Ausgabe 8 - 2014
Raus aus der Deckung
Viele Studien zeigen, dass nahezu 90 Prozent der Jobsuchenden Karriere-Websites als wichtigste Informationsquelle einstufen, um hier nach offenen Stellen zu suchen, sich zu bewerben oder über den Arbeitgeber zu informieren. Grund genug, sich die Websites des öffentlichen Dienstes einmal genauer anzuschauen.
Der öffentliche Dienst ist mit circa 4,5 Millionen Beschäftigten bundesweit der größte Arbeitgeber. Waren die vergangenen Jahre im Wesentlichen durch Personalabbau und strukturelle Veränderungen geprägt, teilweise verbunden mit Einstellungsstopps und der nicht ausreichenden Nachbesetzung von freien Stellen, so wird künftig auch der öffentliche Dienst nicht von dem demografischen Wandel verschont bleiben.
Das Durchschnittsalter aller Beschäftigten im öffentlichen Sektor liegt zurzeit bei rund 46 Jahren. Nur noch rund 21 Prozent der Beschäftigten sind jünger als 35 Jahre. Unter Berücksichtigung dieser Zahlen und der nahenden Pensionierungs- und Verrentungswelle, verbunden mit steigenden Anforderungen und Herausforderungen im und an den öffentlichen Dienst, braucht es nicht viel Phantasie, um zu prognostizieren, dass der quantitative und insbesondere der qualitative Personalbedarf im öffentlichen Dienst spätestens mittelfristig stark steigen wird. Um diesen Bedarf jedoch decken zu können, werden sich die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes dem Wettbewerb mit der Privatwirtschaft stellen müssen. Ob Auszubildende, Ärzte, Bauingenieure, Juristen oder ITler, jeder braucht und will sie. Handicap des öffentlichen Dienstes ist jedoch, dass sich zwar viele Institutionen des öffentlichen Dienstes komplett modernisiert haben, aber der „Image-Turnaround“ noch nicht vollzogen wurde. Zum anderen tritt der öffentliche Dienst als Arbeitgeber im Wesentlichen dann in den Fokus der Öffentlichkeit, wenn über Tarifverhandlungen und Arbeitskämpfe – am besten mittels streikender Müllmänner und dies medial aufbereitet – berichtet wird. Ferner kommt hinzu, dass der öffentliche Dienst als Arbeitgeber (mit wenigen Ausnahmen) bei den Zielgruppen auch nahezu nicht präsent ist, weder in den Offline- und noch weniger in den Online-Kanälen. Aber genau dies wird die Voraussetzung sein, um den anstehenden Personalbedarf überhaupt decken zu können.
463 Karriere-Websites des öffentlichen Dienstes
Nicht wenige Studien der vergangenen Jahre zeigen, dass rund 90 Prozent der Jobsuchenden die Karriere-Websites als wichtigste Informationsquelle einstufen, um hier nach offenen Stellen zu suchen, sich hierüber bewerben oder sich über den Arbeitgeber informieren. Grund genug, sich die Karriere-Websites des öffentlichen Dienstes einmal genauer anzuschauen und insbesondere deswegen, weil solche Studien für die Privatwirtschaft nahezu bereits seit zehn Jahren immer wieder vorgelegt werden. Ziel hierbei war neben der Status-quo-Erhebung, eine Transparenz über den Entwicklungsstand und den Professionalisierungsgrad der ausgewählten Karriere-Websites im öffentlichen Dienst zu schaffen sowie die gewonnen Erkenntnisse für mögliche Handlungsfelder zu nutzen.
Die Kooperationsstudie zwischen der Hochschule Koblenz und der Königsteiner Agentur wurde von November 2013 bis Januar 2014 durchgeführt. Auf der Basis einer Vorstudie und dem dann angepassten Studiendesign wurden insgesamt 463 Institutionen des öffentlichen Dienstes untersucht. Um in der Analysephase eine sinnvolle Vergleichbarkeit zu ermöglichen, wurden die Institutionen den vier Clustern Bund (oberste Bundesbehörden), Bundesländer (Verwaltungen auf Landesebene), Kommunen (Stadtverwaltungen von Großstädten ab 150 000 Einwohnern, Kreisverwaltungen und Verwaltungen der Landkreise) und mittelbare öffentliche Verwaltung (Anstalten, Körperschaften und Stiftungen des öffentlichen Rechts) zugeordnet.
Das Studiendesign besteht aus den fünf Untersuchungskategorien Zugang/ Navigation & Usability, Informationsangebote, Design & Informationsaufbereitung, Kommunikation & Interaktivität sowie Web 2.0-Anwendungen. Jede einzelne Kategorie wurde mittels Items so operationalisiert, dass in der Summe ein Kriterienkatalog mit achtunddreißig zu beurteilenden Items vorlag. Während die fünf Kategorien mit unterschiedlichen Gewichtungsfaktoren in das Gesamtergebnis einflossen, gewährleistete der Kriterienkatalog mit seinen definierten Merkmalsausprägungen je Item eine einheitliche Bewertungsstufung.
Um die Qualität der Ergebnisse zu verbessern und auch die Aussagekraft zu untermauern, wurde die Studie von zwei unabhängigen Studienteams durchgeführt, das heißt, jede Karrierewebsite wurde zweimal von unabhängigen Personen zu unterschiedlichen Zeiten analysiert. Alle Studienbeteiligten waren und sind sich sehr bewusst darüber, dass einzelne Items – trotz einheitlicher Operationalisierung – subjektiven Einschätzungen unterlagen beziehungsweise unterliegen und diese auch in die Ergebnisse einflossen, was zwar in Einzelfällen zu unterschiedlichen Bewertungen von einzelnen Institutionen führte, aber in der Summe an den Handlungsempfehlungen insgesamt nichts ändert.
Es gibt Licht und Schatten
Über die Summe aller untersuchten Kriterien zeigt sich in der Gesamtauswertung, dass lediglich neun Prozent der analysierten Karriere-Websites mehr als die Hälfte der möglichen Punktzahl von 100 Prozent erreichten. Die höchste Punktzahl erreichte die Deutsche Flugsicherung (DFS) mit einem Wert von 75 Prozent, gefolgt von den Stadtwerken München mit 70 Prozent und der Dekabank Deutsche Girozentrale (DGZ) mit 68 Prozent.
In der Kategorieauswertung „Zugang/Navigation & Usability“ wurden im Vergleich zu den anderen Kategorien relativ hohe Bewertungen erreicht. So erzielen 55 Prozent der untersuchten Karrierewebsites über die Hälfte aller möglichen Punkte in dieser Kategorie. Dies ist unter anderem jedoch auch dem Umstand geschuldet, dass der Name der Institution den Analysten bekannt war, was im Falle eines Jobsuchenden im Rahmen eines Google-Suchlaufes nicht immer der Fall sein dürfte. Die Karrierewebsite der Techniker Krankenkasse erreicht hier den höchsten Wert mit 92 Prozent, gefolgt von der Bundeswehr mit 89 Prozent.
Bei den „Informationsangeboten“ erreichen nur 17,5 Prozent der untersuchten Karriere-Websites mindestens die Hälfte der zu erreichenden Punkte. In dieser Kategorie konnten die Karriere-Websites der Stadtwerke München und der Dekabank Deutsche Girozentrale (DGZ) gemeinsam den höchsten Wert mit 96 Prozent erreichen. Beim „Design und der Informationsaufbereitung“ sind es nur neun Prozent der Karriere-Websites die mehr als die Hälfte der möglichen Punktzahl erhielten. Vorzeigeinstitution in dieser Kategorie ist das Auswärtige Amt mit 100 von 100 Prozentpunkten, gefolgt von der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) mit 92 Prozent.
In der Kategorieauswertung „Kommunikation & Interaktivität“ erreichten nur sieben Prozent der untersuchten Karriere-Websites mindestens die Hälfte aller möglichen Punkte, wobei die Karrierewebsite des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gemeinsam mit der Stadt Bochum den höchsten Wert mit 78 Prozent erzielte. Während die Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) in der Kategorie „Web 2.0“ den höchsten Wert mit 80 Prozent erreichte, erzielt der Großteil der untersuchten Karriere-Websites nicht einmal 40 Prozent der maximal möglichen Punktwerte.
Abbildung
Top-Ten im Cluster-Ranking

Vergleicht man die Ergebnisse der unterschiedlichen Cluster, zeigt sich, dass die Karriere-Websites der Bundesländer in der Kategorie Zugang/Navigation und Usability nur durchschnittlich 38 Prozent und damit die niedrigsten Werte erzielen. Bei den Informationsangeboten schnitten die Institutionen der „mittelbaren öffentlichen Verwaltung mit durchschnittlich 40 Prozent noch am besten ab. In der Untersuchungskategorie „Kommunikation und Interaktivität“ wird über alle vier Cluster hinweg gerade einmal der Durchschnittswert von 25 Prozent erreicht und auch das beste Ergebnis bei Web 2.0 liegt nur bei 20 Prozent. Ähnliche Werte werden bei Design und Informationsaufbereitung erzielt, wo die mittelbare öffentliche Verwaltung mit 28 Prozent noch am besten abschneidet.
Aufholbedarf gegenüber der Wirtschaft ist eindeutig
Betrachtet man die Analyseergebnisse, insbesondere im Vergleich zu den Karriere-Websites der Privatwirtschaft, so kann festgestellt werden, dass jenseits von Einzelergebnissen, ein klarer Aufholbedarf im Öffentlichen Dienst vorhanden ist. Dieser beginnt zum Beispiel damit, von einigen Ausnahmen abgesehen, dass sich auf den Homepages der Institutionen kein „Karriere-“ oder „Job-Button“ befindet und vom künftigen Bewerber viel Geduld und teilweise ein hohes Maß an Recherchegeschick gefordert wird, sich überhaupt über den Arbeitgeber und mögliche Stellenangebote zu informieren. Auch die zielgruppenspezifische Aufbereitung der Inhalte ist eher noch die Ausnahme als die Regel.
Was die Informationsaufbereitung selbst angeht, so „gewinnt“ entgegen dem Medientrend eindeutig die Textform gegenüber der Ausgewogenheit von Text-Bild-Verhältnissen oder gar der Verwendung von Bewegtbildern. Die Vorstellung als Arbeitgeber und die Publikation der sogenannten „Komm-Gründe“ werden in toto ebenfalls eher nur rudimentär umgesetzt, ebenso wie die Zugangsmöglichkeit über mobile Endgeräte. Ebenfalls ein größerer Aufholbedarf besteht bei der Kommunikation und Interaktivität und hier insbesondere hinsichtlich der Ansprechpartner, der Interaktionsmöglichkeiten für den Bewerber sowie bei den Bewerbungskanälen.
Während die Top-20-Institutionen des öffentlichen Dienstes in der vorgelegten Studie durchaus mit den Wirtschaftsunternehmen hinsichtlich dem Professionalisierungsgrad bei der Karrierewebsite mithalten können, ist der Handlungsbedarf für alle anderen Institutionen eher als hoch bis sehr hoch einzustufen. (Die Abbildung zeigt die Top Ten im Cluster-Ranking)
Attraktiv, aber vielleicht nicht sexy?
Als Arbeitgeber muss sich der öffentliche Dienst nicht unbedingt verstecken. Sind seine Benefits wie zum Beispiel sicherer Arbeitsplatz, flexible Arbeitszeiten, Beruf & Familie etc. doch grundsätzlich genau die „Pfunde“, die insbesondere die junge Generation, so zumindest nahezu alle Studien zum Thema Generation Y, mit denen man wuchern könnte. Auch in Anbetracht von mehr als 1000 Arbeitgebern mit vermutlich mehr als 500 unterschiedlichen Berufs- und Tätigkeitsbildern dürfte das Thema Vielfältigkeit ebenfalls kein Thema sein. Sehr wohl aber ein Thema dürfte sein, dass zum einen der öffentliche Dienst sich gegenseitig Konkurrenz macht, wie zum Beispiel zwischen den Bundesländern oder gar bei dem Umstand mit und ohne Ministerialzulage et cetera, und dass insbesondere kleinere Institutionen und Kommunalverwaltungen das „Paket“ Personalmarketing alleine vermutlich gar nicht stemmen können. In diesem Zusammenhang wären kooperative und Netzwerk-Bemühungen ebenso angesagt wie Maßnahmen der jeweiligen Interessenvertreter.
Aber auch die Ausbildung der Zuständigen und Verantwortlichen für das Personalmarketing muss sicherlich ebenso ein Thema sein und werden, wie das Thema insgesamt für die Verantwortlichen Dienststellenleiter (w/m), Oberbürgermeister (w/m), Staatssekretäre (w/m) et cetera. Erst wenn die Einsicht zum Handeln auf Führungsebene angelangt ist, die erforderlichen Ressourcen und Rahmenbedingungen geschaffen wurden, kann das Projekt „Zukunft des öffentlichen Dienstes“ richtig beginnen. Denn am Ende bleibt, dass auch eine noch so moderne und zukunftsorientierte Verwaltung sich nicht ohne (gutes) Personal den Herausforderungen stellen können wird.
Autoren
Professor Dr. Christoph Beck, Professor für Human Resource Management im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule in Koblenz,
beck@hs-koblenz.de
Martina Gronemeyer, Geschäftsleitung Vertrieb, Königsteiner Agentur, Berlin,
m.gronemeyer@koenigsteiner.com
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