Ausgabe 8 - 2014
Persönlichkeit schafft Produktivität
Wenn es um die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit geht, erhalten Mitarbeiter nur wenig Unterstützung von ihrer Personalentwicklungsabteilung. Dabei sind persönliche und soziale Fähigkeiten für die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen höchst relevant, hat eine aktuelle Studie ergeben.
Insgesamt 556 Fach- und Führungskräfte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben an der Studie „Persönlichkeit und Produktivität“ der ComTeam-Group teilgenommen. Persönlichkeit gilt bei vielen als Privatsache. Und Persönlichkeitsentwicklung liegt nur wenig in den Händen von Personalentwicklern (nur 14 Prozent) und Führungskräften (29 Prozent) als vielmehr bei privaten Freunden (35 Prozent) und beim Lebenspartner (70 Prozent). Die Frage lautete: „Wie stark werden Sie in Ihrer Persönlichkeitsentwicklung unterstützt?“
Was aus Sicht der Unternehmen interessant ist: Die Erwartungen von Mitarbeitern und Führungskräften gehen in die andere Richtung: Fast zwei Drittel (64 Prozent) wünschen sich mehr oder viel mehr Unterstützung sowohl von ihrer direkten Führungskraft als auch von Seiten der Personalentwickler (Abbildung 1). Dort gibt es viel zu tun. Angebote für Coaching und Mentoring und auch Seminare, die weniger fachlich als persönlich voranbringen, gibt es reichlich.
Abbildung 1
Unterstützung

Fast zwei Drittel wünschen sich mehr oder viel mehr Unterstützung sowohl von ihrer direkten Führungskraft als auch von Seiten der Personalentwickler.
Wir haben in der Studie zehn Persönlichkeitsfaktoren untersucht und kurz definiert. Die Teilnehmer wurden zunächst gefragt, wie stark sie sich in diesen Punkten selbst einschätzen und wo sie sich weiterentwickeln möchten. Dann ging es um die Erwartungen im Hinblick auf die (Mit-)Führungskräfte. Welche Persönlichkeiten sind hier gefordert?
Frauen werden achtsamer, Männer stabiler gesehen
Es sind vor allem die guten Kommunikatoren (84 Prozent) und Führungskräfte mit hoher Selbstreflexion (82 Prozent) sowie sozialer Kompetenz (79 Prozent), die gebraucht werden. Den einsamen Leitwolf sucht man hier vergeblich. Vielmehr erhoffen sich die Studienteilnehmer von der Führung in ihrem Unternehmen Empathie, Offenheit und Neugier (jeweils 75 Prozent) sowie die Fähigkeit zur Selbstkontrolle (76 Prozent).
Die Frage, wie stark man einzelne Persönlichkeitsmerkmale bei anderen im Unternehmen erlebt, bestätigt klassische Vorurteile beziehungsweise zeigt auf, woran gearbeitet werden muss. Frauen gelten als weitaus achtsamer und empathischer als Männer und liegen in Sachen Selbstreflexion und sozialer Kompetenz um Längen vorne. Dafür zeigen sich Männer selbst, und werden auch so eingeschätzt, emotional deutlich stabiler und liegen bei der Selbstkontrolle – noch – leicht vorne. Empathie und Neugier sind keine prägenden Kennzeichen von Top-Führungskräften (im Fremdbild). Im Selbstbild sieht das deutlich rosiger aus. Dafür zeigen sie in der Sicht von außen überdurchschnittliche Werte bei emotionaler Stabilität, Selbstkontrolle und in der Fähigkeit zu kommunizieren.
Kernfrage der Studie „Persönlichkeit und Produktivität“ war die wirtschaftliche Relevanz von Persönlichkeitsfaktoren. Konkret: Bringen Empathie & Co. Umsatz in die Kassen? Die Antwort hat selbst uns, die wir seit Jahren auf diesem Feld tätig sind, sehr überrascht (Abbildung 2).
Abbildung 2
Wirtschaftliche Relevanz

Von 60 (Selbstkontrolle) bis 93 (Kommunikations-Fähigkeit) Prozent reicht die eindeutige Zustimmung, dass „Persönlichkeit“ als klarer Faktor für wirtschaftliche Ergebnisse gesehen wird.
Von 60 (Selbstkontrolle) bis 93 (Kommunikations-Fähigkeit) Prozent reicht die eindeutige Zustimmung, dass „Persönlichkeit“ als klarer Faktor für wirtschaftliche Ergebnisse gesehen wird. Also sollten die Unternehmen in die Persönlichkeitsentwicklung ihrer Mitarbeiter investieren, und zwar deutlich. 70 Prozent der Fach- und Führungskräfte sind überzeugt, dass Selbstreflexion nicht nur im netten Miteinander, sondern vor allem dem Unternehmen etwas bringt, und zwar wirtschaftlich relevant und nicht nur als „nice to have“.
Hetze hemmt persönliche Fähigkeiten
Es klingt, als müsste man die Persönlichkeiten in den Unternehmen nur zur Entfaltung bringen, um mehr Erfolg zu haben. Aber die Realität zeigt, dass es da Hürden gibt. Wir haben gefragt: „Was behindert Sie im Alltag am stärksten, Ihre persönlichen und sozialen Fähigkeiten anzuwenden?“ Unter den rund 1000 offen gegebenen Antworten fällt erwartungsgemäß die Kategorie Termindruck bzw. Hektik am stärksten ins Gewicht. „Hetze hemmt heftig“, könnte man titeln.
Aber was hemmt noch? Am zweitmeisten wurde genannt, dass die „Akzeptanz für Persönlichkeitsfähigkeiten fehlt“. Das heißt, dass diese Fähigkeiten in den Unternehmen nicht oder noch nicht salonfähig sind. Ihr Wert wird nicht gesehen, ihre Bedeutung gering geschätzt. Man könnte auch sagen: Die Persönlichkeit von Mitarbeitern und Führungskräften wird als gegeben erachtet, ihre Weiterentwicklung nicht als Aufgabe und Chance der Unternehmen gesehen. Dabei würden die Mitarbeiter, so ein weiteres Ergebnis der Studie, gerne mehr für die eigene Persönlichkeitsentwicklung tun, dafür mehr Zeit und Engagement investieren.
Mehr Coaching und Co. gewünscht
Aktuell wenden 43 Prozent der Befragten bis zu fünf Stunden pro Monat für Coaching und Mentoring auf, nur fünf Prozent bis zu zehn oder mehr Stunden. Weit mehr als die Hälfte (59 Prozent) würde gerne auf fünf Stunden Coaching kommen, ein knappes Viertel (22 Prozent) wünscht sich bis zu zehn Stunden. Und sechs Prozent hätten gerne ein Coaching von bis zu 20 Stunden im Monat. Das würden die Studienteilnehmer nicht anstreben, wenn sie das Gefühl hätten, Coaching und Mentoring bringe ihnen nichts.
Seminare zur Persönlichkeitsentwicklung stoßen auch in unserer Akademie auf stark steigendes Interesse. Das belegt die Studie auf aggregiertem Niveau: Etwa die Hälfte der Fach- und Führungskräfte nimmt sich pro Jahr maximal drei bis sechs Tage zur Persönlichkeitsentwicklung, nur 14 Prozent können dafür sieben bis zehn Tage aufwenden. Fast doppelt so groß (26 Prozent) ist diese Gruppe, wenn man nach den Wünschen fragt im Hinblick auf die Seminartage für Persönlichkeitsentwicklung (Abbildung 3).
Abbildung 3
Persönlichkeitsseminare

Etwa die Hälfte der Fach- und Führungskräfte nimmt sich pro Jahr maximal drei bis sechs Tage zur Persönlichkeitsentwicklung.
Und während tatsächlich nur sechs Prozent mehr als zehn Tage für Persönlichkeitsseminare zur Verfügung stehen, ist die „Wunsch“-Gruppe hier mehr als viermal so groß (27 Prozent). Mitarbeiter und Führungskräfte erkennen sehr gut, dass sie für ihr Unternehmen und sich viel tun können, wenn ihre Persönlichkeit nicht stehen bleibt. Wenn sie an Kommunikationsfähigkeit und Empathie arbeiten, ist das nicht in erster Linie fürs Wohlbefinden, sondern es bringt etwas unter dem Strich.
Mit angezogener Handbremse
Persönlichkeitsentwicklung hat also Konjunktur, bringt ihre PS aber nicht auf die Straße. Ein Bremsklotz ist das immer noch weit verbreitete Bild des Managers als einsamer Held. Er zeigt nicht, wie viel Einfühlungsvermögen er hat. Obwohl er weiß, dass er ohne das längst zum Denkmal verkommen wäre. In Verhandlungen wird er regelmäßig zum virtuosen Empathiker, indem er Strategien der anderen Seite vorwegnimmt. Ein Aushängeschild wird dieses Persönlichkeitsmerkmal dadurch noch nicht.
In der Studie wollten wir auch wissen, welches Image die verschiedenen Merkmale von Persönlichkeit (siehe Kasten) haben. Was gilt als Charakterstärke, was als „cool“. Am stärksten angesagt ist demnach, wer Kommunikationsfähigkeit mit Kontaktfreude und emotionaler Stabilität sowie Selbstkontrolle kombiniert. Achtsamkeit, Selbstreflexion und Empathie fallen dagegen auf der Image-Skala eher ab, ihr Ansehen gilt immerhin noch als „mittel“. Der einsame Held lässt grüßen. Alleine der etwas allgemeinere Begriff der „Sozialen Kompetenz“ kommt etwas positiver an. Hier ist Entwicklungsarbeit zu leisten: von Personalentwicklern und Dienstleistern, die dazu relevante Seminarangebote liefern. Aber vor allem von den Führungskräften an der Spitze selbst, die sich durchaus trauen dürften, das Image des „emotionalen Stahlbarons“ zu ersetzen durch lebendige, klare und ambitionierte Verantwortlichkeit.
Was unsere inzwischen elfte Studie klar zeigt: Fähigkeiten, die nicht von Maschinen oder Systemen in den Unternehmen kommen, sondern auf den Menschen gründen, sind von höchster wirtschaftlicher Relevanz. Auf Messen und Tagungen wird heute diskutiert, wie das künftige Selbstverständnis von HR aussehen kann. Wer sollte Personalentwickler daran hindern, zu Persönlichkeitsentwicklern zu werden?
Definitionen
Achtsamkeit: Wach sein für das, was im Moment geschieht, in mir und außen |
Selbstreflexion: Aufrichtigkeit und die Fähigkeit, sich selbst realistisch einzuschätzen |
Emotionale Stabilität: Nicht von meinen Emotionen davongetragen werden |
Selbstkontrolle: Plötzliche Impulse beherrschen und vorschnelle Urteile vermeiden können |
Empathie: Sich in andere einfühlen wollen und können |
Gewissenhaftigkeit: Mit Ausdauer das tun, was mir möglich ist |
Offenheit/Neugier: Ohne Bewertung auf Neues zugehen |
Kontaktfreude: Aktiv auf andere zugehen, engagiert Kontakt suchen |
Kommunikationsfähigkeit: Sich erklären und verständlich machen können |
Soziale Kompetenz: Beziehungen knüpfen, gemeinsame Basis schaffen |
Autor
Lorenz Forchhammer, Studienleiter und Prinzipal Partner der ComTeam AG,
I.forchhammer@comteamgroup.com
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