Unter der Lupe
Eine umfangreiche Studie hat Deutschlands beste Recruiter ausgezeichnet. Den Spitzenplatz belegt die REWE Group. Besonderheit der Studie: Mystery Jobber haben je vier Initiativbewerbungen an 500 Unternehmen und Institutionen gesendet und deren Reaktion analysiert. Am unteren Ende der Skala tun sich Abgründe auf.
Die REWE Group, die Krones AG und die Philips Deutschland GmbH leisten aktuell die beste Arbeit im Recruiting in Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommt die umfangreiche Studie „Career’s Best Recruiters“. Die Sieger der hierzulande im zweiten Jahrgang durchgeführten Erhebung wurden Anfang Mai im Frankfurter Literaturhaus gekürt. Auf den ersten zehn Plätzen des Gesamtrankings landen Unternehmen und Institutionen aus zehn unterschiedlichen Branchen (siehe Abbildung).
Abbildung
Zehn verschiedene Branchen in den Top Ten

Top-Recruiting ist branchenübergreifend möglich: Unternehmen und Institutionen aus zehn unterschiedlichen Bereichen belegen die zehn ersten Plätze des Gesamtrankings.
Die REWE Group konnte im Ranking vor allem mit ihrem professionellen und wertschätzenden Umgang mit Bewerbern punkten. „Jede Bewerbung, vom Auszubildenden bis zum hochqualifizierten Experten, betrachten wir als Chance für das Unternehmen. Mitarbeiterorientierung beginnt für uns nicht erst am ersten Arbeitstag, sondern bereits im Recruiting-Prozess“, erläutert Berndfried Dornseifer, Leiter Personal und Personalentwicklung Konzern bei der REWE Group.
Ausgezeichnet wurden nicht nur die Gesamtsieger, sondern auch die Erstplatzierten in 23 Branchen. An der Spitze des Branchen-Rankings stehen die Versicherungen. Sie überzeugen durch ihre Karrierebereiche auf den Webseiten und eine hohe Wertschätzung im Umgang mit den Bewerbern. Den zweiten Platz erreichen die Unternehmensberatungen, die sich vor allem durch ihre Social Web-Präsenzen von den anderen Branchen abheben. Auf dem dritten Platz landet der Anlagen- und Maschinenbau. Abgeschlagen am Ende liegt der Bereich Kfz-Handel/-Service, auch die Branchen Nahrungsmittel/Konsumgüter und Bau/Holz stehen nicht gut da.
Bewertungskriterien
Die Ergebnisse der Studie basieren auf vier wesentlichen Säulen:
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Online Recruiting-Präsenz: Welche Informationen stellen Arbeitgeber auf ihrer Homepage und im Social Web in welcher Qualität für Bewerber zur Verfügung?
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Online-Stellenanzeigen-Analyse: Werden potenzielle Bewerber angemessen angesprochen? Wecken die Anzeigen Interesse, sind sie übersichtlich und informativ? Wie sind Qualität, Umfang und Informationsgehalt der Ausschreibung?
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Umgang mit den Bewerbern: Je vier Initiativbewerbungen wurden an 500 Unternehmen und Institutionen gesendet, zusätzlich wurde jeder Arbeitgeber telefonisch kontaktiert. Reagieren die Unternehmen auf die Bewerbungen? Und falls ja: Wie gehen sie mit den Bewerbern um?
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Bewerber-Feedback: Als Stimmungsbarometer und Kontrollmechanismus wurde zudem fortlaufend Bewerber-Feedback gesammelt, etwa Erfahrungsberichte von Bewerbern. Diese Ebene fließt aber nicht mit in die Bewertung ein.
Online Recruiting-Präsenz
Die Arbeitgeber-Website ist die erste Anlaufstelle für die Bewerber (siehe hierzu auch Personalwirtschaft 6/2013). Nahezu alle getesteten Unternehmen stellen dort einen eigenen Karrierebereich zur Verfügung (98 Prozent) oder haben einen gesonderten Bereich für Stellenangebote (97 Prozent). Parallel zu den steigenden Anforderungen der jungen Generation an die ethisch-moralische Integrität der Unternehmen wird das Thema Unternehmenskultur immer wichtiger. 70 Prozent der getesteten Unternehmen und Institutionen präsentieren ihre Werte auf der Firmen-Website. Gleichzeitig tun sich noch immer viele schwer damit, auf der Homepage Einblicke in den Unternehmensalltag und die Arbeitskultur zu geben. 62 Prozent lassen ihre Mitarbeiter als Testimonials zu Wort kommen; knapp die Hälfte der Arbeitgeber (47 Prozent) gewährt durch Fotos Einblicke in den Arbeitsalltag. Karrierevideos zeigen 38 Prozent der getesteten Unternehmen. Diese Zurückhaltung mag verwundern in Zeiten, da im Recruiting mehrheitlich größtmögliche Transparenz angestrebt wird. Doch vielleicht ist es besser, es ganz sein zu lassen und sich auf andere Stärken zu besinnen, bevor man sich mit einem halbgaren Versuch in die Nesseln setzt.
Im Social Web sind Deutschlands Recruiter – trotz der vielseitigen Möglichkeiten der Bewerber-Recherche und -Direktansprache – noch zurückhaltend: Gut vier von fünf Unternehmen (82 Prozent) nutzen Social Media, nur 56 Prozent setzen sie aber gezielt für das Recruiting ein. Beispiel Xing: Zwar präsentiert sich mehr als die Hälfte der getesteten Unternehmen und Institutionen mit einem eigenen Account (53 Prozent); jedoch nutzen nur 36 Prozent das Netzwerk, um potenzielle Bewerber über aktuelle Karrieremöglichkeiten zu informieren. Auch Youtube wird von 64 Prozent als allgemeiner Kommunikationskanal genutzt, während nur 29 Prozent hier auch über Karriere-News berichten.
Dass die Zahlen in Bezug auf Facebook ähnlich sind, ist erstaunlich: Obwohl das Netzwerk nach wie vor vornehmlich privat genutzt wird, sind hier 45 Prozent der befragten Unternehmen als Arbeitgeber präsent, ein knappes Drittel (31 Prozent) sogar mit Karriere- oder Recruiting-Bezug.
Online-Stellenanzeigen-Analyse
Einige zentrale „hard facts“ – wie die Stellenbezeichnung (95 Prozent), das Anforderungsprofil (93 Prozent) und der Aufgabenbereich (92 Prozent) – werden in fast allen getesteten Stellenanzeigen berücksichtigt. Doch nur 77 Prozent der Anzeigen geben den Arbeitsort an, nur 50 Prozent nennen den Eintrittstermin, und nur 36 Prozent informieren über die für eine Bewerbung erforderlichen Unterlagen. Und nur etwa ein Fünftel der Stellenanzeigen weist auf Entwicklungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten im Unternehmen (21 Prozent) oder zu erwartende Benefits (19 Prozent) hin.
Damit dürften bei vielen Bewerbern diverse Fragen offen bleiben. Doch direkter Kontakt zu HR ist für Bewerber ein rares Gut. Dass nur gut die Hälfte der Unternehmen (57 Prozent) in ihren Stellenanzeigen Ansprechpersonen mit zugehörigen Kontaktdaten angibt, mag dem Selbstschutz geschuldet sein. Es trägt aber zum Eindruck bei, dass Recruiting nicht selten noch hinter verschlossenen Türen stattfindet.
Bei der Analyse der Online-Stellenanzeigen zeigt sich auch, welche erstaunlichen Blüten politische Korrektheit bisweilen treibt: Zwar achten 81 Prozent der befragten Unternehmen auf eine geschlechtsneutrale Formulierung in ihren Stellenanzeigen; doch nur 14 Prozent der getesteten Stellenanzeigen weisen auf die gleichberechtigte Stellenvergabe an alle Bewerber hin. Soviel zum Thema Chancengleichheit.
Umgang mit den Bewerbern
Herausragende Besonderheiten der Studie sind sicherlich der mit viel Aufwand betriebene Versand und die Nachverfolgung von je vier Initiativbewerbungen an 500 Unternehmen. Zunächst fällt dabei auf: Von den getesteten Arbeitgebern ermöglichen überhaupt nur knapp 77 Prozent das Einsenden von Initiativbewerbungen, beim Rest – fast ein Viertel der Grundgesamtheit – ist dies nicht ohne Weiteres möglich. Gut 13 Prozent schließen diese Art der Bewerbung sogar ganz aus; bei zehn Prozent gelangt man immerhin durch hartnäckiges Nachhaken ans Ziel.
Gleichwohl wird der Einsatz, der hinter einer Initiativbewerbung steckt, selten honoriert. Häufig bleiben die Arbeitgeber eine Antwort schuldig. Ein Viertel (26 Prozent) der versendeten Initiativbewerbungen blieben innerhalb der im Rahmen der Studie gesetzten Frist von zehn Werktagen unbeantwortet. Wenn eine Antwort folgt, dann in immerhin 63 Prozent der Fälle individuell: Die Bewerber werden persönlich angesprochen, ein Ansprechpartner der Personalabteilung ist angegeben. 42 Prozent der Antworten werden um ein auf die Bewerbung eingehendes Feedback ergänzt.
Zwischen den Branchen herrschen aber deutliche Qualitätsunterschiede im Antwortverhalten. Unternehmensberatungen haben vier von fünf Kontaktaufnahmen (80 Prozent) der fiktiven Initiativbewerber beantwortet und führen somit dieses Ranking an. Die Branche Transport/Verkehr/Logistik liegt mit 77 Prozent auf dem zweiten Platz. Weit abgeschlagen sind die Branchen Kfz-Handel/-Service (38 Prozent) und Pharma/Biotechnologie (33 Prozent).
Auch hier gilt: Oft ist schon der telefonische Kontakt zu HR Herausforderung genug. Ein Viertel (25 Prozent) der Unternehmen und Institutionen hat den Mystery Jobbern die Möglichkeit einer Kontaktaufnahme regelrecht verwehrt – entweder wurde keine Telefonnummer angegeben oder die Vermittlung stellte nicht zu HR durch. Die restlichen drei Viertel waren zwar erreichbar, jedoch gingen insgesamt nur rund 37 Prozent offen und freundlich mit den Anrufern um.
Closed Shop HR
So erfolgreich die Top-Recruiter des Rankings auch sein mögen – am anderen Ende der Skala tun sich Abgründe auf. Was im hübschen Karriereportal noch nach großer, weiter Welt aussehen mag, wird im ellenlangen Online-Formular schnell ziemlich dröge. Und spätestens, wenn Bewerber Details zur Stelle erfahren wollen, heißt es: Kein Anschluss unter dieser Nummer.
Das mag alles dem Kosten- und Effizienzdruck geschuldet sein. Doch HR muss sich bewusst sein, dass das Recruiting ein Bereich der Personalarbeit mit immenser Außenwirkung ist. Nicht nur einzelne Unternehmen, mithin eine ganze Branche hat hier einen Ruf zu verlieren.
Autor
Cliff Lehnen
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