Ausgabe 8 - 2011
Hier geht's rund

Ein Arbeitsplatz mit Nervenkitzel? Wer im Europa-Park arbeitet, kann ihn täglich an den Fahrgeschäften erleben. Auch das Personalwesen ist dort geprägt von den Besonderheiten eines dynamischen Saisongeschäfts. Doch Personalchef Armin Schmidt meistert die Turbulenzen.
Erst ist es nur ein leises Rumpeln, aber schon Sekunden später entwickelt sich das Geräusch zu einem lauten Grollen. Schreie sind zu hören. Dann rollt das Grollen mit Getöse vorbei und das angsterfüllte Kreischen auch. Es wird wieder leiser, bis der Lärm ganz verebbt. So hört es sich an, wenn man sein Büro im Europa-Park Rust quasi direkt unterhalb der spektakulären „Euro-Mir“ hat. Gemächlich schraubt sich der Zug in einem dunklen Spiegelturm nach oben auf 28 Meter Höhe, dann fahren die kreiselnden Gondeln nach draußen und erlauben noch einen kurzen Blick in die weite Ebene. Doch wenige Sekunden später rauscht der Zug im Sturzflug mit Tempo 80 wieder ins Dunkel und kehrt kurz danach in den Startblock zurück. Personalleiter Armin Schmidt hat sich fast schon an die minütlich wiederkehrende Geräuschkulisse gewöhnt. Doch manchmal muss er das Fenster einfach zumachen, wenn viel los ist und er sich konzentrieren muss.
Jeder Tag ist anders
Und das ist eigentlich immer so, denn in dem Freizeitpark sind personalwirtschaftliche Einzelfälle und Spontanaufträge an der Tagesordnung. Immerhin wollen in der Zeit von März bis November rund 2400 Saisonkräfte abgerechnet, betreut und fortgebildet werden. Hinzu kommen die 700 ganzjährig tätigen Festangestellten. „Wir haben hier eine extreme Breite von Beschäftigungsverhältnissen: Schüler und Studenten als laufende Aushilfskräfte, Minijobber, Auszubildende, Grenzgänger und von fern angereiste Saisonkräfte wie Artisten, Tänzer und Sänger“, erklärt Schmidt. Kein Wunder, wenn die zehnköpfige Lohnbuchhaltung jeden Tag eine Sprechzeit von vier Stunden anbietet –auch am Wochenende und an Feiertagen. Schmidt selber ist unter anderem für die Abrechnung der 50 leitenden Mitarbeiter des Parks zuständig, also die Geschäftsführung, die Direktoren und andere Bereichsleiter. Da arbeitet er genau wie die Kolleginnen mit der Lohn- und Gehaltssoftware. Angst vor solcher Administrationsarbeit? Aber nein.
Ein Vorteil bei der großen Vielfalt ist, dass die meisten Saisonkräfte wiederkommen – sogenannte Wiederholer. „Gut 80 Prozent sind mehrere Saisons bei uns, manche kommen sogar schon seit 30 Jahren hierher zum Arbeiten“, sagt Schmidt nicht ohne Stolz. Dies zeigt ihm, dass die Motivation und das Arbeitsumfeld stimmen, trotz des Stresses während der starken Monate im Sommer. Und: Weil die meisten Wiederholer im Folgejahr wieder im gleichen Bereich arbeiten wollen und können, braucht es weniger Zeit für die Einarbeitung. So kann die Qualität der Services, egal ob Housekeeping, Kellnern oder Fahrgeschäftbetreuung, gehalten und auch verbessert werden, wenn die Mitarbeiter sich auskennen.
Wenn der Vorgesetzte übergangen wird
Der erste, spontane Termin am Morgen ist für den Personalleiter das Gespräch mit einem angestellten Handwerker. Er hat nach seiner Ausbildung im Park eine befristete Stelle angeboten bekommen. Bevor seine Befristung auslief, wollte er über seinen Vorgesetzten hinweg eine unbefristete Weiterbeschäftigung durchsetzen. Diese Eigeninitiative kam nicht besonders gut an, abgesehen davon gab es schlicht keine weitere Planstelle in dem entsprechenden Bereich. Schmidt erklärt dem Mitarbeiter, warum sich der Vorgesetzte für eine Freistellung entschieden hat und wie die Freistellungsphase samt nötiger Meldungen beim Arbeitsamt funktioniert.
Trennungen von Mitarbeitern werden im Europa-Park ansonsten vor allem über das Mittel der Probezeit geregelt. Das Gefühl dafür, ob man bei der Einstellung eine richtige Entscheidung getroffen hat oder nicht, sollte in den ersten sechs Monaten entwickelt werden. Und dann auch die Konsequenz einer Trennung folgen, falls nötig. „In den 36 Jahren, seit es den Park gibt, hat es noch keine betriebsbedingte Kündigung gegeben. Die Zeichen stehen seit Jahren auf Wachstum, also steigt auch laufend die Zahl der Mitarbeiter“, sagt Schmidt.
Um die Rekrutierung im Festangestelltenbereich zu unterstützen, arbeitet der Personalchef regelmäßig auch mit Zeitarbeitsfirmen zusammen. Heute stellt sich Christoph Häuser, Niederlassungsleiter Finance von der DIS AG in Freiburg, bei ihm vor.
Recruiting mit Unterstützung
Derzeit gibt es im Finanzbereich allerdings noch keine spruchreifen Besetzungsvorhaben, zwei Positionen wurden gerade erst nachbesetzt. Zwar habe eine Buchhalterin gekündigt, aber hier muss Schmidt sich selbst noch beim zuständigen Vorgesetzten erkundigen, ob, wann und wer hier nachfolgen soll. Abgesehen davon kann der Personalleiter auf einen gut gefüllten Pool an Kandidaten zurückgreifen. „Wir bekommen jedes Jahr 3000 Initiativbewerbungen, ganz besonders im Bereich Marketing“, berichtet er Häuser.
Doch wenn dieser Pool nichts hergibt und eine Stelle noch dazu schnell wieder zu füllen ist, greift der Personaler auf die externen Dienstleister zurück. Sofern ein Zeitarbeitnehmer ins Unternehmen kommt, ist er besonders in den Fachbereichen wie Finanzwesen daran interessiert, die Mitarbeiter fest zu übernehmen. „Bei den Fachkräften merken wir und andere Firmen der Region, dass der Arbeitsmarkt momentan wie leergefegt ist. Das wissen die Bewerber und sie legen jetzt schon mal gerne bei den Gehaltsforderungen etwas oben drauf.“ Doch die Frage der Vergütung ist für ihn eher nachrangig, vielmehr ist Schmidt wichtig, dass die Kandidaten in das jeweilige Team passen und sich mit einem Betrieb mit einer sehr präsenten Unternehmerfamilie identifizieren können. Auch er musste erst lernen, dass die Wege nicht nur sehr kurz sind, sondern dass auch manche Entscheidung nicht von der jeweiligen Fachabteilung, sondern von ganz oben getroffen wird.
Jeder ist ein Unternehmer
In den sieben Jahren, die der Personalleiter im Europa-Park tätig ist, kennt er diese Besonderheiten inzwischen sehr gut. Er versteht, warum es den Geschäftsführern Roland und Jürgen Mack wichtig ist, dass er ständig erreichbar sein soll, auch an Wochenenden und im Urlaub. Denn die Chefs leben Unternehmertum und Engagement pur vor. „Sie haben den Park aufgebaut und kennen ihn in- und auswendig. Selbst eine kaputte Glühbirne in einer Lichterkette entgeht den wachsamen Augen unseres Chefs nicht und wird umgehend ersetzt.“ Dieser ausgeprägte Service-Gedanke gegenüber dem Besucher wird von allen Mitarbeitern verlangt.

Ob Steuerrecht oder Vertragsbesonderheiten: Für spontane Fragen ist der Personalchef auch telefonisch allzeit erreichbar.

Die AOK Oberrhein stellt Schmidt und Kollegen aus den Firmenbereichen den Gesundheitsbericht 2010 für den Europa-Park vor.
An diese besonderen Führungsstrukturen konnte sich auch Schmidt im Personalbereich nur langsam gewöhnen. Er war zuvor 17 Jahre in einem mittelständischen Betrieb, der Müllverbrennungsanlagen baute. Schmidt absolvierte hier ein duales BWL-Studium per Berufsakademie. Während des Studiums hat er Lohnabrechnung gemacht, schon damals hat ihn das Personalwesen gereizt. Nach dem Studium arbeitete er aber zunächst fünf Jahre im Bereich Lohn und Gehalt weiter, bevor er Personalleiter wurde.
Als Fehlentscheidungen des Managements den Betrieb jedoch in Schwierigkeiten brachte, mussten die Gläubiger handeln. Ein Teil des Rettungspakets für das Unternehmen sah einen Personalabbau vor: Von den damals 300 Mitarbeitern sollte Schmidt 120 entlassen. „Das war die schwerste Aufgabe überhaupt, wenn man doch eigentlich eine gute Personalarbeit geleistet hatte und die Mitarbeiter auch die Leistung brachten, die gefordert war“, erinnert sich Schmidt.
Was er zunächst als bedrückend empfand, erwies sich in der Entlassungswelle als Glück im Unglück: Er wusste über die familiären und persönlichen Verhältnisse der Leute Bescheid. Entsprechend individuell konnte er ihnen Angebote machen, sodass sich niemand betrogen oder unfair behandelt fühlte. Der Personalabbau gelang so sanft wie möglich und das Unternehmen konnte gerettet werden.
Kein Chef, sondern Helfer
Als dann die Position des Personalleiters beim Europa-Park ausgeschrieben wurde, hat Schmidt sich für den Wechsel in ein Dienstleistungsunternehmen entschieden. Die Unternehmerfamilie Mack ist nicht nur durch den Freizeitpark in der Region Freiburg bekannt, sondern schon viel länger durch die Firma Mack Rides in Waldkirch, die über 230 Jahre alt ist und seit 1920 Fahrgeschäfte entwickelt und konstruiert.
Doch die Anfangszeit war schwer für Schmidt. Die vielen verschiedenen Beschäftigungsverhältnisse und Lohnarten waren sehr komplex, aber er fuchste sich rein und zeigte seinen Mitarbeitern, dass er ihnen Unterstützung bei der Personalarbeit anbietet. Sein eigener Bereich ist relativ klein, zwei Referentinnen und die zehnköpfige Lohnbuchhaltung gehören in seinen Verantwortungsbereich. Die Personalentwicklung und die Personaldisponenten in den Firmenbereichen Freizeitpark und Hotel Resort sind eigenen Bereichen zugeteilt. Schmidt arbeitet hier bei Sonderfragen oder Vertragsverhandlungen aber eng mit ihnen zusammen.
Aktuell beschäftigt er sich beispielsweise mit der Rekrutierung für ein neues Hotel, das im Sommer 2012 eröffnet wird. „Wir müssen nicht nur den Personalbedarf planen und Mitarbeiter suchen, sondern auch dafür sorgen, dass das Personal untergebracht wird. Gerade die Saisonkräfte, die aus über 30 Nationen kommen, benötigen ja eine Unterbringung.“ Also ist Schmidt auf der Suche nach Apartments und Wohnungen. Im Zuge des Hotelneubaus werden rund 260 neue Arbeitsplätze geschaffen und dementsprechend Wohnraum benötigt.
Krankheiten auf den Grund gehen
Eine große Besprechung am Nachmittag zeigt dem Personalleiter weitere Baustellen auf. Die AOK Oberrhein stellt den Gesundheitsbericht 2010 für den Europa-Park vor. Für die Geschäftsbereiche werden detailliert die Krankenstände und die Gründe für die Arbeitsunfähigkeitsfälle dargelegt.
Bei der Europa-Park GmbH & Co. KG zählen nicht nur die Verwaltungsangestellten, sondern auch die Saisonkräfte in der Gastronomie und die Darsteller zum Personal. Die Zahl der Arbeitsunfälle lag im vorigen Jahr bei branchenüblichen acht Prozent, 2007 waren es noch zehn Prozent. Die meisten Arbeitsunfälle finden im Servicebereich statt. Hier handelte es sich hauptsächlich um Schnittverletzungen.
Im Bereich Hotel Resort lag der Krankenstand 2010 bei 3,1 Prozent. Die Direktorin Michaela Doll-Lämmer prognostiziert für das laufende Jahr allerdings höhere Werte. Weil der Winter sich sehr lang hinzog und der Park erst im April statt wie sonst im März öffnete, war der Besucheransturm gleich zu Anfang besonders hoch. Aus den daraus resultierenden verlängerten Öffnungszeiten arbeiteten die Saisonkräfte von Anfang an auf Hochtouren. „Die Wiederholer wissen aus den Vorjahren, was das bedeutet, aber die neuen Mitarbeiter müssen dieses Tempo erst kennenlernen.“
Der dritte Bereich Shopping ist verantwortlich für die zahlreichen Shops und Süßwarengeschäfte im Europa-Park. Hier quält ein anderes Problem. Wenn in einer Filiale, die mit einem Mitarbeiter besetzt ist, genau diese eine Person krankheitsbedingt ausfällt, dann wird es immer schwieriger, eine Aushilfe auf Abruf einzusetzen. Denn hatte man vor einigen Jahren noch einen großen Pool an elsässischen Schülern und Studenten, die spontan einspringen konnten, wird dieser Pool heute immer kleiner. Ein Sprachproblem, denn die Jugendlichen im Elsass belegen in der Schule nicht mehr Deutsch als Fremdsprache. Hinzu kommt, dass für alle Geschäfte während der Sommermonate eine Urlaubssperre gilt. „Das Thema kommt in immer mehr Vorstellungsgesprächen auf. Arbeitsfreie Tage ja, aber kein Urlaub in drei Monaten? Das schreckt viele Saisonkräfte ab“, berichtet Direktor Ralf Stumpf.
Wenig Zeit für Strategisches
Ein personalpolitisches Problem, dem sich auch Armin Schmidt stellen muss. Er wird bei der Geschäftsführung dafür werben müssen, dass die Arbeitszeitgestaltung in den besucherintensiven Monaten aufgelockert wird. Waren Employer Branding und Arbeitgeberattraktivität bislang noch kein großes Thema – jetzt wird er es auf die Agenda der Chefs bringen. Schmidt hat viele personalwirtschaftliche Ideen in der Schublade – allein es reicht nicht die Zeit, sie in die Tat umzusetzen, weil das Alltagsgeschäft einfach Vorrang hat.
Auf zwei Errungenschaften ist er aber doch besonders stolz: Die Einführung des Monatslohns in den Werkstätten und ein neues elektronisches Zeiterfassungssystem für alle Mitarbeiter – von der Schüler-Aushilfe bis zum leitenden Angestellten. „Früher wurden die Werkstatt-Mitarbeiter mit Stundenlohn abgerechnet, heute bekommen sie einen Monatslohn. Alle am gleichen Tag und mit einem regelmäßigen Einkommen. Die Überstunden werden nicht mehr wie früher automatisch ausbezahlt, sondern in Zeitkonten geführt“, sagt er.
Der zweite Meilenstein, die Einführung der neuen Zeiterfassung, ermöglicht Schmidt nicht nur ein regelmäßiges Reporting für die Geschäftsleitung. Dank einer ausgeklügelten Software lassen sich die Besucherzahlen minutengenau ermitteln und mit den gleichzeitig per Zeitterminal erfassten Mitarbeitern in Relation setzen. Die Personalkosten sind so zu jedem Zeitpunkt sichtbar.
„Ab August machen wir quartalsweise einen Personalreport für die Geschäftsführung. Darin wollen wir nicht nur Zahlen liefern, sondern auch unsere Arbeit als Personalbereich darstellen. So wird hoffentlich das Bewusstsein für strategisches, langfristiges Denken in HR geschärft“, hofft Schmidt. Dann würde sein Bürostandort unterhalb der „Euro-Mir“ auch richtig gut passen. Denn von ihr aus kann man am höchsten Punkt ganz ganz weit hinaus blicken.
Autorin
Nancy Hömberg
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