Ausgabe 7 - 2015
Führung mit viel Eigeninitiative

Führungskräfte nehmen ihre eigene Weiterbildung selbst in die Hand. Dies ist ein zentrales Ergebnis der Studie „Begeistert Führung lernen“. Auch die ausgewählten Themen zeugen von einer guten Weiterbildungskultur.
Das Beratungsunternehmen Com-Team, das auch eine Führungskräfte-Akademie betreibt, hat Anfang 2015 über 430 Fach- und Führungskräfte befragt. In den Ergebnissen der Umfrage zeigt sich eine sehr hohe Eigeninitiative, wenn es um die berufliche Weiterentwicklung geht. Mehr als drei Viertel der Befragten geben an, „meistens“ oder „immer“ selbst zu recherchieren und zu entscheiden, an welcher Maßnahme sie teilnehmen (siehe Abbildung). Nur ein Viertel der Studienteilnehmer gibt an, dass Vorschläge und Informationen vorwiegend von den HR-Spezialisten im Unternehmen kommen. Dieses Bild von der Rolle von Human Resources bestätigt sich auch in der Frage, wer über die Weiterbildung entscheidet. Auf die Frage „Wer bestimmt wie stark, welche Weiterbildung Sie wählen können?“ antworten gut zwei Drittel (69 Prozent) „ich selbst“. 29 Prozent geben den eigenen Chef als Entscheider an. Jeder Siebte (15 Prozent) nennt die Personalentwicklung als Entscheider (Mehrfachnennungen möglich). Immerhin erwähnen hier auch nur drei Prozent den „Einkauf“ als entscheidende Instanz. Das mag den ein oder anderen an dieser Stelle beruhigen. Insgesamt zeigt sich in der zunehmenden Eigenrecherche von Führungskräften ein Trend: Bei der Suche nach Führungskräfteentwicklung wird das ausgewählt, was einem bei einem konkreten Problem weiterhilft. Der Anbieter einer Maßnahme rückt dabei stärker in den Hintergrund. Die Omnipräsenz digitaler Medien stützt diese Entwicklung.
Abbildung
Antrieb für Weiterbildung

Die Führungskräfte nehmen ihre Weiterbildung selbst in die Hand.
Selbstreflexion ist Topthema
Bei den Antworten nach der Attraktivität einzelner Themen für Führungskräfte brachte die Studie Überraschendes zu Tage. Bezogen auf alle Befragten waren die vier Topthemen:
- 1.
Selbstreflexion, Boxenstopp, Achtsamkeit
- 2.
Change für Führungskräfte, Veränderungsmanagement
- 3.
Eigene Konfliktfähigkeit, produktive streiten, effektive Kommunikation
- 4.
Teams entwickeln, Potenziale finden und produktiv machen, Produktivität steigern
Bei den jüngeren Führungskräften (mit weniger als fünf Jahren Führungserfahrung) kommen erwartungsgemäß Führungsgrundlagen (Rolle, Erwartungen, Aufgaben, Ziele) dazu. Für die erfahrenen Führungskräfte geht es bei der Weiterbildung in erster Linie um die Möglichkeit zum Innehalten, während permanent Veränderungen zu managen sind. Die Auszeit vom Arbeitsalltag ist das, was Führungskräfte in der Weiterbildung offensichtlich (auch) suchen. Nach unseren Erfahrungen nehmen sich dafür jedoch weit weniger erfahrene Führungskräfte Zeit, als man nach den Ergebnissen der Studie vermuten könnte.
Jüngere Führungskräfte haben, nach den Aussagen der Studienteilnehmer, einen deutlich höheren Bedarf an Seminaren zu Selbstorganisation und Zeitmanagement als die alten Hasen. Ähnlich ist es bei der Moderation von Workshops und Meetings sowie bei der Gesprächsführung in Gruppen und Teams. Die älteren Führungskräfte müssten das schon können.
Neues Führen schon selbstverständlich?
Überraschend ist die relativ geringe Attraktivität der Führungsthemas „Führen ohne Weisungsbefugnis, lateral führen“. Debatten um temporäre, laterale oder virtuelle Führungskonzepte finden sich hier nicht wieder. Differenziert man diese Einschätzung nach dem Alter der Befragten, zeigt sich folgendes Bild: Für die 41- bis 60-Jährigen ist „Führung ohne Weisungsbefugnis“ deutlich interessanter und wichtiger als für die 20- bis 30-Jährigen. Die Überzeugung der Jüngeren, dies ohnehin zu können, spielt dabei wohl ebenso eine Rolle wie beim Thema „Virtuelle Teams führen“. Jüngere führen heute fast selbstverständlich „ohne Hierarchie“. Oft besitzen sie gar keine Amtsmacht, sind aber zum Beispiel als Projektleiter dennoch darauf angewiesen, die Dinge voranzubringen.
Generell scheint die Debatte um „neues Führen in einer neuen Welt“ in vielen klassischen Unternehmen noch nicht angekommen zu sein. Obwohl immer mehr Führungskräfte ihr Team über Distanzen und verschiedene Zeitzonen hinweg leiten, scheint das Interesse an den dafür notwendigen Skills gering zu sein. Im virtuellen Raum müssen sich Führende besonderen Anforderungen stellen was Vertrauen, Macht und Hierarchie angeht. Dies wurde in der ComTeam-Studie „Führungsraum“ deutlich (siehe auch Personalwirtschaft 8/2012).
Ein Turbo für die Innovationskraft
Neben der Attraktivität verschiedener Formate wie beispielsweise Coaching, interaktive digitale Medien oder kollegiale Supervision fragte die Studie auch nach den Vorteilen, die sich Führungskräfte von ihrer Weiterbildung versprechen. Es sind vor allem Faktoren der Leistungssteigerung, die bei den Befragten die höchste Zustimmung erfahren. „Mehr Ideen, Inspiration und Innovationskraft“ werden zu rund 80 Prozent angekreuzt, fast genauso oft (78 Prozent) „bessere Arbeitsresultate“. Eine „bessere Zukunftsfähigkeit des Unternehmens“ findet sich mit 71 Prozent bei der deutlichen Zustimmung („sehr viel“ beziehungsweise „viel“) ebenso auf dem Treppchen der Top Drei. Wesentlich skeptischer bewerten Führungskräfte die Auswirkungen ihrer Weiterbildung im Hinblick auf bessere Karrierechancen. Hiervon sind nur etwa 43 Prozent überzeugt, ein Viertel gibt an, dass sie sich in dieser Hinsicht „wenig“ beziehungsweise „sehr wenig“ versprechen. Bemerkenswert ist ebenfalls, dass man sich durch seine Weiterbildung als Führungskraft offensichtlich kaum Anerkennung durch seinen eigenen Chef verschaffen kann. Nur 27 Prozent stimmen dem zu, während fast die Hälfte (47 Prozent) verneint, dass es hier einen Zusammenhang gibt. Andererseits bestimmt in der Hälfte der Fälle die direkte Führungskraft, welche Weiterbildung jemand wählen kann.
Fazit: Führungskräfte bilden sich vor allem mit dem Ziel weiter, ihren Job besser machen zu können. Sie versprechen sich dadurch weniger einen sichereren Job als vielmehr bessere Arbeitsresultate für die Zukunft und auch eine bessere Zukunftsfähigkeit ihres Unternehmens. Viele nehmen ihre Weiterbildung selbst in die Hand, was Informationsbeschaffung und damit die Vorbereitung von Auswahlentscheidungen betrifft. Die Initiative zur Weiterbildung von Führungskräften kommt, aus deren Sicht, eher selten von HR-Seite. Und: Erfolgreich sind für Führungskräfte auch und vor allem die Weiterbildungsangebote, die einen hohen Praxisbezug und -anteil bieten. Dass sie sehr gut didaktisch und methodisch aufbereitet sind, ist heute selbstverständlich.
Mehr zur Studie
Die kompletten Ergebnisse der Studie „Begeistert Führung lernen“ sind einsehbar unter: http://de.comteamgroup.com/news/studie2015-ergebnisbericht.2661
Autor
Lorenz Forchhammer, Studienleiter und Senior Partner der ComTeam AG,
l.forchhammer@comteamgroup.com
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