichsübergreifender Zusammenarbeit. Übrigens ein Anspruch, den Mitarbeiter auch gegenüber Führungskräften einfordern könnten. So sei es in Leitlinien niedergelegt.
Für Schwab sind IT und HR ohne Zweifel gleichbedeutend. Ihre Rolle: Dienstleister für Mitarbeiter. „Zwar neige ich dazu, eher der Personaler zu sein“, betont er. Umgekehrt sei in der IT deutlich mehr zu tun. Dennoch arbeiten HR und IT im Schulterschluss zusammen. Tools für Bewerber und Talent Management werden ins betriebswirtschaftliche System integriert und künftig durch weitere HR-Lösungen wie die digitale Personalakte ergänzt. Mitarbeiter, erklärt Schwab die IT-Aufrüstung, sollten einfacher und effektiver arbeiten können und so mehr Zeit für wesentliche Themen gewinnen.
In der Geschäftsführung könnte die Wertschätzung von HR und IT, also letztlich auch für Schwab, kaum höher sein. Während IT als Rückgrat des Unternehmens nicht ausfallen darf, stellt Personalarbeit die Weichen Richtung Zukunft. Neben administrativen Aufgaben, wie der zuverlässigen Einhaltung der Abrechnungstermine, sorgt HR zeitnah für qualifiziertes Personal, organisiert pro Jahr weit über 100 Schulungen, bildet mittlerweile 92 Auszubildende aus und bereitet den Nachwuchs intensiv auf Führungsaufgaben vor.
Enger zusammenrücken
Wie die vier Beispiele zeigen, ist ein Abschied von Monokulturen sinnvoll, wenn nicht gar überfällig. Die Digitalisierung schweißt HR und IT zusammen. In der künftigen Arbeitswelt müssen sie enger miteinander kooperieren, sich gegenseitig unter die Arme greifen und gemeinsam das Business unterstützen. Nach wie vor ein schwieriges Unterfangen, solange HR und IT getrennt agieren und in ihrer ureigenen Kultur gefangen bleiben.
![]() © Foto: Merck Dr. Kai Beckmann„Tempo und Erfolgschancen der Transformation hängen davon ab, wie gut HR und IT kooperieren.“ 2007 wird Informatiker Kai Beckmann vom Chemie- und Pharmakonzern Merck in Darmstadt zum ersten CIO der Gruppe berufen. Vier Jahre später übernimmt er in der Geschäftsführung die Personalleitung und ist seit 2015 als Chief Administration Officer für HR und IT der gesamten Merck-Gruppe verantwortlich. Seine berufliche Laufbahn begann er 1989 als IT-Systemberater bei Merck. Kai Beckmann studierte von 1984 bis 1989 Informatik an der Technischen Universität Darmstadt. 1998 promovierte er berufsbegleitend im Bereich Wirtschaftswissenschaften. |
![]() © Foto: Phoenix Contact Professor Dr. Gunther Olesch„Ist IT als Rückgrat der Organisation mit dem menschlichen Nervensystem zu vergleichen, dann ist HR das Herz.“ Nach Studium und Promotion wird Wirtschaftspsychologe Gunther Olesch 1989 Personalleiter des Elektronikkonzerns Phoenix Contact im westfälischen Blomberg. Zwölf Jahre später übernimmt er auch Verantwortung für die IT. Heute ist er Geschäftsführer für HR, IT und Facility Management. Gunther Olesch ist zudem langjähriger Lehrbeauftragter an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Von 1979 bis 1985 war Olesch in einer Personalberatungsgesellschaft in Bochum tätig, mit den Aufgabenschwerpunkten Personalauswahl und -training. Von 1985 bis 1989 hat er bei der Thyssen Edelstahlwerke AG die Weiterbildung und Personalentwicklung aufgebaut und geleitet. |
![]() © Foto: TNT Jürgen Seifert„Wirtschaftsinformatiker können als Bindeglied zwischen IT und HR fungieren.“ Nach einer Etappe im Sportmarketing kommt Kommunikationswissenschaftler Jürgen Seifert 1993 als Verkaufstrainer zu TNT Express in Troisdorf. Bald wird er Leiter der Personalentwicklung, dann Geschäftsführer der TNT Akademie. 2003 wird er HR Director, kurz darauf übernimmt er auch die Zuständigkeit für die IT. Im Mai 2007 rückt Seifert als Geschäftsführer Human Resources & General Services in die Geschäftsführung der TNT Express und TNT Innight auf. Im November 2007 ernennt ihn der Aufsichtsrat der TNT Express zudem zum Arbeitsdirektor. Nach Übernahme von TNT durch Fedex gibt er die IT-Leitung 2015 ab. |
![]() © Foto: Schmitt + Sohn Harald Schwab„Jede IT-Lösung ist nur so gut wie die Menschen, die sie anwenden.“ Harald Schwab studiert Betriebswirtschaftslehre an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. In seinem Studium befasst er sich intensiv mit den Themen Personal, Organisation sowie Datenbank- und Systementwicklung. Anschließend absolviert Harald Schwab eine Traineeausbildung und bewirbt sich erfolgreich auf eine Stellenanzeige. So wird er Personalleiter der Schmitt + Sohn Aufzugswerke in Nürnberg. 2004 übernimmt er auch die IT-Leitung und wird 2005 Prokurist. |
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