Drei Säulen für die HR-Organisation

Vor rund drei Jahren hat TÜV Süd mit der Konzeption und Implementierung eines übergeordneten Drei-Säulen-Modells für das HR-Management begonnen. Das Ziel: die Effizienz und Qualität der Personalarbeit zu steigern. Das in der Unternehmenszentrale in München aufgesetzte Modell wird nun global ausgerollt.
TÜV Süd hat ein rasantes Wachstum hinter sich: Innerhalb der letzten zehn Jahre haben sich unsere Mitarbeiter- und Umsatzzahlen mehr als verdoppelt. Weltweit sorgen aktuell mehr als 20 000 Mitarbeiter für die Optimierung von Technik, Systemen und Know-how, und im Jahr 2013 konnte der Konzernumsatz auf weltweit 1,94 Milliarden Euro gesteigert werden. Damit ist TÜV Süd ein führendes technisches Dienstleistungsunternehmen in den Bereichen Beratung, Prüfung, Tests und Gutachten sowie Zertifizierung und Ausbildung. Diese Entwicklung wollen wir fortschreiben und bis zum Jahr 2020 in der TÜV Süd Gruppe den Umsatz auf mehr als drei Milliarden Euro steigern.
Drei Säulen verbessern die Arbeitsteilung
Das Wachstum geht mit einem erheblichen Aufbau von Personal einher, den die HR-Abteilung stemmen muss. Bis zum Jahr 2020 soll die Zahl der Mitarbeiter im In- und Ausland von aktuell 22 000 nochmal deutlich auf 30 000 steigen. Ziel ist es, kontinuierlich zu wachsen und dabei stets effizienter zu werden. Der Veränderungsprozess verlangt daher auch ein entsprechend effizientes HR-Management.
Um den Herausforderungen gerecht zu werden, hat TÜV Süd vor rund drei Jahren mit der Konzeptionierung und Implementierung eines neuen übergeordneten HR-Modells begonnen. Dieses bildet die gesamte Personalorganisation des Konzerns in drei Säulen ab, schafft eine stärkere Arbeitsaufteilung und soll Prozesse weltweit vereinheitlichen. „Damit unsere Personalarbeit – auch mit Unterstützung von IT-Tools – effizienter und strategischer wird, brauchen wir im gesamten Konzern ähnliche, miteinander vernetzte HR-Prozesse“, erläutert Gabriele Sommer, Konzernbereichsleiterin Personal bei TÜV Süd.
„Wir können beispielsweise nicht mit einem einheitlichen Recruiting-IT-Tool arbeiten, wenn jede Region das Recruiting anders handhabt. Die Vereinheitlichung der Kernprozesse in einer neu geordneten HR-Organisation stellt also die Basis für den Einsatz von IT-Tools und einhergehende Effizienzsteigerungen dar.“ Das neue Drei-Säulen-Modell (siehe Abbildung 1), das die Grundlage für vergleichbare Prozesse bildet, geht auf das Business Partner-Modell von Dave Ulrich zurück. Die HR-Abteilung soll mithilfe dieses Modells aus ihrer Rolle als interner Dienstleister ausbrechen und zum strategischen Partner für die Führungskräfte des Unternehmens werden. Hier spielen vor allem die HR Business Partner als eine der drei Säulen eine tragende Rolle. Diese unterstützen Führungskräfte dabei, die Unternehmensstrategie umzusetzen.
Abbildung 1
Die HR-Rollenverteilung im Drei-Säulen-Modell

Business Partner beraten strategisch
Ziel ist es, dass die Business Partner nicht mehr für das administrative Geschäft wie Gehaltsabrechnung oder Vertragserstellung zuständig sind, sondern eine beratende strategisch unterstützende Funktion einnehmen. So sollen sie beispielsweise HR-Vorhaben und -Projekte auf Grundlage des Unternehmensbedarfs initiieren, das Talent Management verantworten sowie Veränderungen begleiten. Die administrativen Aufgaben dürfen dabei allerdings nicht auf der Strecke bleiben.
Aus diesem Grund übernimmt die mitarbeiterstärkste Säule, HR Service, diese Zuständigkeiten und entlastet damit die Business Partner. HR Service ist der erste Ansprechpartner für Mitarbeiter rund um ihr Beschäftigungsverhältnis bei TÜV Süd und ermittelt anhand von quantitativen Auswertungen, welche Themen aktuell für die HR-Abteilung wichtig sind.
Die HR-Service-Mitarbeiter setzen HR-Richtlinien um und bearbeiten Anfragen für bestimmte HR-Fachgebiete. Die dritte Säule des Modells ist das Center of Excellence (CoE), wobei es ein globales Center of Excellence sowie bei Bedarf auch regionale CoEs gibt. Das globale CoE tauscht sich regelmäßig sowohl mit dem Vorstand und den oberen Führungskräften als auch mit internationalen HR-Kollegen aus und hat die Aufgabe, für das gesamte Unternehmen einheitliche HR-Prozesse, Strategien, Programme und Richtlinien zu entwickeln oder bereits bestehende anzugleichen. Alle CoEs unterstützen sowohl HR Service als auch die Business Partner, überprüfen zudem HR-Strategien, Richtlinien und Instrumente der jeweiligen Fachgebiete und treiben die Optimierung und Standardisierung von Prozessen und Leistungen voran.
Einführung Schritt für Schritt
Nach einer rund einjährigen Planungsphase begann TÜV Süd 2013 mit der Implementierung des neuen Organisationsmodells in Deutschland. Mit dem ersten Schritt des Transformationsprozesses „HR Deutschland 1.0“ wurde dort ein HR Service Center eingeführt. Durch die erste Umstrukturierung bündelte das Unternehmen bereits einen Teil der administrativen Aufgaben wie die Gehaltsabrechnung in einem Service Center und entlastete dadurch die Personalreferenten. Im zweiten Schritt wurden zum 1. Oktober 2014 weitere administrative Aufgaben an HR Service verlagert und die beiden Säulen Business Partner und CoE Deutschland eingeführt. Ziel in diesem Jahr ist nun die Implementierung des Modells in fünf weiteren Regionen – Greater China, Nord- und Südamerika, Südasien und Westeuropa. Diese wurden aufgrund verschiedener Kriterien wie Größe und HR-Reifegrad für die erste Implementierungswelle ausgewählt. In diesen Fokusregionen sollen bis Ende 2015 zwei HR-IT-Systeme und vier Kernprozesse installiert werden. So plant TÜV Süd, die Prozesse Recruitment, Performance Management, Learning & Development und Compensation & Benefits zu harmonisieren sowie einheitliche IT-Systeme für das Performance Management und das Recruitment in diesen Regionen zu implementieren. TÜV Süd befindet sich dafür im Auswahlprozess für ein neues, einheitliches Recruitment-Tool. Hier gibt es, historisch und dezentral gewachsen, noch eklatante Unterschiede von Region zu Region. Während 44 Prozent von ihnen mit einem solchen Tool arbeiten, wickeln 56 Prozent – in erster Linie kleine Länder oder Gesellschaften – das Recruiting ohne spezialisiertes IT-System ab. Darüber hinaus waren im gesamten Konzern im Jahr 2013 noch zwölf unterschiedliche Systeme im Einsatz. Dies soll sich nun ändern, sodass alle Regionen unabhängig von ihrer Größe mit dem gleichen IT-Tool arbeiten. Die dafür notwendige Prozessharmonisierung wurde bereits im vergangenen Jahr in internationalen Workshops vorbereitet. Nun liegt der Fokus auf der Umsetzung in den ersten Regionen.
Bedarfsgerechte Prozesse entwickeln
Das globale, für die HR-Transformation zuständige Projektteam ist im Global Center of Excellence in Deutschland angesiedelt. Obgleich auch Personalleiter der Regionen und internationale Task Forces für verschiedene Prozessbereiche das Projekt unterstützen, besteht das Kernteam nur aus wenigen Mitarbeitern. Die Herausforderung liegt somit vor allem darin, das gesamte Projekt mit relativ geringen Kapazitäten international über größere Distanzen hinweg erfolgreich auf den Weg zu bringen. Hinzu kommt, dass das Projektteam zwar grobe globale Strukturen vorgibt, die einzelnen Regionen das letztliche Zielbild aber mit entwickeln sollen. „Unser Ansatz ist es, die Regionen und ihre Expertise in den Entwicklungsprozess mit einzubeziehen und bestimmte Vorgaben und Maßnahmen in Zusammenarbeit mit ihnen zu erarbeiten, damit die neuen Prozesse an die Bedürfnisse der Regionen angepasst sind. So wird es nach wie vor auch komplett lokale Prozesse wie beispielsweise die Gehaltsabrechnung geben, die nach bestimmten nationalen Bestimmungen durchzuführen ist“, erläutert Sommer. „Die Herausforderung bei der gemeinsamen Entwicklung ist, die Regionen dafür zu motivieren und für ihre Verantwortung zu sensibilisieren. Wir brauchen ihre Bereitschaft, gemeinsam etwas schaffen zu wollen, das ihnen nicht mundgerecht serviert wird.“
Um die Kommunikation sowie das Verständnis zu verbessern und neue Ansätze zu erarbeiten, hat das Projektteam im letzten Jahr Workshops und Videokonferenzen in und mit den entsprechenden Regionen durchgeführt. Zudem wurden Task Forces für die vier zu vereinheitlichenden Prozessbereiche gegründet, in die Fachpersonal aus den verschiedenen Regionen seine Expertise mit einbringt. Auch bei den internationalen HR-Führungskräftetagungen finden regelmäßig Workshops statt, um den Teilnehmern das Thema HR-Transformation näherzubringen. Die Personalleiter der Regionen sind für die Umsetzung des Drei-Säulen-Modells sowie für die Information ihrer Mitarbeiter in der jeweiligen Region verantwortlich.
Mehr Produktivität bei Einstellungen
Idealerweise ist nach dem neuen Drei-Säulen-Modell künftig jeder HR-Mitarbeiter einer der drei Säulen zugeordnet (siehe Abbildung 2). In kleinen Regionen, in denen es beispielsweise nur zwei HR-Mitarbeiter gibt, kann eine Person in der Praxis allerdings auch mehrere Rollen einnehmen. So vermeidet TÜV Süd es, zusätzliche und vor allem unnötige HR-Kapazitäten aufzubauen. Die durchschnittliche Betreuungsquote eines HR-Mitarbeiters soll durch die HR-Transformation bis 2020 von aktuell 1:86 auf 1:120 erhöht werden, was zu deutlichen Kosteneinsparungen führt. Auch das Recruiting wird dadurch effizienter. Das bedeutet, dass TÜV Süd künftig mit den gleichen HR-Kapazitäten mehr Personal einstellen kann. Erklärtes Ziel ist es, rund 20 Prozent Produktivitätssteigerung bei Einstellungen bis 2020 zu erreichen. Nach dieser Rechnung kann TÜV Süd in den nächsten fünf Jahren einen einstelligen Millionenbetrag bei den Rekrutierungskosten einsparen. Erste positive Effekte werden nach der Implementierung in den Fokusregionen ab 2016 erwartet.
Abbildung 2
Die Zielrichtung der HR-Transformation

Autorinnen
Corazon Gonzales, Director HR Organization, Innovation & Strategic Projects, HR Global Center of Excellence, TÜV SÜD AG, München,
corazon.gonzales@tuev-sued.de
Claudia Merk, Senior Specialist Learning & Development, HR Global Center of Excellence, TÜV SÜD AG, München,
claudia.merk@tuev-sued.de
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