Alles hat seinen Preis

Die Einrichtung von Direktversicherungen erfolgt häufig scheinbar kostenlos: Ausschreibung, Versorgungsordnung, Beratung und laufende Betreuung der Mitarbeiter werden meist ohne zusätzliche Kosten angeboten. Das klingt verlockend, beinhaltet aber auch Nachteile.
Bei der Entgeltumwandlung entscheiden sich viele Arbeitgeber für Direktversicherungen und überlassen die Umsetzung einem Versicherungsvermittler. Der wählt den Versicherer aus, lässt den Kollektivvertrag erstellen und kümmert sich um alle Formalitäten. Außerdem verspricht er, die Verträge langfristig zu betreuen. Seine Vergütung erhält der Vermittler als Provision vom Versicherer. Was den Wenigsten bewusst ist: Die Höhe der im Produkt einkalkulierten Provision kann der Vermittler dem Versicherer in Grenzen vorgeben. Da die Provision mit dem Verkaufserfolg steigt, besteht ein erheblicher Anreiz, sich vor allem auf verkaufsfördernde Aktivitäten zu konzentrieren. So ist es durchaus üblich, dass der Vermittler mehrmals Präsentationen an allen Standorten des Unternehmens abhält und jeden Mitarbeiter einzeln berät. Bei näherer Betrachtung handelt es sich allerdings meist nicht um bedarfsgerechte Beratungs-, sondern um Verkaufsgespräche.
Für die Inhalte der Verkaufsgespräche haftet der Arbeitgeber. Denn rechtlich betrachtet „kauft“ der Mitarbeiter keine Versicherung, sondern vereinbart eine Umwandlung von Entgelt in Altersversorgung. Das ist ein schuldrechtlicher Vertrag, aus dem der Arbeitgeber nicht die Beitragszahlung schuldet, sondern die Verschaffung einer Versorgung. Außerdem ist der Arbeitgeber auch schon bei der Anbahnung der Umwandlung verpflichtet, die Rechte und Interessen des einzelnen Mitarbeiters angemessen zu berücksichtigen. Überträgt der Arbeitgeber die Vertragsanbahnung einem bAV-Vermittler, so haftet er auch für eine unvollständige oder fehlerhafte Beratung durch den Vermittler. Denn nach § 278 BGB hat der Arbeitgeber ein Verschulden der Person zu vertreten, die er mit der Erfüllung seiner eigenen Beratungspflichten beauftragt. Das gilt auch, wenn der Erfüllungsgehilfe ein selbstständiger Vermittler ist. Trotzdem kümmern sich viele Arbeitgeber weder um den Inhalt der Beratung noch um die Umwandlungsvereinbarung, sondern verwenden ungeprüft die Musterformulare des Versicherers.
Kritischer Blick des Arbeitgebers fehlt
In der Praxis werden Vertragsmuster, Formulare und Verwaltungsprozesse des Versicherers selten analysiert, sondern vom Vermittler einfach an den Arbeitgeber zur Unterschrift weitergeleitet. Das kann auf Dauer zu deutlich höherem Verwaltungsaufwand beim Arbeitgeber führen. Garantiert der Versicherer beispielsweise zukünftige Beitragserhöhungen nicht in der ursprünglichen Police, so muss der Arbeitgeber im Laufe der Zeit pro Mitarbeiter mehrere Policen verwalten. Ermöglicht der Kollektivvertrag eine Verrechnung der Überschüsse mit den Beiträgen, so können unverfallbare Ansprüche ausscheidender Mitarbeiter nicht durch Mitgabe der Police abgegolten werden.
Mit ein wenig Verhandlungsgeschick ließen sich vor Vertragsabschluss auch zusätzliche Serviceleistungen des Versicherers aushandeln, wie eine unterschriftslose Anmeldung von Neuabschlüssen. Die Entgeltumwandlung muss dann nur ein einziges Mal in der Lohnabrechnung in die Hand genommen werden. Das spart kostbare Arbeitszeit beim Arbeitgeber, wird aber häufig übersehen.
Weil keine zusätzlichen Kosten anfallen, nimmt der Arbeitgeber auch Dienstleistungen in Anspruch, ohne deren Nutzen und verwaltungsmäßige Folgen für die Zukunft zu hinterfragen. Zum Beispiel: Müssen die Arbeitnehmer wirklich umfangreiche Wahlmöglichkeiten hinsichtlich Tarif, Versicherer oder Zusageart haben, die jeweils unterschiedlich zu verwalten sind? Ist eine automatische jährliche Beitragsdynamik wirklich sinnvoll, die jedes Jahr aufs Neue einen Verwaltungsvorgang beim Arbeitgeber auslöst? Aus Sicht des Vermittlers sind die genannten Beispiele durchweg positiv zu bewerten, da sie die provisionspflichtige Beitragssumme erhöhen.
Die Abschlussprovision wird nur einmal ausgegeben
Je mehr Dienstleistungen der Arbeitgeber zu Beginn „abruft“, umso weniger bleibt von der Abschlussprovision übrig, um daraus die langfristige Betreuung zu finanzieren. Während die Provision überwiegend bei Vertragsabschluss anfällt, erhöht sich der Betreuungsaufwand im Laufe der Zeit deutlich. Beispiele:
• Mitarbeiter gehen in Elternzeit, kommen zurück, verändern ihren Beschäftigungsgrad und wünschen eine entsprechende Anpassung ihrer Versorgung. Wenn sich zwischenzeitlich die Tarife des Versicherers geändert haben, muss kompetent verhandelt werden, ob und welche Veränderungen noch möglich sind.
• Mitarbeiter wünschen eine vorzeitige Auflösung ihrer Direktversicherung. Hier müssen die rechtlichen Konsequenzen sowie die Abwicklung mit dem Versicherer geklärt werden. So ist zum Beispiel die vorzeitige Kündigung im laufenden Arbeitsverhältnis arbeitsrechtlich zulässig, nach Ausscheiden aber nicht mehr. Für die steuerliche Behandlung ist der Versicherer verantwortlich, weil es sich um „sonstige Einkünfte“ handelt. Und die Verbeitragung in der Sozialversicherung muss der Arbeitgeber durchführen – inklusive Arbeitgeberanteil. Die meisten Arbeitgeber benötigen hierbei kompetente Hilfe.
• Neue Mitarbeiter bringen bestehende Direktversicherungen mit und erwarten, dass diese übernommen werden. Das beinhaltet aber erhebliche Risiken für den Arbeitgeber, über die der Betreuer des Vertrages aufklären sollte: An jeder Police hängt eine Zusage des Vorarbeitgebers, für die der neue Chef unter Umständen haften muss. Die mitgebrachte Police muss deshalb einer sorgfältigen Risikoprüfung unterzogen werden.
• Neue Gesetze oder Rechtsprechung führen immer wieder zu notwendigen Änderungen an der Versorgung, die der Arbeitgeber nicht allein umsetzen kann. So steht derzeit eine gesetzliche Neuregelung der Unverfallbarkeitsfristen und Abfindungsmöglichkeiten an.
Die genannten Betreuungsaufgaben werden vom Versicherer nicht vergütet und müssen somit aus den Abschlussprovisionen der Neuabschlüsse finanziert werden. Gibt es zu wenige Neuabschlüsse, ist der Vermittler gezwungen, seinen Dienstleistungsumfang deutlich zu reduzieren. Will der Arbeitgeber die Risiken einer provisionsbasierten Entlohnung des Vermittlers minimieren, so sollte er sich schon bei der Auswahl des Versicherungsproduktes nicht „blind“ auf den Vermittler verlassen. Er sollte Vertragsverhandlungen mit dem Versicherer einfordern und den Umfang der Beratungs- und Serviceleistungen schriftlich niederlegen. Außerdem empfiehlt sich eine rechtlich geprüfte individuelle Umwandlungsvereinbarung, in der auch die wichtigsten Nachteile für den Mitarbeiter aufgeführt sind. Wer diesen Aufwand nicht selbst betreiben möchte, kann einen spezialisierten bAV-Berater beauftragen, der direkt mit dem Arbeitgeber abrechnet und ausschließlich dessen Interessen vertritt. Das verursacht zwar Kosten, kann aber in der Zukunft erhebliche Einsparungen bringen und Ärger vermeiden. Im Gegenzug erhalten die Mitarbeiter provisionsfreie Tarife mit deutlich höheren Versicherungsleistungen.
Verwaltungsaufwand minimieren
Auf jeden Fall gilt aber auch bei der Direktversicherung „weniger ist mehr“. Je weniger Wahlrechte ein Mitarbeiter hat, je einfacher die wählbaren Produkte sind und je eindeutiger die Regelungen zur bAV in einer Versorgungsordnung formuliert werden, umso geringer ist auch der langfristige Verwaltungsaufwand des Arbeitgebers. Es lohnt sich deshalb fast immer, bei der Einrichtung ein wenig Zeit, Mühe und eventuell auch Honorar für einen kompetenten Berater zu investieren, der ausschließlich die Interessen des Arbeitgebers vertritt.
Autor
Andreas Buttler, Gesellschafter-Geschäftsführer, febs Consulting GmbH,
andreas.buttler@febs-consulting.de
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