Ausgabe 8 - 2016
Think Digital Screening

Der Initiator der Studie Digital Leadership, Michael Groß, zeigt, wie die digitale Transformation gelingen kann.
Der Startpunkt ist das sogenannte Think Digital Screening.
Digital Leadership ist auch für etablierte Unternehmen erreichbar. Neue Methoden in der Führung können dazu schnell erprobt werden. Das Screening zeigt jedem Unternehmen, wie am besten vorgegangen wird.
Aller Anfang ist – leicht. So lautet der Anspruch für das Think Digital Screening. Das Ziel ist, die Bereitschaft und Fähigkeit der Führungskräfte für die Digital Leadership zu bewerten und das Vorgehen im Unternehmen zu bestimmen. Diese Ergebnisse aus dem Screening liegen bereits nach wenigen Wochen vor. Das Besondere ist, dass bereits die Statusbewertung von einer hoher Agilität geprägt ist, die später durch Digital Leadership im gesamten Unternehmen erreicht werden soll. Das Think Digital Screening zeigt zum Beispiel, wie Führungskräfte in hierarchiefreien, selbstorganisierten Teams aktuell agieren. In den Teams kann zum Beispiel eine Aufgabe sein, konkrete Ideen zu entwickeln, wie die Führung im Unternehmen künftig aussehen sollte, um neue Anforderungen der Kunden – dazu zählen auch die Mitarbeiter – besser erfüllen zu können.
Zwei Schritte zum Starten
Das Screening ist eine sehr schlanke Methode, die in kurzer Zeit operativ nutzbare Resultate liefert: Erstens wird der Bestand ganzheitlich betrachtet – von vorhandenen Instrumenten (wie Führungsprinzipien oder Maßnahmen in der Führungskräfteentwicklung), erzielten Ergebnissen (aus Umfragen, Leistungsbewertungen et cetera) bis hin zu formellen Abläufen (wie die Meeting-Kultur, Entscheidungsprozesse et cetera). Hieraus ergeben sich für die Transformation in Richtung Digital Leadership bereits mögliche Potenziale.
Schwerpunkt sind zweitens moderierte Gruppendialoge mit Führungskräften, die am besten zufällig ausgewählt werden. Damit wird die Situation simuliert, wie in flexiblen und agilen Führungsprozessen unterschiedliche Teams sich kurzfristig organisieren. Diese Fokusgruppen ermöglichen eine Einschätzung über die vorhandene Bereitschaft und Fähigkeit zur Digital Leadership. Je nach Unternehmen, dessen Größe und Struktur genügen meist wenige Gruppen mit je zwei Stunden, um die wichtigsten Themen und Bedarfe der Führungskräfte sowie die besten Optionen für das weitere Vorgehen zu bestimmen.
Typen und Szenarien aufbauen
Das Screening schafft die Grundlage für den eigenen Weg in die künftige Führung. Denn Digital Leadership wird sich in jedem Unternehmen unterschiedlich entwickeln und wirksam sein. Gerade deshalb ist es wichtig, sich für das eigene Unternehmen ein Vorbild zu schaffen. Der Idealtypus einer Führungskraft kann dazu sehr plastisch dargestellt werden, zum Beispiel durch einen Soll-Ist-Vergleich für das Führungsverhalten (siehe Info auf Seite 18).
Oder es werden Szenarien geschaffen: Der künftige agile Alltag eines Managers wird anschaulich dargestellt, erneut im Kontrast zu seinen aktuellen Aufgaben. Daraus ergeben sich Anforderungen an die Führungskräfte und deren Kompetenzen, gegebenenfalls auch für Veränderungen an Strukturen und Prozessen im Unternehmen, zum Beispiel wie Entscheidungen getroffen werden.
Think Tank schafft Raum
Bei einem regionalen Energieversorger ergab sich aus dem Screening und den Szenarien die Idee, einen Think Tank zu schaffen, um schneller bessere Angebote für Kunden zu entwickeln (siehe Abbildung). Der Think Tank besitzt wenige klare Regeln und schafft einen hierarchiefreien Raum. Jeder Mitarbeiter kann Ideen einbringen, die einen Kundennutzen schaffen. Zusätzlich sind über das Intranet Mitstreiter aus den Bereichen zu begeistern, die zur Konkretisierung der Idee wichtig sind.
In einer moderierten Ideenwerkstatt, die maximal zwei Stunden dauert, wird im Team die Machbarkeit geprüft und das weitere Vorgehen bestimmt. Dabei kann das Ergebnis sein, dass es sich nicht lohnt, die Idee weiter zu verfolgen. Anderenfalls wird das Ergebnis vom Ideengeber in der „normalen“ Bereichsleiterrunde vorgestellt. Danach agiert ein Bereichsleiter als Sponsor, der für die notwendige „Rückendeckung“ sorgt. Es folgt ein erster Kundentest. Auch ein erster grober Business Case wird erstellt, wenn der Test positiv läuft. Insgesamt sind bis zur Marktreife meistens weniger als drei Monate vergangen – ein enormer Fortschritt gegenüber dem bisherigen Vorgehen.
Zum Schluss, wenn sich die Idee bewährt hat, geht der Think Tank in das Projektmanagement über. Die „Linie“ wird aktiviert. Die Erfolgsaussichten sind erheblich höher, da die Energien auf die tatsächlich guten Initiativen konzentriert werden. Und nicht zuletzt: Neue Formen der Führung werden geprobt und etabliert. Think Digital wird zum Act Digital.
Abbildung
Think Digital Screening: Ergebnis führt zu neuem Freiraum

Bei einem regionalen Energieversorger konnte mit Hilfe der Methode Think Digital Screening ein entscheidender Impuls für eine neue Führungspraxis gegeben werden.
Klare Orientierung geben
Neue, schnellere Wege zu Entscheidungen und deren Revision sind ein Teil der Umsetzung. Entscheidend ist, wie die Praxis zeigt, die Kombination und gegenseitige positive Wechselwirkung der verschiedenen Handlungsfelder, wie die Entwicklung der Kompetenzen und Abläufe. Das Wissen und Wollen, Können und Dürfen der Führungskräfte sollten Hand in Hand gehen, um die anvisierten Ziele zu erreichen.
Zugleich ist bei der Umsetzung zu beachten, dass die Entwicklung der Digital Leadership kein vollständig planbarer linearer Prozess von A bis Z ist und mit einem statischen Ergebnis endet. Meilensteine zu haben ist wichtig – solange zugleich hohe Flexibilität ein Teil der Umsetzung ist, auch um Meilensteine zu justieren, die sich als nicht tragfähig oder sinnvoll erweisen.
Der Wandel erfolgt permanent oder schubartig verstärkt, zum Beispiel ausgelöst durch veränderte Marktbedingungen, Wettbewerbsaktivitäten oder Technologiesprünge. In der Umsetzung sollte stets ein „Puffer“ eingebaut werden, zum Beispiel in den Ressourcen der Führungskräfte. Diese sollten merken, dass sie selbst Raum zur freien Gestaltung ihrer Digital Leadership haben – auch um die ständigen Veränderungen wirksam nutzen zu können, indem erneut die eigene Situation und Ziele betrachtet werden. Allein das ist für die Beteiligten ein erheblicher Fortschritt gegenüber fest strukturierten Programmen der Vergangenheit und stärkt die erfolgreiche Umsetzung ungemein.
Digital Leadership ist vielschichtig, es gibt keinen verbindlichen Katalog an Kompetenzen und Methoden, Strukturen und Prozessen, die Führungskräfte besitzen und einsetzen, die Unternehmen aufbauen und denen sie folgen müssen. Aber die Unternehmen sollten sich beim Aufbau ihres Digital Leaderships von folgenden grundlegenden Prinzipien leiten lassen:
Gemeinsames Bekenntnis ist wichtiger als allgemeinen Konsens zu erreichen.
Konkrete Ergebnisse zu erzielen ist wichtiger als Plänen zu folgen.
Effektive Prozesse zu gestalten ist wichtiger als feste Strukturen zu schaffen.
Kompetenzen zu vernetzen ist entscheidender als Funktionen abzugrenzen.
Gegenseitige Erwartungen zu klären ist wichtiger als Regeln zu folgen.
Zielorientiertes Reflektieren ist entscheidender als fortlaufendes Reporten.
Autor
Dr. Michael Groß, Inhaber der Groß & Cie. GmbH, Königstein im Taunus,
m.gross@gross-cie.com
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