Ausgabe 8 - 2017
„Unser Anspruch ist es, Trends frühzeitig zu erkennen“
Interessante Köpfe

Marcel Rütten, HR-Manager der Kindernothilfe, ist vor Kurzem zum „Personalmarketing-Innovator 2017“ gekürt worden, und das nicht ohne Grund. Die Personalwirtschaft im Gespräch mit dem zupackenden HR-Manager.
Personalwirtschaft: Die Jury bescheinigte Ihnen eine besondere Affinität zu digitalen Themen. Woher kommt diese?
Marcel Rütten: Als Jugendlichem haben mir meine Eltern Mitte der 90er einen PC mit Windows 95 von einem holländischen Flohmarkt mitgebracht. Anschließend habe ich in einem VHS-Kurs gelernt, wie Webseiten gebastelt werden. Das Interesse an HTML und Ähnlichem hatte ich also schon als Jugendlicher, es hat sich stetig fortentwickelt.
Von dort bis zu technischen Lösungen im Personalbereich ist es ein weiter Weg …
Die Frage ist, warum das getrennt wird. Im persönlichen Bereich erleichtern uns heute Apps und Tools das Leben sehr. Für mich ist es selbstverständlich, sie auch im HR-Bereich einzusetzen, um Prozesse zu steuern oder die Arbeit zu erleichtern.
Inwiefern benötigen Personaler heutzutage technische Skills und IT-Know-how?
Es kommt darauf an, welche Rolle HR einnehmen will. Wenn ich als HR-Manager an der strategischen Entwicklung des Unternehmens teilhaben will, sind solche Kenntnisse nur von Vorteil. Wenn wir als HR sehr starken Einfluss darauf haben, wie Menschen heute und in Zukunft arbeiten, sollten wir auch konkrete Vorstellungen von dem haben, was zukünftig möglich sein kann.
Sie nutzen unter anderem einen Cultural Fit-Evaluator zur Personalauswahl. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie über die Einführung eines neuen Tools oder Recruiting-Kanals?
Unser Anspruch ist es, Trends frühzeitig zu erkennen. Ich beobachte die HR-Start-up-Szene daher sehr intensiv. Dort hat sich in den vergangenen drei, vier Jahren sehr viel getan – seien es kleine Lösungen für Teilprobleme oder große, die einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen. Außerdem hilft uns die pragmatische Herangehensweise dieser Unternehmen. Sie ist außerdem nutzerzentriert: Im Mittelpunkt steht nicht, wie ein Prozess in der Organisation gestaltet ist, sondern wie das Ergebnis für die Bewerber oder Mitarbeiter verbessert werden kann.
Warum hapert es Ihrer Meinung nach noch in vielen Unternehmen bei der Candidate Experience?
Der Leidensdruck ist noch nicht groß genug, der Handlungsbedarf wird nicht erkannt. Heute habe ich als Arbeitgeber noch einen echten Wettbewerbsvorteil mit einer guten Candidate Experience. Es wird aber nicht mehr lange dauern, bis sie zwingende Notwendigkeit wird. Wer sie dann nicht vorweisen kann, wird einen krassen Wettbewerbsnachteil erleben.
„Ich liebe Daten und Zahlen und bin begeisterter Social-Media-Nutzer.“
Ist es für NGOs leichter oder schwerer als für Unternehmen, Personal zu rekrutieren?
Beides zugleich. Als Spendenorganisation haben wir nur sehr begrenzte Mittel und gehen mit diesem Geld sehr verantwortungsvoll um. Wir müssen also in der HR-Arbeit sehr ideenreich agieren. Zugegebenermaßen ist es natürlich einfacher, Menschen dafür zu begeistern, einer sinnstiftenden Tätigkeit bei einer Kinderrechtsorganisation nachzugehen. Auf der anderen Seite besteht die Notwendigkeit, unserer gesellschaftlichen Vorbildfunktion gerecht zu werden und unseren eigenen ethischen Grundsätzen zu entsprechen.
Wo und wie lassen Sie sich für Innovationen inspirieren?
Ich liebe Daten und Zahlen. Viele Ideen stammen aus Datenanalysen. Wir tracken beispielsweise das Bewerberverhalten auf der Karriereseite – und erfahren so schnell, wo sich die Candidate Experience noch verbessern lässt. Zudem bin ich begeisterter Social Media-Nutzer, besuche gerne Fachmessen in berufsfremden Bereichen und ich blicke häufig ins Ausland.
Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich derzeit?
Zum einen mit einem Projekt zur Stellenbewertung. Konkret geht es um die Simplifizierung der Eingruppierung von Stellen im Tarifvertrag, sodass sie für jeden Mitarbeiter – auch ohne Kenntnisse im Tarifrecht – verständlich sind. Außerdem werden diese Stellenbewertungen gekoppelt an unser Laufbahnmodell, welches die Grundlage für unser strategisches Talent Management bilden wird. Das andere ist Video Content. Youtube ist die zweitgrößte Suchmaschine der Welt. Das allein zeigt, wie viel Potenzial hier noch ungenutzt ist. Das wollen wir innovativ decken.
Das Interview führte David Schahinian.
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