Ausgabe 8 - 2016
Weniger ist manchmal mehr

Sind die Entwicklung einer Arbeitgebermarke sowie Social Media Recruiting und Active Sourcing unverzichtbar für das erfolgreiche Gewinnen begehrter Mitarbeiter? Lohnt der personelle und monetäre Aufwand auch für kleine und mittlere Unternehmen? Unser Autor ist der Ansicht: nicht um jeden Preis.
Aufgrund größter Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Positionen mit Fach- und Führungskräften entwickeln nicht nur Großunternehmen, sondern auch immer mehr mittelständische und kleinere Unternehmen ein eigenes Employer Branding. Sie investieren viel Mühe, Arbeit und Geld in den Aufbau einer eigenen Arbeitgebermarke, in aufwendig gestaltete Auftritte in den sozialen Medien oder sogar in eine eigene Recruiting-Abteilung. Dabei lassen sie einige selbstkritische Fragen außer Acht: Ist ein multimediales Employer Branding tatsächlich der beste Weg, die Vakanzen kurz- und mittelfristig mit passenden Kandidaten zu besetzen? Sind die internen Recruiter in der Lage, die richtigen Kandidaten zu suchen und anzusprechen?
Ressourcenorientiertes Recruiting ist sinnvoll
Gerade kleinere Unternehmen sollten dabei bedenken: Durch die neuen Methoden der Personalsuche entsteht für sie ein erheblicher Mehraufwand. Multimediale Bewerbungsmöglichkeiten machen es zwar den Interessenten so einfach wie möglich, in Kontakt zum Unternehmen zu treten. Gleichzeitig führt die Einfachheit aber auch zu einer Vielzahl von Bewerbungen nicht passender Kandidaten, selbst wenn es möglich ist, dass unter den vielen Bewerbern der richtige dabei ist. Das bedeutet für kleine und mittelständische Unternehmen enormen Mehraufwand auf vielen Ebenen: Mögliche zusätzliche Bewerbungen müssen bearbeitet werden, die sozialen Medien müssen gepflegt werden, auch wenn gerade kein Personalbedarf besteht. Die Arbeitgebermarke muss zusätzlich zur Produktmarke erhalten werden.
Ob erfolgreich oder nicht: Social Media Recruiting und internes Active Sourcing vergrößern die Prozesse immens, um den richtigen Mitarbeiter zu finden. In beides investieren Unternehmen Personalressourcen, Zeit und Geld. Eine große Gefahr liegt darin, dass sich die Aktivitäten verselbstständigen. Die Recruiting-Abteilungen werden immer größer und das Personalmarketing verwaltet sich selbst. Das eigentliche Ziel, den Such- und Rekrutierungsprozess zu unterstützen, kann aus den Augen verloren werden.
Richtig ist zwar, dass der strategische Aufbau einer Arbeitgebermarke, verstanden als ein langfristiger und kontinuierlicher Prozess, die Darstellung von mittelständischen Unternehmen am Arbeitsmarkt und somit die Besetzung von Vakanzen verbessern kann. Doch diese Entwicklung ist keine einmalige Aktion. Eine glaubwürdige Arbeitgebermarke muss vor allem im Inneren des Unternehmens gelebt und verankert sein, um nach außen kommuniziert werden zu können. Bei all dem Aufwand, der betrieben wird, um im War for Talents zu bestehen, können die wesentlichen Faktoren einer erfolgreichen Stellenbesetzung verloren gehen.
Kernkriterien nicht aus den Augen verlieren
Eine erfolgreiche Stellenbesetzung hängt immer noch entscheidend von drei Faktoren ab:
1. Das klar definierte Anforderungsprofil: Im ersten Schritt müssen die Verantwortlichen im Unternehmen festlegen, welches Profil sie für die offene Position suchen. Wie sieht das Positionsprofil im Detail aus? Welche Art von Mitarbeiter wird auf dieser Position erfolgreich sein? Wie sieht das Anforderungsprofil aus? Diese Kriterien sollten klar definiert und von allen Entscheidern gemeinsam verabschiedet worden sein. Ist die Festlegung erfolgt, muss im zweiten Schritt die Auswahl der Suchmethoden und -kanäle entschieden werden.
2. Das eigene Netzwerk und Empfehlungen nutzen: Eine repräsentative Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat ergeben, dass fast jede dritte Stelle in Deutschland über persönliche Kontakte und Empfehlungen eigener Mitarbeiter besetzt wird. Gerade Mitarbeiterempfehlungen können sehr erfolgversprechend sein, denn sie kennen die eigene Unternehmenskultur. Außerdem empfehlen sie mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nur dann eine Person, wenn sie von deren Eignung für den Betrieb und die Position überzeugt sind. Andernfalls schaden sie ihrem eigenen Ruf im Unternehmen.
3. Die Persönlichkeit als Erfolgsfaktor: Eine Studie der Personalberatung Egon Zehnder International hat aufgezeigt, welche Faktoren den Erfolg einer Führungskraft ausmachen. Das Ergebnis zeigte: Die Fähigkeiten im zwischenmenschlichen Bereich sind heute mehr denn je erfolgsentscheidend. Die Erfolgreichen können andere Menschen begeistern, überzeugen und lösen Probleme direkt mit den Betroffenen. Die soziale Kompetenz und die Persönlichkeit haben sich als wichtigste Merkmale für Führungs- und Berufserfolg erwiesen. Diese umfassen die Beziehungsfähigkeit, ein echtes Interesse am Gegenüber, die Verbindlichkeit und die Übernahme von Verantwortung für andere. Der Aspekt, dass die Persönlichkeit zur Unternehmenskultur passt, ist ebenfalls unabdingbar. Vor diesem Hintergrund müssen die Suchmethoden kritisch hinterfragt werden.
In Konzernen mit eigenen Rekrutierungsabteilungen werden offene Vakanzen durch den Einsatz moderner Rekrutierungsinstrumente – unterstützt durch gelungenes Employer Branding – häufig erfolgreich besetzt. Aber auch Großunternehmen greifen für ausgewählte Vakanzen und begehrte Profile auf Personalberater zurück. Sie nutzen das persönliche Kontaktnetzwerk der Berater, die auch die Kandidaten kennen und finden, die nicht mit Profilen in den sozialen Netzwerken vertreten sind, und sie lassen sich nur diejenigen Kandidaten präsentieren, die für die Position mit hoher Wahrscheinlichkeit in Frage kommen.
Der Mittelstand, der in der Regel nicht über immense Ressourcen im Personalbereich verfügt, sollte im Vorhinein genau abwägen, ob die Besetzung einer Vakanz mit Unterstützung durch einen Personalberater nicht der effizientere Weg ist.
Eingestellt werden Menschen, keine Lebensläufe
Die Vorteile erfahrener und professioneller Personalberater liegen auf der Hand. Sie verfügen über ein großes Netzwerk persönlicher Kontakte. Ihre Suchmethoden beschränken sich nicht auf ihre Datenbanken. Sie sind Profis im Beziehungsmanagement, nah am Markt und durch ihr breit gefächertes persönliches Netzwerk gewähren sie auch Zugang zu Zielgruppen, die nicht mit Profilen im Internet vertreten sind. Sie kennen die Menschen hinter den beruflichen Profilen. Personalberater können einschätzen, ob ein Mensch zur Vakanz und zum Unternehmen passt, denn es geht bei der erfolgreichen Einstellung um viel mehr als um eine Passung von Profilen: Es werden Menschen, also Persönlichkeiten eingestellt. Gutes Employer Branding und ein gutes Personalmarketing können den Rekrutierungsprozess erleichtern, doch der entscheidende Erfolg für die richtige Besetzung einer Vakanz bleibt die persönliche Ansprache eines Kandidaten und das echte Interesse an seiner Persönlichkeit. Denn eingestellt werden keine Lebensläufe, sondern Menschen.
Autor
Karl-Hans Schlehenkamp, Geschäftsführer, SRN Schlehenkamp Reichwald Networks, Dortmund,
karl-hans.schlehenkamp@srn-hr.com
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