Ausgabe 8 - 2011
Licht und Schatten
Die in diesem Jahr vorgelegten Geschäftsberichte der börsennotierten Unternehmen spiegeln erstmals die Umsetzung neuer Vergütungsrichtlinien wider. Das Ergebnis: viel Licht, aber auch reichlich Schatten.
Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat Aspekte der Vergütung von Fach- und Führungskräften stärker denn je in das Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Ungeachtet der Tatsache, dass die deutliche Mehrheit der börsennotierten Unternehmen in Deutschland eher Betroffene als Auslöser dieser Krise waren, wurden im August 2009 mit dem Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) und der Überarbeitung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) Anforderungen erlassen, die Höhe und Ausgestaltung, Festlegung sowie Transparenz der Vergütung von Vorstandsmitgliedern detailliert regeln. In den Geschäfts- beziehungsweise Vergütungsberichten für das Geschäftsjahr 2010 zeigen sich nun die Umsetzungserfolge.
Hinsichtlich des individuellen Ausweises von Vergütungen für den Vorstand oder die Geschäftsleitung kommen die Dax-Unternehmen den entsprechenden Anforderungen des Kapitalmarkts nahezu vollständig nach. Während von den 50 MDax-Unternehmen noch 13 Gesellschaften den individuellen Vergütungsausweis mit einem Aktionärsbeschluss vermeiden, ist es im Dax mit Heidelberg Cement gerade noch ein Unternehmen, das diese Sonderrolle beansprucht, für 2011 aber auch eine Abkehr von dieser Praxis angekündigt hat.
Sofern Systeme und Höhen der Vorstandsvergütung ausgewiesen werden, sind die Vergütungsberichte oft schwer verständlich. Auch sind die darin enthaltenen Angaben kaum vergleichbar. Daran hat auch die Überarbeitung des Deutschen Rechnungslegungsstandards Nr. 17 (DRS 17) wenig geändert, die durch die im Rahmen des VorstAG geänderten Vorschriften zum Ausweis von Leistungen bei Beendigung der Vorstandstätigkeit notwendig geworden war. Gerade der durch das VorstAG angeregte Umbau der variablen Vergütungssysteme hin zu mehr Langfristigkeit und Nachhaltigkeit wird im Vergütungsausweis vollständig konterkariert. So werden aktienbasierte und nichtaktienbasierte Vergütungen, die wirtschaftlich genau gleich sind, weiterhin unterschiedlich ausgewiesen. Selbst für Experten wird es immer schwieriger, die Vergütungsberichte nachzuvollziehen, auch wenn die Dax-Unternehmen freiwillig viele Zusatzinformationen bereitgestellt haben.
Nachhaltigkeit erkannt
Grundsätzlich werden die neuen Anforderungen an Langfrist- und Risikoorientierung sowie Nachhaltigkeit durch die Unternehmen bereits großflächig umgesetzt. So sind signifikante Umschichtungen in den Vergütungskomponenten zu verzeichnen. Insbesondere wurde der auf jährlichen Ergebnissen beruhende und auf Jahresbasis ausbezahlte Kurzfristbonus durch mehrjährige Vergütungskomponenten ersetzt und ergänzt.
Betrug 2008 die auf Nachhaltigkeit abzielende Langfristvergütung eines Vorstandsvorsitzenden in den führenden börsennotierten Unternehmen etwa ein Drittel, so liegt dieser Anteil 2010 bereits bei fast der Hälfte (45 Prozent) für Dax- und MDax-Unternehmen gleichermaßen. Obwohl für das jeweils zurückliegende Geschäftsjahr ausgewiesen, steht dieser nachhaltige Teil der variablen Vergütung für die folgenden bis zu vier Jahre im Risiko und kann erst realisiert werden, wenn sich der Erfolg als nachhaltig herausstellt. Ein Weg der Umsetzung von Nachhaltigkeit in der Vergütung ist die Verschiebung von Auszahlungen aus der Kurzfristvergütung samt gleichzeitigem Einbau eines Performance-Vorbehalts. Inzwischen werden derartige Bonus-Malus-Systeme von fast der Hälfte der Dax- und 30 Prozent der MDax-Firmen angewandt. Von diesen Unternehmen greifen wiederum drei Viertel zur Erhöhung der Nachhaltigkeit auf Aktien beziehungsweise die Aktienkursentwicklung zurück. Immer mehr Unternehmen setzen zudem auf Aktienhaltevorschriften für ihre Vorstände, die aus ihrem Privatvermögen in signifikantem Umfang Anteile des Unternehmens erwerben und langfristig halten müssen. So haften Vorstände für ihre unternehmerischen Entscheidungen auch mit ihrem Vermögen.
Darüber hinaus setzt sich zur Erhöhung der Nachhaltigkeit in den Vergütungssystemen eine stärkere Stakeholder-Orientierung durch. So arbeiten knapp ein Drittel der Dax-Unternehmen in ihren variablen Vergütungssystemen mit nichtfinanziellen Zielen, mehrheitlich der Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit gefolgt von Umwelt- und Compliance-Vorgaben. In den MDax-Unternehmen, die für 2010 den individuellen Vergütungsausweis vornehmen, haben aktuell neun Gesellschaften die regulatorischen Neuregelungen für ihre Vorstandsvorsitzenden mit Verweis auf den Bestandsschutz von Altverträgen noch nicht umgesetzt, von den 29 Dax-Unternehmen mit individuellem Vergütungsausweis waren es drei Gesellschaften. Sie verfügen damit noch nicht über die gesetzlich geforderte grundsätzliche Mehrjährigkeit in der variablen Vergütung.
Vergütungshöhen 2010
Die durchschnittliche Direktvergütung –als Summe aus Festvergütung, Kurzfristbonus und mehrjähriger variabler Vergütung – eines Vorstandsvorsitzenden im Dax beläuft sich für 2010 auf rund 4,6 Millionen Euro. Im MDax liegt der Vergleichswert bei 1,99 Millionen Euro. Damit ist in beiden Indices das Vergütungsniveau vor der Finanz- und Wirtschaftskrise wieder erreicht. Im Unterschied zu früheren Jahren ist jedoch ein Großteil der variablen Bezüge den mehrjährigen variablen Vergütungen zuzuschreiben, die in Dax wie MDax jeweils 45 Prozent der gesamten variablen Vergütung ausmachen. Die Vergütungsstruktur weist insgesamt einen ausgewogenen Mix aus festen, kurzfristigen und langfristigen Elementen von jeweils rund einem Drittel aus.
Die Gruppe der Spitzenverdiener bei den Dax-Vorstandsvorsitzenden wird angeführt von Volkswagen (9,33 Millionen Euro Direktvergütung) gefolgt von Siemens (8,91 Millionen Euro), etwa gleichauf mit Deutsche Bank (8,84 Millionen Euro) und Daimler (8,69 Millionen Euro). Die höchsten Direktvergütungen im MDax-Kreis erhalten die Vorstandsvorsitzenden von Hochtief (4,3 Millionen Euro), Lanxess (3,9 Millionen Euro) und EADS (3,5 Millionen Euro).
Die geringsten Bezüge für Vorstandsvorsitzende weisen Commerzbank sowie Aareal Bank aus. Beide Institute nehmen staatliche Hilfen in Anspruch und müssen somit laut Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung die Vergütungen bei 500 000 Euro begrenzen.
Eine Gegenüberstellung der Bezüge von Vorstandsvorsitzenden, die sowohl 2009 und 2010 im Amt waren, zeigt, dass die Vergütungen im zurückliegenden Geschäftsjahr im Gleichklang mit den Geschäftsergebnissen gestiegen sind. Während im MDax die durchschnittliche Direktvergütung einen Sprung von 28 Prozent auf 1,97 Millionen Euro gemacht hat, ist das Ergebnis pro Aktie über den gesamten Index hinweg um durchschnittlich mehr als das Sechseinhalbfache (655 Prozent) gestiegen. Für die Unternehmen im Dax ergibt sich ein vergleichbares Bild mit einem durchschnittlichen Vergütungsanstieg in Höhe von 21 Prozent und einem um 124 Prozent gestiegenen Ergebnis pro Aktie.
Was noch zu tun ist
Die Vergütung erweist sich auf Basis der Geschäftsberichte als nachhaltiger und erfolgsorientierter ausgestaltet als je zuvor. Im Durchschnitt steht knapp die Hälfte der variablen Bezüge der Top-Manager für bis zu vier Jahre im Risiko und kann im Extremfall ganz entfallen. Dies ist eine neue Qualität, die aber auch ihre Kehrseite hat: Denn im Zuge der aufgeschobenen Vergütung werden zukünftig auch in schlechten Jahren ausstehende Beträge aus vergangenen guten Jahren ausgezahlt. Der unmittelbare Zusammenhang von Pay und Performance geht verloren. Bonuszahlungen werden sich, über einen längeren Zeitraum betrachtet, auf einem Durchschnittsniveau einpendeln. In Bezug auf die Vergleichbarkeit der Vergütung – insbesondere der langfristigen variablen Bestandteile – bleibt allerdings noch einiges zu tun. Viele Unternehmen haben versucht, die absehbaren Defizite im Vergütungsausweis mit Zusatzangaben abzufangen. Mängel in der Vergleichbarkeit lassen sich jedoch nicht allein durch ein Mehr an Informationen beheben. Über eine Änderung des Deutschen Corporate Governance Kodex könnten beispielsweise notwendige Veränderungen angestoßen und durchgesetzt werden. Zwei grundlegende Tabellen – eine mit den für ein Geschäftsjahr gewährten Vergütungen und eine mit den in einem Geschäftsjahr tatsächlich ausbezahlten Vergütungen – würden bereits viel Transparenz und Vergleichbarkeit schaffen, ohne die Komplexität des Vergütungsausweises weiter zu erhöhen. Denn eines sollte nicht aus den Augen verloren werden: Anreizsysteme funktionieren, wenn das Vergütungssystem auch verstanden wird. Weniger ist da manchmal mehr.
HKP-Analysen: Geschäftsberichtsauswertung Vorstandsvergütung DAX 2010, Geschäftsberichtsauswertung Vorstandsvergütung MDAX 2010, Frankfurt 2011
Autoren
Michael H. Kramarsch, Managing Partner, Hostettler, Kramarsch & Partner (hkp), Frankfurt am Main,
michael.kramarsch@hkp.com
Regine Siepmann, Senior Consultant, Hostettler, Kramarsch & Partner,
regine.siepmann@hkp.com
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