Ausgabe 7 - 2015
Leichter als gedacht

Viele öffentliche Arbeitgeber tun sich noch schwer mit Karriereportalen auf der eigenen Webseite, oft aus Respekt vor den Kosten und dem Aufwand. Doch es gibt Ausnahmen – wie die Gemeindeprüfungsanstalt Nordrhein-Westfalen.
Laut Berechnungen des Deutschen Beamtenbunds scheidet in den nächsten zehn Jahren rund ein Viertel der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst aus, in den nächsten 20 Jahren sind es über 56 Prozent. Das führt zwangsläufig zu einem Mangel an Fachkräften unterschiedlichster Qualifikationen und Eignungen.
Verstaubtes Image aufpolieren
Entgegen der oftmals verbreiteten Annahme, im öffentlichen Dienst würden lediglich Verwaltungsmitarbeiter benötigt, sind es tatsächlich Fachkräfte mit unterschiedlichsten Profilen: Sekretärinnen, Ingenieure, IT-Spezialisten, Juristen, Ärzte, unterschiedlichste Handwerker und andere mehr. Und je höher der Grad der Spezialisierung, umso schwieriger ist es, das benötigte Personal zu finden. Deshalb müssen sich öffentliche Arbeitgeber – ob in Kommunen, auf Landes- oder Bundesebene oder in anderen öffentlichen Einrichtungen – aus denselben Fachkräftemärkten bedienen wie Unternehmen. Damit stehen sie beim Personalmarketing in direkter Konkurrenz zur freien Wirtschaft.
Um im Wettbewerb um Talente aufzuholen, müssen öffentliche Arbeitgeber zunächst ihr oft noch verstaubtes Image ablegen und sich als moderne Organisationen präsentieren. Dabei können sie durchaus einige Vorteile nutzen, mit denen sie gegenüber Wettbewerbern aus der freien Wirtschaft punkten können. So wurden Fach- und Führungskräfte in einer Untersuchung der Stellenbörse Stepstone gefragt, ob sie die Privatwirtschaft oder den öffentlichen Dienst als Arbeitsplatz und Arbeitgeber bevorzugen würden. Acht von zehn der Befragten zogen den öffentlichen Dienst vor. Ihre Motive: die Sicherheit und Verlässlichkeit der Jobs sowie eine gute Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie. In wirtschaftlich unsicheren Zeiten sind das gewichtige Vorteile, die die öffentlichen Arbeitgeber offensiv kommunizieren können – und sollten.
Karriere-Website? Fehlanzeige
Professor Christoph Beck von der Hochschule Koblenz, der jüngst eine Studie zu Karriere-Websites in öffentlichen Verwaltungen veröffentlichte, fand heraus, dass Arbeitgeber aus dem öffentlichen Dienst bei den Zielgruppen quasi nicht präsent sind, weder in den Offline-Kanälen und noch weniger über Online-Kanäle. Beck und sein Expertenteam wollten wissen, wie es wirklich um die Darstellung von Behörden und anderen öffentlichen Einrichtungen als interessante Arbeitgeber auf deren eigenen Karrierewebseiten aussieht. Dazu prüften sie insgesamt 463 Institutionen des öffentlichen Dienstes aller Größen: kleinere Gemeinden, größere Städte, Landkreise und Körperschaften. Nur neun Prozent der analysierten Karrierewebseiten erreichten mehr als die Hälfte der zu vergebenden Punktzahl. Besonders schlecht schnitt dabei die Kategorie „Kommunikation und Interaktivität“ ab, bei der es unter anderem darum geht, wie sich Bewerber über eine Karrierewebseite beim potenziellen Arbeitgeber bewerben können.
Eines der wichtigsten Ergebnisse der Studie: Von einer einzigen Ausnahme abgesehen, war auf keiner der Homepages der Institutionen ein „Karriere-“ oder „Job-Button“ zu finden. Eine direkte Bewerbung über die Webseite ist also häufig unmöglich. Überhaupt, so das Fazit von Beck, erfordere es vom Bewerber in der Regel viel Geduld und ein teilweise hohes Maß an Recherchegeschick, sich überhaupt über den Arbeitgeber und mögliche Stellenangebote zu informieren.
Mit gutem Beispiel vorangehen
Dass es auch anders geht, beweist die Gemeindeprüfungsanstalt Nordrhein-Westfalen (GPA NRW), eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die Mitte September 2014 ihre neue Karrierewebseite in Betrieb nahm. Dort hatte man sich nach einigen Produktevaluierungen im Januar für die Bewerberportal-Lösung des Brandenburgischen Anbieters GfOP entschieden, der auf Personalsoftware für öffentliche Verwaltungen spezialisiert ist. Grund für die Implementierung einer Karriereseite auf der GPA-Homepage war laut Christian Stadler, dem Projektleiter für die Einführung von Personalmanagementsystemen bei der GPA NRW, der Wunsch, sich die Rekrutierungsmöglichkeiten über das Internet stärker als bisher zunutze zu machen.
Innerhalb kurzer Zeit war die Lösung technisch implementiert. Danach wurde sie optisch an die bereits bestehende Webseite angepasst und die entsprechenden Firmen- und Bewerberinformationen (Infos zum Arbeitgeber Stellenausschreibungen, Ansprechpartner, et cetera) wurden eingepflegt. Gestalterisch, das war die Vorgabe, musste das Online-Portal wie aus einem Guss in die bestehende Webseite integriert werden. Bevor das Karriereportal freigeschaltet wurde, führte man umfassende Belastungstests durch, um zu prüfen, ob und wie die Seite auch einem größeren Ansturm von Bewerbern standhalten würde. So konnte man das Portal weiter optimieren, bevor es online ging.
Einfach online bewerben
Heute werden die Daten zu den Ausschreibungen online im Portal bereitgestellt. Interessierte finden auf der Webseite der GPA neben umfassenden Informationen zur GPA unter anderem auch einen Bereich für Stellenanzeigen. Sagt ihnen ein offenes Stellenangebot zu, können sie sich über einen Bewerber-Button im System anmelden und dann über unterschiedliche Masken Informationen zu ihrer Ausbildung, zu früheren Arbeitgebern und Berufserfahrungen eingeben sowie das Bewerbungsschreiben und andere Dokumente hochladen.
Abbildung 1
Dokument-Upload für Bewerber

Bewerber können ihre Unterlagen bequem online bereitstellen.
Wer will, kann sich eine Übersicht der eigenen eingegebenen Daten per Mausklick ausdrucken. Die GPA stellt sicher, dass die vom Bewerber eingegebenen Daten verschlüsselt und sicher auf deren Server zwischengelagert werden, bevor der automatisierte Transfer ins Bewerbermanagementsystem erfolgt. Nach Eingang der vollständigen Bewerbung lässt sich von der GPA NRW per Mausklick ein Bewerberbogen ausdrucken, der intern an die Personalentscheider weitergeleitet werden kann. Sowohl die Einladung für das Bewerbungsgespräch als auch eine eventuelle Absage werden individualisiert generiert. Kommt es zur Einstellung, werden die eingegebenen Daten in den Personalstamm des Personalmanagementsystems überführt.
Abbildung 2
Online-Publikation von Ausschreibungen

Ach für die GPA selbst geht die Veröffentlichung von aktuellen Ausschreibungen schnell und problemlos vonstatten. Hier eine Beispielanzeige.
Geringer Aufwand, großer Erfolg
Christian Stadler ist mit dem neuen Karriereportal sehr zufrieden. Schon beim ersten Komplettverfahren im Herbst 2014 gingen etwa 100 Bewerbungen über das Portal ein – nur eine einzige Bewerbung kam auf dem Postwege. Die entsprechenden Einstellungen sind zügig erfolgt. „Das Verfahren wurde bestens von den Bewerbern angenommen und bringt uns auch eine messbare Arbeitserleichterung“, betont Stadler. „Die Bewerber erhalten alle für sie interessanten Informationen und können sich professionell, sicher und ohne großen Aufwand direkt im Portal bewerben.“ Stadler ermutigt seine Kolleginnen und Kollegen in anderen öffentlichen Einrichtungen, über die Umsetzung eines Karreriereportals nachzudenken: „Der Aufwand für Kommunen zur Implementierung eines solchen Systems wird teilweise erheblich überschätzt.“
Autor
Ulli Pesch, freier Journalist, Heimstetten
- Nicht nur Kuschelecken
- Weitere Streiks drohen
- Mit Kickertisch und Kuschelecke
- „Wichtiger als Gestaltungskonzepte ist die Vertrauenskultur“
- Die Arbeit muss zum Leben passen
- Talent Management jenseits der Komfortzone
- Nah am Mitarbeiter, nah am Geschäft
- Quadratur des Kreises
- Die Balance zwischen global und lokal
- Wir ernten, was wir säen
- Führung mit viel Eigeninitiative
- Das Prinzip der minimalen Führung
- Persönlichkeitsentwicklung mit Herz und Verstand
- Zeit für Helden
- Drei Säulen für die HR-Organisation
- Wie angegossen
- Ein Ohr für Social Media haben
- Leichter als gedacht
- Erfolgsfaktor Benefit Management