Ausgabe 8, Special Employer Branding - 2014
Das Mehr an Möglichkeiten
Als Familienunternehmen steht Melitta im weltweiten Wettbewerb mit großen und multinationalen Arbeitgebern. Das Unternehmen hat daher eine Arbeitgebermarke entwickelt, die international nach außen wie nach innen erlebbar ist.
Wie andere Arbeitgeber auch sieht sich Melitta einem zunehmendem Wettbewerb um talentierte Arbeitskräfte ausgesetzt. Die demografischen Rahmenbedingungen ändern sich, gleichzeitig werden die Anforderungen an die Mitarbeiter komplexer. Schon jetzt verspürt die Unternehmensgruppe in einigen Bereichen einen Mangel an geeigneten Fachkräften – und alle Prognosen sprechen dafür, dass sich diese Situation weltweit verschärfen wird. Somit sind nicht nur die deutschen Standorte von der Situation betroffen, sondern auch die Auslandsgesellschaften – vor allem in den USA, Kanada und Brasilien.
Wenn Melitta im Wettbewerb um Talente erfolgreich sein will, muss das Unternehmen seine Pluspunkte als Arbeitgeber noch besser kennen und klar herausstellen. Entscheidend ist dabei im Sinne der Glaubwürdigkeit, dass nicht nur Bewerber Melitta als attraktiven Arbeitgeber wahrnehmen, sondern auch die eigenen Mitarbeiter.
Herausforderung Einzigartigkeit
Als Familienunternehmen wirbt Melitta um Zielgruppen, die auch viele andere Unternehmen begehren: Andere große und erfolgreiche Markenartikler suchen beispielsweise die gleichen Marketing- und Sales-Profile, Maschinenbau-Unternehmen und Automobilindustrie werben um die auch für Melitta unverzichtbaren gut ausgebildeten Ingenieure und Techniker.
Die von Marktforschungsunternehmen wie Trendence oder Universum herausgegebenen Arbeitgeber-Rankings zeigen, dass Melitta nicht zwangsläufig zum „relevant set“ der Zielgruppen gehört. Aus Gesprächen mit Bewerbern und eigenen Mitarbeitern wurde zu Beginn des Employer Branding-Projekts deutlich, dass Melitta einerseits über kein klares Profil als Arbeitgeber verfügte, andererseits aber auch einige Rahmenbedingungen eine bessere Positionierung erschwerten. Dies betrifft einerseits die nach außen nicht transparente Bandbreite der Marken und Produkte innerhalb der Unternehmensgruppe, darüber hinaus aber auch den sehr unterschiedlichen Wettbewerb auf den Talentmärkten. So ist vielfach gar nicht bekannt, dass Melitta außer Kaffee und Kaffeefiltern die ganze Wertschöpfungskette rund um Kaffee abbildet und darüber hinaus auch hinter bekannten Haushaltsmarken wie Toppits oder Swirl steckt.
Dieses aus Markensicht komplexe und für Bewerber nur schwer durchschaubare Bild wurde dadurch verstärkt, dass dem Unternehmen gar nicht bewusst war, wo seine tatsächlichen Stärken und Schwächen als Arbeitgeber liegen und für welche Zielgruppen diese wiederum relevant sind. Das Personalmarketing beschränkte sich dementsprechend auf allgemeine Aussagen, wie „gute Weiterentwicklungsmöglichkeiten“ oder „leistungsgerechte Bezahlung“.
Je nach Wirtschaftssituation vor Ort wurde das Bild im internationalen Kontext noch unschärfer: In Deutschland etwa dominiert die Wahrnehmung von Melitta als Traditionsmarke mit einem Standortnachteil (Hauptsitz in Minden/Ostwestfalen); in Brasilien hingegen ragt die gefühlte Wirtschaftsstärke heraus, die mit einem deutschen Unternehmen verbunden wird; währenddessen wird die Marke Melitta in den USA als weniger bekannt eingeschätzt, aber mit sehr guten Arbeitsbedingungen verknüpft. Was fehlte, war die klare Positionierung im Sinne einer weltweit funktionierenden Antwort auf die Frage: „Was macht Melitta weltweit im Vergleich zum jeweiligen Wettbewerb einzigartig?“
Zielsetzung des Projekts
Grundsätzlich wurden mit der Positionierung von Melitta am Arbeitsmarkt drei Ziele verfolgt:
1. Erstens galt es, die Attraktivität von Melitta als Arbeitgeber zu überprüfen und an den relevanten Handlungsfeldern zur Optimierung der Attraktivität anzusetzen.
2. Daraus abgeleitet war die zweite Zielsetzung, die vorhandenen Stärken als Arbeitgeber den eigenen Mitarbeitern bewusst zu machen, um motivierte, talentierte und gut ausgebildete Mitarbeiter besser im Unternehmen halten und unerwünschter Fluktuation vorzubeugen.
3. Als drittes Ziel wollte das Unternehmen die externe Positionierung am Arbeitsmarkt (im Sinne von Bekanntheit und Beliebtheit) durch eine präzise Kommunikation der spezifischen Arbeitgeberattraktivität verbessern.
Der strategische Projektansatz
Um zukunftsfähig zu sein, hat Melitta zum Auftakt des gemeinsam mit der Unternehmensberatung Promerit aufgesetzten Employer Branding-Prozesses die Optimierung der Arbeitgeberattraktivität als strategisches Langfristziel definiert.
Um eine klare und differenzierende Positionierung zu erarbeiten, war es zunächst nötig, Rahmenbedingungen, Zielgruppen sowie Stärken und Schwächen als Arbeitgeber genau zu analysieren. Dabei ist eine sinnvolle Zusammensetzung des Projektteams mit allen Stakeholdern wichtig: Melitta hat hier Vertreter aller relevanten Unternehmensbereiche (Personal-, Kommunikations- und Businessfachleute aus der Linie) sowie alle Landesgesellschaften einbezogen.
Mit diesem Projektteam wurden zunächst die Rahmenbedingungen definiert und die für das Projekt relevanten Ziele und Zielgruppen festgelegt. Schließlich diskutierte das Team kulturelle und wirtschaftliche Unterschiede zwischen den Landesgesellschaften und etablierte schließlich ein gemeinsames Verständnis des Employer Brandings bei Melitta.
Analyse
Eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Positionierung als Arbeitgeber ist der Abgleich von tatsächlich vorhandenen Arbeitgebereigenschaften mit den Präferenzen der potenziellen neuen Mitarbeiter. Um Melitta als Arbeitgeber authentisch und erlebbar darzustellen, muss eine Betrachtung aus verschiedenen Blickwinkeln erfolgen, auch um dabei 0-Töne, Zitate, Beispiele und Anekdoten einzusammeln.
Um einerseits dem Projekt intern Sichtbarkeit zu verschaffen und andererseits vor allem die strategische Sicht des Managements abzubilden, startete die Analysephase mit einer Reihe von Interviews mit der Geschäftsführung. Mithilfe von Interviews mit Recruitern und Mitarbeitern aus den als erfolgskritisch definierten Zielgruppen und Ländern konnten die tatsächlichen Stärken und Schwächen als Arbeitgeber abgeleitet werden.
Als externe Perspektive integrierte das Team eine weltweite Bewerberbefragung in den Employer Branding-Prozess, um die Präferenzen bezogen auf den Wunscharbeitgeber, Medien- und Bewerbungspräferenzen sowie die aktuelle Außensicht von Melitta einfließen zu lassen. Am Ende der Analysephase standen schließlich Mitarbeiter-Fokusgruppen, mit denen die Ergebnisse der anderen Analyseschritte diskutiert und zu konkreten Aussagen und Priorisierungen im Sinne von „wichtigste Stärken – wichtigste Schwächen“ verdichtet wurden.
Konzeption
In Workshops glich ein verkleinertes Projektteam die in der Analysephase ermittelten Arbeitgebereigenschaften mit den Präferenzen der Zielgruppen ab. Zudem wurde analysiert, welche der Eigenschaften Besonderheiten von Melitta darstellen und welche Eigenschaften auch bei anderen Arbeitgebern zu finden sind. Aus diesem Abgleich der authentischen und im arbeitgeberseitigen Wettbewerb differenzierenden Stärken mit den Präferenzen der Zielgruppe wurde eine Employer Value Proposition (EVP) erarbeitet.
Die einzelnen Elemente der EVP zeigen die Arbeitgeberpositionierung von Melitta anhand verschiedener Dimensionen (siehe Abbildung 1). So betont beispielsweise der Aspekt „Gestaltungsraum und Sichtbarkeit“, dass Mitarbeiter bei Melitta durch die vorhandenen mittelständischen Strukturen bei gleichzeitig sehr prominenten Marken sichtbar werden können und auch spürbaren Einfluss auf die Geschäftsentwicklung haben. Alle vier Bereiche wurden zu einer zentralen Positionierung verdichtet. Der Kern der Kommunikation, der auch als Arbeitgeber-Claim in jeglicher Kommunikation verwendet wird: „Melitta. Das Mehr an Möglichkeiten.“ Der Claim verdeutlicht, dass Melitta eine überraschende Vielfalt an Produkten, Aufgaben, Marken und Einsatzbereichen bietet – eben weit mehr als Kaffee und Filter.
Abbildung 1
Der Arbeitgeber-Markenkern von Melitta

Über diese positive Positionierung hinaus übertrug das Team die Logik aus „authentischen Eigenschaften“ und „für die Zielgruppe relevant“ auch auf die Schwächen des Unternehmens als Arbeitgeber. Dadurch war sichergestellt, dass Melitta einerseits mit den vorhandenen Stärken (gleich Employer Value Proposition) in die Kommunikation gehen konnte – und damit zugleich den Rahmen definiert hatte, um kontinuierlich weiter an der eigenen Arbeitgeberattraktivität zu arbeiten.
Umsetzung und Kommunikation
Auf der Grundlage der EVP entwickelte der Agenturpartner weigertpirouzwolf schließlich ein Kreativkonzept. Die zentralen Darstellungen zeigen jeweils einen Vertreter der erfolgskritischen Zielgruppen in vier verschiedenen Situationen. Durch diese Vorgehensweise „vertont“ Melitta jeweils Elemente der EVP aus der jeweiligen Perspektive, sodass einerseits eine konsistente Positionierung möglich ist, andererseits aber auch die Zielgruppenunterschiede nicht zu kurz kommen, zum Beispiel zwischen Servicetechnikern und Marketingfachleuten (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2
Motiv aus der aktuellen Melitta-Kampagne

Das Thema „Melitta ist mehr“ erklingt dabei durchgängig als Grundton. In der Darstellung wird darauf geachtet, dass auch die „nicht sichtbaren“ Berufe (wie etwa Ingenieure oder Servicetechniker) gezeigt werden und die Marken der Melitta-Gruppe so präsent sind, dass potenziellen Bewerbern die Zuordnung gelingt (Melitta wird als übergeordnete Arbeitgebermarke sichtbar, in den Anzeigen ergänzt durch ein Markenband mit allen Marken aus dem Haus Melitta).
Um die Aktivierung der aktuellen Mitarbeiter sicherzustellen, legte Melitta großen Wert auf die interne Kommunikation der Kampagne. Die EVP und die Kampagne wurden in einer Kommunikationskaskade über die Unternehmensleitung und die Führungskräfte den Mitarbeitern erklärt. Weltweit stattete Melitta alle Mitarbeiter mit einem Buch aus, das neben der verständlich aufbereiteten EVP und den Kampagnenmotiven auch Raum für eigene Gedanken bietet. Ein Fotowettbewerb, in dem Mitarbeiter ihre Bilder vom „Mehr“ bei Melitta dokumentieren konnten und verschiedene Aktionen in den Kantinen und Eingangsbereichen der Standorte flankierten die Einführung (siehe Abbildung 3).
Abbildung 3
Employer Branding-Buch für Mitarbeiter

Mehr als nur Kommunikation
Mit der entwickelten Positionierung kann Melitta nach innen und außen authentisch, trennscharf und mit besonderem Blick für die erfolgskritischen Zielgruppen auftreten. Dadurch ist sichergestellt, dass Investitionen in die Employer Branding-Kommunikation zielgenau und ohne Streuverluste wirken. Aufgrund der Authentizität des Arbeitgeberversprechens stellt die Positionierung keine reine Kommunikationsmaßnahme dar, sondern bildet die tatsächlichen Eigenschaften des Arbeitgebers Melitta ab. Dies bewirkt, dass die aktuellen Mitarbeiter als Markenbotschafter auftreten – was wiederum den Effekt des Personalmarketings verstärkt.
Info Video zum Case
Dieser Fachbeitrag wird ergänzt durch ein Video zum Case. Suchen Sie bei YouTube nach „Melitta Case“ oder gehen Sie direkt auf: http://bit.ly/ebmelitta
Autoren
Dirk Marek, Leiter Personalpolitik, Melitta Zentralgesellschaft mbH & Co. KG, Minden/Westfalen,
dirk.marek@melitta.de
Michael Eger, Partner, Promerit Management Consulting AG, Frankfurt am Main,
michael.eger@promerit.com
Christian Laur, Geschäftsführender Gesellschafter, weigertpirouzwolf Werbeagentur GmbH, Hamburg,
c.laur@weigertpirouzwolf.de