Ausgabe 8 - 2014
Endstation Karriereseite
Obwohl die Nutzung von Smartphones und Tablets in der Bevölkerung angekommen ist, sind vier von fünf Karriereseiten immer noch nicht mobiloptimiert und verursachen Unternehmen durch verschreckte Bewerber tausende Euro Schaden im Jahr, so die aktuelle Studie „Mobile Recruiting 2014“. Anknüpfend daran liefert unser Beitrag gute Argumente für eine Mobiloptimierung, die auch eine direkte Bewerbung ermöglicht.
In Deutschland nutzen 30 Millionen Menschen das Internet über mobile Endgeräte, um sich zu informieren, auszutauschen und ihr Leben zu organisieren. Jeder dritte Smartphone-Besitzer kauft mobil ein und ein Viertel aller mobilen Google-Nutzer suchte vergangenes Jahr nach neuen beruflichen Herausforderungen. Das entspricht einem Anstieg von rund 60 Prozent in nur einem Jahr.
Als Folge dieser Entwicklung liegt der Anteil mobiler Besucher auf Karriereseiten über nahezu alle Branchen hinweg im Bereich zwischen 15 und 25 Prozent. Jobbörsen, IT- und E-Commerce-Unternehmen verzeichnen in der Regel sogar bereits ein Drittel ihrer Bewerberzugriffe von mobilen Endgeräten.
Mobile Recruiting findet auch zu Hause statt
Wer sich jetzt fragt, wie das sein kann, muss sich vergegenwärtigen, dass Mobile Recruiting nicht nur in öffentlichen Verkehrsmitteln stattfindet, wenn frustrierte Arbeitnehmer am Ende eines schlechten Tages nach Alternativen suchen. Die mobile Stellensuche erfreut sich auch auf der heimischen Couch großer Beliebtheit, wenn latent wechselbereite Fach- oder Führungskräfte am Sonntagnachmittag mit dem Tablet schauen, ob der Arbeitsmarkt vielleicht gerade eine interessante Stelle bietet, die einen Wechsel für sie lohnend macht.
Neben angehenden Azubis und Absolventen sind Unternehmen also gerade mit Blick auf die Zielgruppe der Berufserfahrenen gut beraten, ihre Karriereseiten kurzfristig für die mobile Webnutzung fit zu machen. Häufig bekommt man nur eine Chance, einen Jobsuchenden von der Arbeitgeberattraktivität des eigenen Unternehmens zu überzeugen und für einen Wechsel zu begeistern.
Vier von fünf Karriereseiten sind nicht mobiloptimiert
Um so verwunderlicher ist es, dass vier von fünf Karriereseiten nicht für den mobilen Zugriff bereit sind. Bezieht man den Bewerbungsprozess in die Betrachtung der mobilen Candidate Experience mit ein, ist nicht einmal jedes zehnte Unternehmen in der Lage, das Interesse mobiler Stellensuchender zu nutzen und in Bewerbungen zu verwandeln. Woher stammen diese Zahlen? Untersucht wurden in der „Mobile Recruiting Studie 2014“ die 160 in DAX, MDAX, TecDAX und SDAX gelisteten Unternehmen, die aufgrund der unterschiedlichen Unternehmensgrößen einen repräsentativen Querschnitt der deutschen Recruiting-Landschaft abbilden.
Demnach verfügen lediglich 22 Prozent über eine mobiloptimierte Karriereseite. Im DAX-Segment fällt der Wert mit 50 Prozent etwas besser aus, aber auch dort ist jedes zweite Unternehmen nicht in der Lage, den Wunsch nach mobil verfügbaren Informationen zu bedienen. Bei der Untersuchung der Jobbörsen werden lediglich noch 18 Prozent den Bedürfnissen mobiler Stellensuchender gerecht. Diese Diskrepanz zwischen der Mobiloptimierung der Karriereseiten und der Jobbörsen, die ja ein selbstverständlicher Bestandteil der Karriereseite sind, wirft die Frage auf, wieso Unternehmen sich die Mühe machen, ihre Informationen für mobile Geräte zu optimieren, dabei aber den für das Recruiting entscheidenden Schritt der Jobsuche ignorieren. Noch deutlicher wird diese mangelnde Konsequenz, wenn man im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung auch den Bewerbungsprozess in die Analyse der mobilen Candidate Experience einbezieht. Denn die Möglichkeit, die Stellensuche mit einer mobilen (Vor-)Bewerbung zu einem sinnvollen Abschluss zu bringen, bieten lediglich sechs Prozent der Unternehmen an. Neben dem fehlenden generellen Bewusstsein für die Notwendigkeit, sich auf mobile Bewerber einzustellen, ist also vor allem die konsequente End-to-End Optimierung der Karriereseiten für Unternehmen ein Problem.
Woran liegt diese Diskrepanz?
Um das Bizarre und Fatale an dieser Situation deutlich zu machen, hilft eine Betrachtung durch die E-Commerce-Brille, in der wir uns die Karriereseite als einen Webshop vorstellen. Das Ziel des Webshops ist es, die Produkte des Anbieters, in unserem Fall also die Jobs, an den Mann oder die Frau zu bringen. Um das zu erreichen, müssen natürlich zuerst die Produktbeschreibungen für mobile Geräte optimiert werden. Es käme kein Shopbetreiber der Welt auf die Idee, hier Schluss zu machen und auf die Mobiloptimierung der Produktsuche und des Warenkorbs zu verzichten. Man geht zu Recht davon aus, dass die Kunden dann aus dem Kaufprozess aussteigen und den Shopanbieter wechseln.
Abbildung 1
Responsive Design

Sind die Informationen ohne Zoomen lesbar wie hier? Nicht sofort lesbare Informationen veranlassen Kandidaten, Ihre Seite schnell wieder zu verlassen.
Bei genauerem Hinsehen liegt die Quelle des Übels häufig darin, dass Karriereseiten ein Zusammenspiel verschiedener Systeme sind. Denn während das Informationsangebot der Karriereseite in der Regel über ein Content Management System gepflegt wird, sind die Jobbörse und das Bewerbungsformular häufig Teil des Bewerbermanagementsystems, über das meist auch die Stellen eingepflegt werden. Und an dieser Schnittstelle entsteht das Problem. Denn sie ist nicht nur eine System-, sondern auch eine Dienstleisterschnittstelle. Und während die in Marketingfragen normalerweise parkettsicheren Digitalagenturen um die Ansprüche mobiler Webnutzer wissen, trifft dies auf die verwaltungsorientierteren Systemanbieter leider noch allzu häufig nicht zu. Da deren Jobbörsen und Bewerbungsformulare als Teil des gebuchten Pakets zwar nicht mobiloptimiert aber bezahlt sind, werden sie trotz ihrer Kontraproduktivität eingesetzt.
Abgesehen von den Imagekratzern, die eine mobil nicht nutzbare Karriereseite in der Arbeitgebermarke hinterlässt, hat sie auch handfeste wirtschaftliche Folgen. Denn sie schreckt potenzielle Bewerber ab, die das Unternehmen mittels Online-Personalmarketing oder Recruiting-Events gerade unter nicht unerheblichem Budgeteinsatz motiviert hat, sich zu bewerben. Der so entstehende Schaden geht schnell in die Tausende Euro.
Der Business Case (Mobile Recruiting ROI)
Wenn die Analyse Ihrer Karriereseite zeigt, dass Ihre Karriereseite mobiloptimiert werden muss (siehe Infokasten), ist der nächste Schritt die unternehmensinterne Verargumentierung. Ein Business Case muss her, der den Return on Investment einer mobiloptimierten Karriereseite für Entscheider und Stakeholder nachvollziehbar macht und in der Freigabe des erforderlichen Budgets mündet. Aber wie berechnen Sie diesen ROI in harten Zahlen?
Abbildung 2
Mobile Vor-Bewerbung

Das Beispiel Fresenius SE zeigt, dass es durchaus machbar ist, dem Suchenden zu ermöglichen, sich von Smartphone oder Tablet aus direkt zu bewerben.
Dass sich die Investition in die Mobiloptimierung Ihrer Karriereseite rechnet, zeigt Ihnen die folgende Formel zur Wirtschaftlichkeitsrechnung mobiler Karriereseiten. Zuerst ermitteln Sie den monatlichen Verlust an Bewerberzugriffen (Bewerbertraffic), der als Konsequenz der nicht-mobilioptimierten Karriereseite auftritt. Wir empfehlen dazu folgende Formel: Bewerbertraffic-Verlust = Mobile Traffic × Ausstiegsrate
Beispiel:
Ihre Karriereseite hat 5000 Besucher pro Monat und der Anteil mobiler Zugriffe beträgt 20 Prozent beziehungsweise 1000 Besucher. Ein Fünftel der mobilen Bewerber kehrt nach dem missglückten Mobilzugriff mit einem Laptop oder Desktop-PC auf Ihre Karriereseite zurück, aber 80 Prozent tun dies nicht (Ausstiegsrate): Bewerbertraffic-Verlust = 1000 × 0,8 = 800 Kandidaten/ Monat
Sie verlieren also 800 potenzielle Bewerber jeden Monat beziehungsweise 9600 potenzielle Bewerber im Jahr. Um diesen Verlust auszugleichen, bedarf es einer Ausgleichsinvestition. Die Höhe dieser Investition lässt sich wahlweise nach der Cost-per-Click-Methode oder der für den Trafficausgleich notwendigen Anzahl an Stellenanzeigen berechnen. Bei der Costper-Click-Methode ergeben sich die Kosten für den Trafficausgleich aus der notwendigen Anzahl an Bewerberzugriffen multipliziert mit dem Klickpreis (CPC). Ausgleichsinvest (CPC) = Trafficverlust × Klickpreis (CPC)
Beispiel:
Ausgleichsinvest (CPC) = 800 × 1 Euro = 800 Euro/Monat
Wenn Sie die Ausgleichsinvestition lieber anhand der Kosten von Stellenanzeigen berechnen möchten (zum Beispiel wegen fehlender Erfahrungswerte mit dem effektiveren CPC-Verfahren), ermitteln Sie zuerst die Zahl der zum Ausgleich des Trafficverlusts nötigen Anzeigenbuchungen und multiplizieren Sie sie dann mit dem Anzeigenpreis.
Ausgleichsinvest = (Trafficverlust/Anzeigentraffic) × Anzeigenpreis
Im Reichweitenvergleich 2012 (Aktor Interactive) betrug der höchste Durchschnittstraffic 556 Aufrufe je Anzeige. Eine optimistische Kalkulation sieht bei rund 1000 Euro Anzeigenpreis also folgendermaßen aus:
Ausgleichsinvest (Anzeige) = (800/556) × 1000 Euro = 1,44 × 1000 = 1440 Euro/ Monat
Je nachdem, mit welcher Personalmarketing-Methode Sie den verlorenen Bewerbertraffic kompensieren, betragen Ihre Kosten circa 800 bis 1440 Euro im Monat beziehungsweise 9600 bis 17 280 Euro im Jahr. Die Investition in eine Mobiloptimierung Ihrer Karriereseite verbessert also nicht nur Ihre Candidate Experience, sie amortisiert sich auch finanziell innerhalb von zwei bis drei Jahren.
In drei Schritten zur mobiloptimierten Karriereseite
Damit Ihr Unternehmen mobiloptimiert auf die Bewerber eingehen kann, sollten Sie die eigene Karriereseite anhand von drei einfachen Fragen auf ihre Mobiltauglichkeit hin prüfen:
- 1.
Sind die Informationen Ihrer Karriereseite auf Smartphones und Tablets ohne Zoomen lesbar? Nicht sofort lesbare Informationen veranlassen Kandidaten, Ihre Seite schnell wieder zu verlassen.
- 2.
Ist auch die Jobbörse per Smartphone mit wenigen Klicks schnell zu finden und leicht bedienbar?
- 3.
Können stelleninteressierte Bewerber Ihnen eine mobile (Vor-)Bewerbung ohne aufwendige Dateneingabe zusenden?
Testen Sie diese drei Fragen einfach durch Ausprobieren mit Ihrem eigenen Smartphone.
Müssen Sie danach eine der Fragen mit einem Nein beantworten, sollten Sie schnell handeln.
Autor
Jan Kirchner, Geschäftsführer Wollmilchsau GmbH, Hamburg,
jan@wollmilchsau.de
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