Der Faktor Mensch entscheidet
Geld? Prestige? Macht? Weder noch: Der „Faktor Mensch“ entscheidet bei den Top-Talenten – aber was bedeutet das für die Unternehmen? Die Studie „DNA der Top-Talente“ entschlüsselt das Anreizsystem im Spitzensegment der Arbeitnehmer.
Der „War for Talents“ ist längst entbrannt. Hochqualifizierte Spitzenleute werden in allen Unternehmen händeringend gesucht, aber – wenn überhaupt – nur sehr mühsam gefunden. Sind potenzielle Kandidaten erst einmal entdeckt, heißt das noch lange nicht, dass sie sich auch für das Unternehmen entscheiden. Eine neue Studie zeigt, warum der „Faktor Mensch“ auch im digitalen Zeitalter noch immer das Entscheidungskriterium schlechthin für die Top-Talente ist und gibt Aufschluss, ob dies im Rekrutierungsalltag gebührend berücksichtigt wird.
Studie unter Top-Führungspersönlichkeiten
In Zusammenarbeit mit der TU München hat die Beratungsgesellschaft QX-Consulting eine exklusive Studie mit 600 ausgewählten Führungspersönlichkeiten erstellt. Die demografischen Eckdaten der Teilnehmer sprechen für sich: 73 Prozent der Befragten sind älter als 30 Jahre, haben durchschnittlich mehr als acht Jahre Berufserfahrung und tragen überwiegend (62 Prozent) Führungsverantwortung. Alle Befragten sind Akademiker. Mehr als die Hälfte bezieht ein Jahresgehalt jenseits von 100 000 Euro, elf Prozent verdienen sogar über 250 000 Euro pro Jahr – allesamt Indikatoren für eine hoch attraktive und vielumworbene Zielgruppe, die im Hinblick auf empirische Untersuchungen für gewöhnlich nur schwer zu erreichen ist. Umso aufschlussreicher sind die Antworten der Teilnehmer in Bezug auf die fünf abgefragten Themenfelder: „Idealer Arbeitgeber“, „Rekrutierung“, „Onboarding“, „Verbleib“ und „Weiterempfehlung“.
Der ideale Arbeitgeber
Top-Talente erwarten von einem idealen Arbeitgeber neben abwechslungsreichen, inhaltlichen Herausforderungen insbesondere inspirierende Kollegen und Führungskräfte. 85 Prozent des Spitzensegments der Arbeitnehmer halten ein vielseitiges Aufgabenspektrum für „besonders wichtig“ oder gar „ausschlaggebend“, womit dieser Aspekt zusammen mit der Anforderung an einen respektvollen Umgang mit Mitarbeitern den geteilten zweiten Rang belegt. Ganz oben auf der Liste der insgesamt 37 getesteten Merkmale steht mit 90 Prozent der „Faktor Mensch“ in Form von inspirierenden Kollegen und Führungspersönlichkeiten.
Abbildung
Erwartungen an den Arbeitgeber

Top-Talente erwarten von einem idealen Arbeitgeber ein menschliches, inspirierendes Arbeits-umfeld und vielseitige, inhaltliche Herausforderungen.
Die Unternehmensgröße allein eignet sich dabei nicht, um Top-Talente zu begeistern: Für mehr als zwei Drittel der Top-Talente ist sowohl das Kriterium „eher größeres Unternehmen“ (66 Prozent) als auch „eher kleineres Unternehmen“ (74 Prozent) „unwichtig“ beziehungsweise „weniger wichtig“ (Abbildung). Darüber hinaus ist es nicht entscheidend, ob man als Branchenführer in das Rennen um die Top-Talente geht (nur zehn Prozent erwarten dies von einem idealen Arbeitgeber), sondern vielmehr wie gut man in der Lage ist, den „Faktor Mensch“ überzeugend zu präsentieren.
Die „Internet-Fallen“
Fraglich scheint an dieser Stelle, ob der in jüngster Zeit boomende Einsatz im Bereich der Social Media im Kampf um die Top-Talente den entscheidenden Vorteil bringt. Immer mehr Unternehmen investieren in hoch professionelle Internetauftritte und stellen sicher, dass ihr Firmenlogo auch auf Facebook und ähnlichen Onlineplattformen möglichst häufig zu sehen ist. Allerdings zeigen die Ergebnisse der QX-Studie, dass sich speziell Top-Talente durch diese Art des Employer Brandings nur bedingt ansprechen lassen. Lediglich zwei Prozent der Befragten geben an, dass die Karriereinformationen eines Unternehmens in Social Media sie „stark“ oder gar „entscheidend“ bei der Wahl ihres Arbeitgebers beeinflusst haben. Die Kommunikation über Onlineportale wie Xing spielt mit vier Prozent ebenfalls keine große Rolle, womit diese beiden Aspekte die letzten Ränge in Bezug auf die Entscheidungsfaktoren der Top-Talente belegen.
Dies gilt interessanterweise für alle Alterskohorten des Samples, also auch für die High Potentials unter den Hochschulabsolventen und Berufseinsteigern, denen so häufig eine Affinität für diesen Rekrutierungskanal nachgesagt wird.
Als weitere „Internet-Falle“ stellt sich das immer beliebtere Online Tool heraus. Viele Firmen greifen auf die digitale Bewerbungsplattform zurück, ohne jedoch zwischen den Anforderungen der einzelnen Zielgruppen zu differenzieren. Jeder fünfte Teilnehmer der Studie (20 Prozent) würde sich nicht über ein standardisiertes Onlineportal auf eine Stelle bewerben, selbst wenn diese noch so interessant ist. Die Gründe dafür sind vielfältig. Besonders das Gefühl, sich in eine Form pressen zu lassen, missfällt den Befragten. Schließlich sind es die Besonderheiten neben den akademischen Leistungen, die ein Talent zu einem Top-Talent machen. Die Möglichkeit sich individuell darzustellen, um der Bewerbung eine persönliche und authentische Note zu geben, wird bei diesem Bewerbungskanal vermisst.
Gründe für die Jobwahl
Monetäre Anreize sind zwar relevant, unter Top-Talenten allerdings nicht ausschlaggebend für die Wahl des Arbeitgebers -wirklich entscheidend ist der „Faktor Mensch“. Fast jeder Zweite (49 Prozent) gibt die Qualität der Gesprächspartner im Interview als „ausschlaggebenden“ beziehungsweise „sehr wichtigen“ Faktor für die Annahme einer Jobofferte an. Mit 37 Prozent schon deutlich abgeschlagen, kommt der Lebenspartner, gefolgt von beruflichen Kontakten (33 Prozent) sowie Freunden und Familie (29 und 26 Prozent). Auf die offen gestellte Frage, warum ein bestimmter Rekrutierungsprozess den Befragten als besonders positiv in Erinnerung geblieben ist, lautet das relativ am häufigsten gegebene Wort: „Interviewpartner“.
Folglich sind Transparenz, schnelle Reaktionszeiten (Feedback) und ähnliche Optimierungen am Prozess zwar hilfreich, stellen aber eher Hygienefaktoren als zentrale Entscheidungsfaktoren der potenziellen Arbeitgeber dar. Dass dieses Kredo nicht nur für Berufseinsteiger gilt, bestätigt ein Mitglied der Geschäftsleitung im Finanzdienstleistungssektor: „Die Professionalität der Interviewer hat für mich den Ausschlag zur Annahme des Jobangebots gegeben“.
Entscheidungsfaktor Interviewpartner
Für Unternehmen bedeutet dies, „Role Models“, also die charismatischsten Persönlichkeiten mit beispielhaften Karrieren, für Interviews zu selektieren und zu schulen, um sich den Ruf eines attraktiven Arbeitgebers im Kreis der Top-Talente zu erarbeiten und auszubauen. Schließlich muss ein guter Interviewer nicht nur die Eignung des Kandidaten feststellen, sondern auch das Unternehmen authentisch repräsentieren und dabei insbesondere die so wichtigen inspirierenden Kollegen glaubwürdig versinnbildlichen.
Darüber hinaus hat jedes Interview eine immense Signalwirkung, weil sich negative aber auch durchaus positive Eindrücke im Kreis der gut vernetzten Top-Talente wie ein Lauffeuer herumsprechen. Demnach spielt es eine zentrale Rolle, welche Persönlichkeiten in Interviews oder Rekrutierungsevents das Unternehmen vertreten. Geeignete Mitarbeiter sollten idealerweise selbst vom eigenen Arbeitgeber überzeugt sein, um ihre Begeisterung glaubhaft weiterzugeben. In der Studie wurde deshalb untersucht, wie und wo solche Personen, sogenannte „Promotoren“, im Unternehmen ausfindig gemacht werden können. Insbesondere die Mitglieder der Geschäftsleitung (48 Prozent der Befragten lassen sich als Promotoren bezeichnen) sowie Professionals mit Führungsverantwortung (34 Prozent sind Promotoren) würden ihr Unternehmen uneingeschränkt weiterempfehlen. Ob aber gerade diese oft charismatischen und überzeugenden Mitarbeiter in den Rekrutierungsprozess eingebunden werden scheint fraglich, doch warum?
Unternehmen mangelt es an offenem Feedback
Viele Unternehmen sind sich der zentralen Rolle ihrer Interviewer oft schlichtweg nicht bewusst, denn aus nachvollziehbaren Gründen wird ihnen ehrliches Feedback zu der Qualität der Interviewer häufig vorenthalten. „Bei uns im QX-Netzwerk werden hingegen die wirklichen Gründe diskutiert. Die Mitglieder tauschen sich ungefiltert und unverblümt über die Impressionen während der Rekrutierungsprozesse aus“, beschreibt Thomas Fuchs, CEO und Gründer des Exzellenz-Netzwerks QX-Quarterly Crossing, die Atmosphäre im Netzwerk, welches sich im Laufe der vergangenen 17 Jahre von einem kleinen Kreis junger, talentierter Visionäre zu einem weltweit einzigartigen Zusammenschluss von Top-Talenten aus allen Bereichen der Gesellschaft entwickelte. Durch den ständigen Austausch ist ein tiefgreifendes Verständnis der Präferenzen von Top-Talenten gewachsen. In Kombination mit den Studienergebnissen wird diese Expertise genutzt, um Talent Management perspektivisch neu und modern zu gestalten. Vom spezifischen Blickwinkel der Talente ausgehend, werden neue Lösungen erarbeitet und damit auch die genannten Informationsdefizite der Unternehmen überwunden.
Unternehmerischer Drive
Ist die Akquise erfolgreich verlaufen, stellt sich für das Unternehmen die Frage, wie man die Talente zum einen integriert und zum anderen langfristig bindet. Auch hier hat die Studie nachgehakt und sowohl Onboarding-Prozesse als auch Bindungsmechanismen analysiert. Gerade die Top-Talente wollen beim Antritt eines neuen Jobs sofort produktiv loslegen und ihren Wertbeitrag leisten, wobei die rasche Bekanntmachung mit internen Ansprechpartnern (für 93 Prozent „sehr wichtig“ oder „wichtig“) sowie kontinuierliches Feedback (86 Prozent) die zentralen Anforderungen der Top-Talente an das neue Unternehmen darstellen.
Bezüglich der Loyalität zum Arbeitgeber zeigt die Studie, dass gerade für Top-Talente eine dauerhafte Möglichkeit zur vielseitigen, persönlichen Entfaltung gegeben sein muss, um nachhaltige Jobattraktivität zu gewährleisten – sei es im Start-up oder im DAX-Konzern. Nichtsdestotrotz bleibt diesem Aspekt auch hier nur Platz zwei, denn ganz oben stehen einmal mehr die inspirierenden Kollegen, die nicht nur bei der Erleichterung des Einstiegs sondern auch in Bezug auf den langfristigen Verbleib die entscheidende Rolle einnehmen.
Die Highlights der Studie stehen kostenlos zum Download zur Verfügung:
www.quarterly-crossing.de/qx-de/qx-consulting
Tipps für die Rekrutierung und Bindung von Top-Talenten: www.personalwirtschaft.de
Autoren
Gero Steinröder, Partner & Co-Founder, QX-Consulting, Frankfurt,
gero.steinroeder@quarterly-crossing.de
Christoph Döbrich, Doktorand, Lehrstuhl für Strategie und Organisation, Technische Universität München,
doebrich@tum.de
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