Ausgabe 8, Special Employer Branding - 2014
Zeit für Dickbrettbohrer
Beim Round Table Employer Branding wird mit offenem Visier diskutiert: Hat der Mittelstand die Dringlichkeit des Themas erfasst? Wird HR der Herausforderung gerecht? Hat der Markenbegriff gar ausgedient? In einem Punkt ist man sich aber einig: Die Zeit der getünchten Fassaden ist vorbei – ein konsistentes und attraktives Arbeitgeberversprechen muss von innen heraus wachsen.
Mal ehrlich: Der „runde Tisch“ als solcher hat seinen guten Ruf in der Historie ziemlich ramponiert. Zu oft hat er sich als Geburtsstätte fragwürdiger Kompromisse und wachsweicher Entschlüsse erwiesen, als dass man ihm impulsgebende Wirkung beimessen würde.
Insofern ist es angemessen, gleich zu Anfang festzuhalten: Der Round Table Employer Branding war kein runder Tisch im historisch vorbelasteten Sinne. Vielmehr saßen hier zehn Experten zusammen, die eine bemerkenswerte Mixtur an Eigenschaften unter Beweis stellten: indem sie weder klare Worte noch steile Thesen scheuten, zugleich aber einen zupackenden Pragmatismus an den Tag legten, der einem überhitzten Thema wie dem Employer Branding guttut wie einem heißgelaufenen Teenager der Sprung ins Freibadbecken.
Im Alltag angekommen
Denn tatsächlich reden wir immer noch über einen „Teenager“ – auch wenn das Employer Branding im Herbst 18 Jahre alt wird (jedenfalls wenn wir den Fachartikel „The employer brand“ von Tim Ambler und Simon Barrow als Geburtsurkunde werten, siehe Seite 32) und die Sturm- und Drangphase langsam ein Ende hat.
Einige der beim Round Table vertretenen Experten haben dieses Aufwachsen von der Geburtsstunde an miterlebt oder waren schon bei den Wehen dabei. Einer davon ist Jan Köhler, der als Managing Director der Köhler Kommunikation Werbeagentur GmbH vorsteht: „Als wir 1995 anfingen, war Employer Branding ein Nischenthema – heute ist es ein Standardthema“. Diese Einschätzung teilt Christian Kvech, Managing Partner der Maisberger Gesellschaft für strategische Unternehmenskommunikation mbH: „Vor einigen Jahren war Employer Branding ein Hype. Heute ist der Hype im Alltag angekommen.“ Und auch Dr. Anastasia Hermann, Public Relations & Public Affairs Managerin bei der Stepstone Deutschland GmbH, stellt fest: „Employer Branding mag ein Buzzword sein – doch es wird noch lange überleben. Dafür ist das Thema Positionierung im Wettbewerb um Fachkräfte einfach zu wichtig geworden. Als Arbeitgeber kann man es weder heute noch in Zukunft ignorieren.“ Nur über den Fachkräftemangel zu klagen, sei „vielleicht zu einfach“. „Ein professionelles Personalmarketing- und Employer Branding-Konzept ist heute unerlässlich“, sagt auch Christian Hagedorn, Geschäftsführer der Westpress – Agentur für Personalmarketing, „um erstklassige Leute zu finden, ist es entscheidend, sich als Arbeitgeber richtig zu positionieren und die Sprache der Zielgruppe zu sprechen“.

Moderatoren des Round Table: Erwin Stickling, Chefredakteur der „Personalwirtschaft“ (rechts), und Cliff Lehnen, freier Journalist
Unterschiedliche Reifegrade
Klar ist also: Employer Branding ist aus HR nicht mehr wegzudenken. Wie unter Achtzehnjährigen üblich, variiert der Reifegrad jedoch erheblich: Während der eine längst aus dem Haus ist, macht es sich der andere gerne noch ein paar Jahre bei Muttern bequem. Im Employer Branding ist das nicht anders. „Die Schere zwischen den Unternehmen, die vorne dabei sind und denjenigen, die erst anfangen, geht weiter auseinander“, sagt Christian Kvech, „es gibt noch eine ganze Menge an Unternehmen, die sehr deutlich hinterherhinken“. Den Reifegrad bedingt dabei häufig die Unternehmensgröße, stellt Jan Köhler fest: „Das Employer Branding unserer Konzernkunden ist jetzt in der dritten Generation, da geht es in der Beratung eher um große Themen wie Strategie, Positionierung oder Uniqueness.“ Der Mittelstand hingegen sei noch relativ neu dabei, was eine intensive Zusammenarbeit auf unterschiedlichen Ebenen erforderlich mache. Dass die Bedeutung des Themas jedoch auch hier angekommen sei, unterstreicht Johanna Füllgraf, Agenturleiterin der advalue Media GmbH: „Der Mittelstand hat das Thema verstanden – wie und in welchem Umfang es dort umgesetzt wird, variiert aber sehr.“
Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Begriff „Employer Branding“ trotz des nahenden Erwachsenenalters noch lange nicht ausgedeutet ist. In der öffentlichen Wahrnehmung dominieren nach wie vor die extern sichtbaren – werblichen – Aspekte, während die internen – unternehmenskulturellen – Prozesse im Hintergrund stehen. Sabine Vockrodt, Leiterin Job-Network im Verlag Werben & Verkaufen GmbH, fordert daher: „Wir brauchen eine größere Klarheit in den Begrifflichkeiten: Wir diskutieren immer noch häufig über Personalmarketing, nicht über Employer Branding.“ Daran, dass beide Bereiche völlige Berechtigung haben, besteht am Tisch kein Zweifel. Genauso unstrittig ist, dass für jeden Kunden – je nach Unternehmensgröße, Zielgruppe und Reifegrad der Arbeitgebermarkenentwicklung – ein passendes Paket aus strategischer Beratung und operativer Begleitung geschnürt werden muss. So beobachtet die Expertenrunde in der Summe eine deutliche Differenzierung des Marktes und eine zunehmende Spreizung der Wünsche und Ansprüche der Kundschaft: „Employer Branding hängt den einen zu den Ohren raus, die anderen schreien danach“, bringt es Wolfgang Weber, Director Sales and Marketing bei der Königsteiner Agentur GmbH, auf den Punkt.
![]() | „Mithilfe von Workshops, Fokusgruppen oder Mitarbeiterbefragungen horchen wir tief in die Unternehmen rein. Mit oberflächlicher Beratung hat das nichts zu tun.“ |
![]() | „Stellenanzeigen decken den Informationsbedarf der Kandidaten teilweise nicht. Manche Unternehmen investieren viel Geld in ihre Arbeitgebermarke, achten dann aber nicht auf diese Basics.“ |
Alle auf die Kleinen?
Also ran an den Mittelstand, mag man der Runde zurufen. Doch von einer großen Jagd auf die Kleinen halten die Experten wenig. Oliver Mattern, Director Employer Brand Management bei milch & zucker – The Marketing & Software Company AG, ist besonders kritisch: „Es ist geradezu sträflich, dem Mittelstand etwas anzubieten, woran die Großen mehrfach gescheitert sind“, findet er. „Im Mittelstand von ‚Employer Brand Management‘ zu sprechen, ist häufig nicht angemessen, ‚Arbeitgebermarketing‘ ist da einfach der passendere Begriff.“ Natürlich könne sich ein kleines, relativ unbekanntes Unternehmen bemühen, bei der potenziellen Zielgruppe zur Marke zu werden. „Aber das kostet unter Umständen Millionen – das kann und will sich niemand leisten.“ Udo A. Völke, Geschäftsführer der Personalwerk GmbH, stimmt ihm zu: „Ja, die mittelständischen Unternehmen haben verstanden, wie Marketing funktioniert. Gott sei Dank! Aber: Wer nimmt denn wirklich 40 000 Euro für eine externe Marktforschung in die Hand?“
Keine Frage: Mittelständische Budgets sind begrenzt und mittelständische Bedürfnisse speziell. Wichtig, so Oliver Mattern, seien daher ein geerdeter Zugang zum Thema und Lösungen, die auch für kleinere Unternehmen funktionieren. Zum Beispiel so: „Um in einem mittelständischen Unternehmen das, was wir EVP nennen, auf den Punkt zu bringen, brauchen Sie gesunden Menschenverstand, einen halben Tag Zeit und eine Handvoll Leute, die das Unternehmen gut kennen“, so Mattern. In der Regel brauche es erst für die externe Vermarktung eines auf diese Weise erarbeiteten Arbeitgeberversprechens Intelligenz von außen. Sascha Papewalis, der als stellvertretender Country Manager Deutschland der Top Employers Institute GmbH & Co. KG Unternehmen als „Top Arbeitgeber“ zertifiziert, warnt ebenfalls davor, Unternehmen und ihren HR-Abteilungen zu viel zuzumuten: „Viele der bei uns teilnehmenden Unternehmen suchen nach pragmatischen Lösungen und Best Practices“, berichtet er. „Je mehr über große Personalmarketing-Konzepte und umfassende Employer Branding-Strategien diskutiert wird, desto größer ist die Gefahr, dass HR sich unwohl fühlt oder schlicht überfordert ist – und darüber die vermeintlich einfachen Themen zur Mitarbeiterbindung im Tagesgeschäft aus den Augen verliert.“ Um in eine stabile Kundenbeziehung mit dem Mittelstand zu gehen, gilt also nicht das alte Haudrauf-Motto „Viel hilft viel“. Papewalis: „Es ist nicht ausgeschlossen, dass in Unternehmen, die wenig Erfahrung mit dem Thema haben, eher eine gegenteilige Reaktion folgt: ‚Bevor ich mir jetzt einen Klotz ans Bein binde, lasse ich's lieber ganz.‘“
Johanna Füllgraf von advalue Media sieht hierfür auch strukturelle Gründe: „Bei vielen Mittelständlern gibt es gar keinen HR-Leiter. Da wird die Personalarbeit von der Geschäftsführung mitgetragen – oder von ihrem verlängerten Arm.“ Daher sei es richtig, das Thema hier pragmatischer anzugehen, „der Begriff ‚Employer Branding‘ ist im Mittelstand noch immer ein Stolperstein“. Gleichwohl warnt sie: „Wir dürfen nicht aufhören, analytisch, nachhaltig und auf die Unternehmenswerte fokussiert zu arbeiten.“
Denn das, da sind sich alle am Tisch einig, ist der Kern jeder Bemühung um ein konsistentes und attraktives Arbeitgeberversprechen: die Arbeit an der Unternehmenskultur. „Mithilfe von Workshops, Fokusgruppen oder Mitarbeiterbefragungen horchen wir tief in die Unternehmen rein. Mit oberflächlicher Beratung hat das nichts zu tun“, sagt Johanna Füllgraf. „In diesen Prozessen decken wir auch Handlungsbedarf auf. Dann ist aber auch darauf zu achten, dem Unternehmen klar zu machen: Was nützt euch extern eine tolle Arbeitgebermarke, wenn intern die Mitarbeiter frustriert sind?“
![]() | „Es ist zu spät, zu reagieren, wenn man Schlüsselpositionen im Unternehmen nicht mehr besetzen kann. Wer nur noch drittklassige Leute einstellen kann, wird auch nur noch drittklassige Produkte entwickeln.“ |
![]() | „Bei der EVP machen Nuancen, kleine Differenzierungen, den Unterschied aus. Daraus lässt sich eine Positionierung und eine Vision schaffen, auch zielgruppenund standortübergreifend.“ |
Der Kultur auf der Spur
Für Christian Kvech, Maisberger, hängt die Nachhaltigkeit von Employer Branding-Maßnahmen eng mit der Führungsphilosophie und der hierarchischen Verortung im Unternehmen zusammen: Je höher das Thema aufgehängt sei, so seine Erfahrung aus der Beratungspraxis, desto größer die Chance auf nachhaltigen Erfolg. „In immer mehr Unternehmen werden Employer Branding-Projekte direkt von der Geschäftsleitung angestoßen“, berichtet Kvech. „Dort geht es dann nicht mehr darum, nur ein Feigenblatt aufzukleben – sondern darum, wirklich etwas zu bewegen“. Die Folge seien Quantensprünge bei Mitarbeiterbindung und interner Kommunikation: „Wie halten und binden wir diejenigen Mitarbeiter, die schon da sind? Wie bringen wir unsere Manager in den einzelnen Fachbereichen dazu, das Thema Mitarbeiterbindung mitzudenken?“ Fragen wie diese würden heute viel stärker bedacht als noch vor wenigen Jahren.
Dass sich ein Verständnis für nachhaltiges internes Employer Branding in vielen Organisationen kontinuierlich ausgeprägt hat, stellt auch Wolfgang Weber von der Königsteiner Agentur fest: „Früher wollten viele Kunden eine schicke Fassade, damit die Bewerber anbeißen“, erinnert er sich, „heute geht es darum, viel tiefer in die Organisation einzudringen und Prozesse zu überarbeiten“. Die Folgen sind bisweilen erstaunlich: „Teilweise suchen die Kunden heute ganz anderes Personal – weil sie ihre eigene Organisation viel besser kennengelernt haben.“ „Viele Unternehmen haben die Wichtigkeit des Themas erkannt. Der gute Wille ist da“, bestätigt auch Sabine Vockrodt, W&V. Doch seien viele Unternehmen nicht vorbereitet auf das, was sie bei einer ernstgemeinten Employer Branding-Konzeption erwarte: „Es geht um eine Strategie, es ist ein langer Weg. Spätestens wenn bei der Umsetzung der Prozess auch nach innen geht, wenn man die Mitarbeiter erreichen und mitnehmen soll, ist die Überraschung groß. Aber auch ein ganzes Stück früher, wenn es um Strategie, Benchmarking oder Wettbewerbsanalyse geht, sind viele Unternehmen überrascht, wie aufwendig das alles ist.“
Wolfgang Weber stimmt zu: „Zuerst wollen alle Standardlösungen. Hinterher stellt sich dann heraus: Alles muss individuell gemacht werden. Viele stellen erst in der Analyse fest: Da steckt richtig Arbeit drin. Wenn etwa Geschäftsführung und Mitarbeiter eine völlig andere Realität im Unternehmen erleben, ist es ein langer Weg zur Veränderung.“ Damit diese Veränderung auch langfristig im Unternehmen ankomme, sei entscheidend, „dass die Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten klar geregelt sind, wenn das Mandat einer Agentur abgeschlossen ist“, ergänzt Sascha Papewalis vom Top Employers Institute. „Dann muss klar sein, wer was zu tun hat: welche Aufgaben bei HR liegen, beim Marketing, bei der Geschäftsleitung“.
Auffällig ist: Alle Experten sind sich einig, dass Kern und Fassade beim Employer Branding in Einklang sein müssen, dass der Aufwand hierfür beträchtlich ist und von Geschäftsführung und HR gleichermaßen getragen werden muss. Gleichwohl scheut man sich noch, dem Mittelstand zu viel zuzumuten, um niemanden zu verschrecken. Ein klassisches Beraterdilemma: Wer denjenigen, die müssten, zuerst sagt, dass sie sollten, riskiert, sie zu brüskieren und nachher selbst nicht mehr mitmachen zu dürfen.
Doch vielleicht ist dieser nicht risikolose erste Impuls künftig gar nicht mehr so oft nötig, denn immer mehr Unternehmen agieren von sich aus. „Der Markt treibt das Thema Employer Branding viel stärker als noch vor fünf Jahren“, sagt Wolfgang Weber. „Damals wurde die Verantwortung noch an Personaldienstleister abgetreten, heute aber sind die Unternehmen gezwungen, selbst etwas zu tun.“ „Der Druck, sich zu bewegen, wird immer größer“, weiß auch Christian Hagedorn, „es ist zu spät, zu reagieren, wenn man Schlüsselpositionen im Unternehmen nicht mehr besetzen kann. Wer nur noch drittklassige Leute einstellen kann, wird auch nur noch drittklassige Produkte entwickeln.“ Die Konsequenz: „Je professioneller das Employer Branding-Konzept, desto besser.“
Insofern klingt Jan Köhlers Prognose schlüssig: „Je größer die Not bei den Unternehmen, desto mehr werden sie auf den Kern zusteuern. Und der Kern heißt: Veränderungsprozess. Dicke Bretter bohren.“ Das Verhalten von Führungskräften und ganzer Unternehmen werde sich ändern müssen. „Das wird ein wahnsinnig spannender Prozess. Doch das wird erst dann passieren, wenn alles andere versucht ist und die Not am größten.“
![]() | „Unser Job ist es, HR kommunikative Werkzeuge an die Hand zu geben. Einen Methodenmix, der funktioniert – egal, ob das eine reine Digitalkampagne ist, ein PR-Mandat oder eine Kampagne vor der Haustür.“ |
![]() | „Um in einem mittelständischen Unternehmen das, was wir EVP nennen, auf den Punkt zu bringen, brauchen Sie gesunden Menschenverstand, einen halben Tag Zeit und eine Handvoll Leute, die das Unternehmen gut kennen. |
Die Anzeige als Point of Sale
Bis dahin wird es im operativen Geschäft einiges zu tun geben – zum Beispiel Stellenanzeigen schalten, und zwar unabhängig davon, ob das nun Teil des Employer Brandings, des Personalmarketings, des Recruitings oder, wie für Udo Völke „gerade mal das Äquivalent zu Maßnahmen am Point of Sale“ ist.
Schon allein die Tatsache, dass man sie keiner dieser Kategorien eindeutig zuordnen kann, weil sie überall mitspielt, zeigt: Die oft zu Unrecht verunglimpfte Stellenanzeige bleibt ein zentrales Tool in der Arbeitgeberkommunikation und damit auch im externen Employer Branding. Die Frage aber, wie sie zeitgemäß gestaltet werden kann, sorgt für Diskussionen.
Mit der Jobbörse Stepstone steht Anastasia Hermann an der Schnittstelle zwischen Bewerbern und Unternehmen. Ihre Erfahrung: „Wir beobachten, dass manchmal die Grundvoraussetzungen für erfolgreiches Recruiting nicht bedacht werden. Manche Unternehmen investieren viel Geld in ihre Arbeitgebermarke, achten dann aber nicht auf die Basics.“ So wisse man etwa auf der Basis eigener Studien sehr genau, was Bewerber in Stellenanzeigen lesen wollen. Welche Arbeitsinhalte kommen auf mich zu? Wie ist die Arbeitsumgebung? Wie sieht mein Arbeitsplatz aus? An welchem Standort sitze ich? Wie sicher ist mein Job? „Ganz einfache Dinge“, wie Anastasia Hermann betont, „doch häufig erleben wir hier Diskrepanzen zwischen Bewerberwünschen und Realität. Anders gesagt: Die Anzeigen decken den Informationsbedarf der Kandidaten teilweise nicht.“
Die Stellenanzeige sei häufig der erste Kontaktpunkt zum Unternehmen, so Hermann. Diesen Punkt gelte es „so ansprechend und umfangreich wie möglich“ zu gestalten. „Unsere Erfahrung zeigt, dass Interessenten sich sehr wohl für detaillierte Informationen in Stellenanzeigen interessieren. Viel Aufmerksamkeit schenken Nutzer etwa Stellenanzeigen mit unterschiedlichen Reitern, die zusätzliche Informationen beinhalten.“ Das führe im Idealfall dazu, dass sich eine größere Zahl passender Kandidaten bewerbe. Oliver Mattern widerspricht: „Detailinformationen gehören aus meiner Sicht nicht in die Stellenanzeige.“ Natürlich komme irgendwann der Punkt, wo ein Interessent Näheres zum Unternehmen erfahren wolle. „Aber das kann ich nicht – quadratisch, praktisch, gut – in der Stellenanzeige verkaufen“, betont Mattern, hierfür seien andere Kanäle wie etwa die Karriere-Website geeigneter.
„60 Prozent der Stellenanzeigen beschreiben noch nicht einmal, was das Unternehmen einem potenziellen Mitarbeiter überhaupt bietet – insofern ist die Rubrik ‚Wir bieten‘ schon der größere Glücksfall“, wendet Sabine Vockrodt ein, die beim W&V-Job-Network täglich Gelegenheit zur Feldforschung hat. Ihr missfällt ein anderer Punkt: „Zu viele Unternehmen servieren nur Einheitsbrei – oder sie lügen, dass sich die Balken biegen.“ Ein Beispiel gefällig? „Ich habe einmal einen Satz aus einer Stellenanzeige kopiert, der sich so oder ähnlich in gefühlt jeder dritten Anzeige findet: ‚Wir stehen für Ehrlichkeit, Respekt, Teamwork und Vertrauen‘. Das ist völlig austauschbar. Bis auf die Mafia könnte das so ziemlich jeder Arbeitgeber von sich behaupten.“
![]() | „Wichtig ist, die richtigen Instrumente zu haben, um die richtigen Leute zu bekommen, zu halten und ihnen Mitarbeiterkonditionen und eine Umgebung zu bieten, mit denen sie zufrieden sind.“ |
![]() | „Ich habe einmal einen Satz aus einer Stellenanzeige kopiert, der sich so oder ähnlich in gefühlt jeder dritten Anzeige findet: ‚Wir stehen für Ehrlichkeit, Respekt, Teamwork und Vertrauen.‘ Das ist völlig austauschbar.“ |
Wider die Uniformität
Diese grassierende Uniformität ist in der Tat erstaunlich. Angeblich wollen doch alle Unternehmen „Typen“, wollen „Ecken und Kanten“ und bloß keine „Barbies und Kens im Businesslook“, um es mit Thomas Sattelberger zu sagen. Warum also diese Gleichförmigkeit in der Außendarstellung?
Oliver Mattern und Udo Völke sind sich in der Beantwortung dieser Frage einig: je größer die zu verstehende, zu beschreibende, zu vermarktende Organisation, desto diffuser ihr Charakter – und desto unmöglicher, diesen Charakter treffend in Worte zu fassen. „Dann ist man schnell beim kleinsten gemeinsamen Nenner, und der ist dann nicht mehr einzigartig, sondern mehr vom Selben“, sagt Oliver Mattern. Und Völke ergänzt: „Bei einem Großunternehmen ist das Arbeitserleben je nach Funktion sehr unterschiedlich. Wenn Sie dieses Erleben als Antwort auf die Frage ‚Wofür steht dieser Arbeitgeber?‘ verdichten wollen, macht das eben nicht unverwechselbar, sondern sorgt für das Gegenteil.“
Alles klar? Nein, Jan Köhler erhebt Einspruch: Sehr wohl sei es möglich, Einzigartigkeit – neudeutsch: „Uniqueness“ – auch aus einem vermeintlich unüberschaubaren Konzern herauszukitzeln. „Bei der EVP machen Nuancen, kleine Differenzierungen, den Unterschied aus. Daraus lässt sich eine Positionierung und eine Vision schaffen, auch zielgruppen- und standortübergreifend. Und daraus wiederum lässt sich die Story für eine Kampagne erarbeiten.“ Wie der Einstieg in die Analyse gelingt, beschreibt Christian Kvech: „Am Anfang stehen immer die gleichen Fragen: ‚Wen suchen wir? Was haben wir der Zielgruppe zu bieten? Und was tun wir schon für sie?‘ Erst danach kommt die Frage: ‚Welche Geschichten erzählen wir der Zielgruppe von uns?‘.“ Um erfolgreich zu sein, müssten alle Rädchen im Arbeitgebermarketing ineinandergreifen. „Unser Job ist es, HR kommunikative Werkzeuge an die Hand zu geben. Einen Methodenmix, der funktioniert – egal, ob das eine reine Digitalkampagne ist, ein PR-Mandat oder eine Kampagne vor der Haustür.“
Die Experten beobachten, dass sich mehr und mehr große Werbeagenturen in den Markt einschalten. Einigen davon gehe es weniger um die Budgets, wie Udo Völke bemerkt, sondern „häufig nur darum, dass der Kunde nicht mit einer anderen Agentur in Kontakt kommt“. Trotzdem habe sich der Markt verändert, betont Jan Köhler, die Wettbewerbssituation habe sich verschärft. Johanna Füllgraf weist aber auf den Vorteil der auf Personalmarketing spezialisierten Agenturen hin: „Man darf nicht vergessen: Es ist und bleibt eine eigene, sehr spezielle Disziplin. Es gibt Kampagnen-Beispiele der großen Player, wo Fehler passieren, die uns vor sieben, acht Jahren unterlaufen sind. Da merkt man die fehlende Spezialisierung – und fehlende Erfahrung.“ Weitere Spezialisierung ist also der Schlüssel, um auch künftig im Markt gegen große Agenturen zu bestehen. „Jedes x-beliebige Produkt kann der Kunde heute ‚customizen‘, nur beim Arbeitgebermarketing wird immer noch alles über einen Kamm geschert. Die Herausforderung wird sein, Arbeitserlebnisse zu schaffen und zu transportieren, die völlig individuell sind“, ist Udo Völke überzeugt. Aufgabe der Arbeitgeberkommunikation sei es künftig, das Seelenleben eines Unternehmens in seiner Vielschichtigkeit nach außen zu kehren. Christian Hagedorn stimmt ihm zu: „Die Standardisierung des Recruitings schwächt Unternehmen. Personalmarketing ist eine hochkomplexe Angelegenheit – es geht um Individuen. Und die erreichen Sie nur durch individuelle Kommunikation.“
![]() | „Den Wert einer Arbeitgebermarke zu messen, ist ganz schwierig, um nicht zu sagen: unmöglich. Wir agieren ja nicht in geschlossenen Systemen.“ |
![]() | „Viele Menschen bewerben sich bei BMW, weil sie ein Dreier-Cabrio gut finden – doch der Spirit im Unternehmen ist ein ganz anderer als der im Dreier-Cabrio. Da kommt die Arbeitgebermarke ins Spiel.“ |
Vom Wert der Marke
Was die großen Agenturen ohne Frage beherrschen, ist die klassische Markenkommunikation. Werbung ohne Marke? Geht schlecht. HR-Marketing ohne Marke? Geht gut, sagen einige der Round Table-Experten. „Ich war schon immer ein Freund des Begriffs ‚Personalmarketing‘. Aber alle reden über Employer Branding. Sprechen wir doch nicht immer von ‚Marke‘. Das ist völlig überzogen“, sagt Udo Völke: „Den Wert einer Arbeitgebermarke zu messen, ist ganz schwierig, um nicht zu sagen: unmöglich.“ Zu stark sei die Wahrnehmung von Unternehmens- und Produktmarken mit der Wahrnehmung als Arbeitgeber verknüpft. „Wir agieren ja nicht in geschlossenen Systemen. Es gibt nicht den Bewerber, der sich ausschließlich auf eine Arbeitgebermarke namens BMW bewirbt, aber von der Unternehmensmarke und den Produkten noch nie etwas gehört hat.“
So weit, so unstrittig. Doch könne genau diese Anziehungskraft der Produktmarke beim Recruiting auch zum Problem werden, wendet Wolfgang Weber ein: „Viele Menschen bewerben sich bei BMW, weil sie ein Dreier-Cabrio gut finden – doch der Spirit im Unternehmen ist ein ganz anderer als der im Dreier-Cabrio.“ Wichtig sei, dass Unternehmen und Bewerber inhaltlich zueinander passen. „Da kommt die Arbeitgebermarke ins Spiel.“ Trotzdem zweifelt Weber am Überleben des Markenbegriffs: „Das, was wir heute noch unter dem Label ‚Employer Branding‘ diskutieren, wird in fünf Jahren ein völlig normaler Teil der Mitarbeitergewinnung und -bindung geworden sein.“
„Natürlich steht hinter Employer Branding eine Marken- und Vermarktungslogik“, weiß Oliver Mattern. Doch auch er fordert: „Vielleicht sollten wir versuchen, uns vom Begriff ‚Marke‘ zu lösen. Denn worum geht es? Um ein gutes Arbeitgeberversprechen. Um Substanz.“ Sprachlich stimmt ihm Jan Köhler zu: Auch er ziehe die deutschen Begriffe „Arbeitgebermarke“ und „Arbeitgeberversprechen“ vor – „weil sie weniger diffus sind und das Thema spitzer, klarer und verständlicher auf den Punkt bringen“. Doch in den Abgesang auf die Arbeitgebermarke stimmt er nicht ein. „Ich glaube, dass wir auf einen One-Branding-Prozess zusteuern – dass künftig also Unternehmens-, Produkt und Arbeitgebermarke stärker gemeinsam und aus einer Hand gedacht werden.“ Insofern taugt Sascha Papewalis' moderierender Eingriff als Schlusswort: „Ob das Ganze ‚Employer Branding‘ heißt oder nicht, ist nachrangig. Wichtig ist, die richtigen Instrumente zu haben, um die richtigen Leute zu finden, zu halten und ihnen Mitarbeiterkonditionen und eine Umgebung zu bieten, mit denen sie zufrieden sind.“
Autor
Cliff Lehnen