Die Suche nach dem Nachfolger: Risiko oder Chance?
Die geregelte Unternehmensübergabe ist ein Prozess: Ohne langfristigen Plan kann sie gerade im Mittelstand zum Problem werden – etwa wenn der Inhaber den zentralen Kundenkontakt hält und große Teile des Unternehmenswissens bündelt.
Die entscheidenden Punkte im Überblick.
Nach Hochrechnungen des Instituts für Mittelstandsforschung (ifm) in Bonn wappnen sich jährlich rund 22 000 Unternehmen in Deutschland für einen Übergabeprozess – von außen betrachtet ein selbstverständlicher und alltäglicher Vorgang. Doch eine Übergabe will gründlich vorbereitet und sauber umgesetzt sein, damit das Unternehmen auch zukünftig erfolgreich am Markt agieren kann. Gerade für den Mittelstand hat das Thema eine besondere Relevanz. Denn der Inhaber, Gesellschafter oder Geschäftsführer stellt oft die zentrale Figur des Unternehmens dar, kennt es bis ins kleinste Detail und hat es vielleicht sogar selbst aufgebaut. Mit dem Ausfall dieser Persönlichkeit kann es ohne „Notfallplan“ zu Unsicherheiten über den Fortbestand des Unternehmens bis hin zu fehlender Handlungsfähigkeit kommen.
Unternehmensrisiko „Nachfolge“
Das Thema „Nachfolge“ gehört daher auf die Risikocheckliste jedes Unternehmens. Doch gerade in Familienunternehmen kommt es vor, dass Inhaber oder Geschäftsführer nicht loslassen können. Oft stehen sie bis ins hohe Alter an der Spitze, designierte Nachfolger springen irgendwann entnervt ab. Hinzu kommt, dass Unternehmen an Zukunftsfähigkeit und Innovationskraft verlieren können, wenn sich sowohl auf der Gesellschafterseite als auch auf der Geschäftsführerseite keine Perspektiven für eine Nachfolge und frische, junge Ideen bieten. Vor allem Banken wollen die Nachfolge-Frage geklärt wissen: Wenn sie Kredite vergeben, müssen sie sichergehen, dass diese auch dauerhaft bedient werden können.
Dabei ist der zeitliche Aufwand, der hinter einer Nachfolgeregelung steckt, nicht zu unterschätzen: Der Prozess erfordert Zeit und Ruhe, denn er umfasst verschiedene Phasen, die sich oft über Jahre hinziehen können. Allein der vorbereitende Unternehmens-Check aus Käufersicht (siehe Abschnitt „Verkäufer-Due Diligence“) kann bis zu fünf Jahre beanspruchen. Ist ein passender Nachfolger gefunden, braucht es für die eigentliche Übertragung ungefähr ein weiteres Dreivierteljahr, in dem Fragen der Finanzierung geklärt und die steuerliche Planung und Optimierung sowie die Gestaltung der Verträge vorgenommen wird. Und auch nach dem Kauf sollte der abgebende Unternehmer noch ein bis zwei Jahre zur Verfügung stehen, um den Nachfolger richtig einzuführen.
Bei der Suche nach dem passenden Nachfolger fällt gerade in Familienunternehmen der erste Blick meist auf den Sohn oder die Tochter. Gibt es keine geeigneten, direkten Nachkommen, bieten sich möglicherweise andere Verwandte aus der Nachfolgegeneration an, etwa ein Neffe oder eine Nichte. Viele Unternehmer haben auch einen Fremdgeschäftsführer, der im Rahmen eines klassischen Management-Buy-outs das Unternehmen entweder komplett oder sukzessive übernehmen kann. Ist das nicht der Fall, kann man auch einen Blick auf die zweite Führungsebene werfen. Hier gilt es jedoch zu prüfen, ob bereits das nötige Know-how und die Erfahrung für einen Nachfolgeantritt vorliegen. Findet sich im Umfeld kein geeigneter Nachfolger, sollte man sich professioneller Hilfe bedienen. Ein Beratungsunternehmen unterstützt auf der Suche nach dem geeigneten Nachfolger.
Verkäufer-Due Diligence
Oft wird in diesem Zusammenhang eine Verkäufer-Due Diligence durchgeführt, die das Unternehmen aus dem Blickwinkel eines potenziellen Käufers betrachtet. Dabei werden werterhöhende sowie wertmindernde Faktoren ermittelt und durch entsprechende Maßnahmen das Unternehmen so attraktiv wie möglich gemacht. Je nach Situation gehört dazu beispielsweise ein neuer Außenauftritt, etwas Bilanzpolitik, indem das Eigenkapital erhöht wird, oder eine verstärkte Vertriebsmannschaft, die entsprechend mehr Umsatz generiert. Für den Käufer ist vor allem die zukünftige Ertragskraft des Unternehmens von Bedeutung. So kann man die Situation des Unternehmens natürlich kurzfristig durch Rationalisierungen und Kosteneinsparungen optimieren – relevanter ist es jedoch, Perspektiven für die Zukunft und eine gewisse Marktrelevanz zu schaffen, die den Erfolg langfristig sicherstellen. In diesem Zusammenhang zählen vor allem eine gute Strategie, die Besetzung neuer Märkte oder die Entwicklung neuer Produkte.
Wichtige Fragen klären
Vor dem Kauf oder der Übertragung sind verschiedene Fragen und Risiken abzuklären, die einen genauen Blick in das Unternehmen erfordern. So übernimmt ein Nachfolger mit einem Unternehmen beispielsweise oft auch Zusagen der betrieblichen Altersversorgung für Belegschaft und Geschäftsführer. Dabei sollte dringend geprüft werden, ob die Verpflichtungen der Firma den bereits finanzierten Leistungen auch entsprechen. Oft ist gerade das nicht der Fall, sodass es zum Zeitpunkt der Zahlungsverpflichtung zu Nachfinanzierungsbedarf oder sogar zu Liquiditätsengpässen kommt.
Ein wichtiges Thema für den Verkäufer ist auch die Kaufpreisabsicherung. Normalerweise wird ein Stichtag festgelegt, an dem das Unternehmen tatsächlich an den Nachfolger übergeht. Da die wenigsten Nachfolger den Kauf eines Unternehmens aus der Tasche bezahlen können, sollte vorher die Frage des Eigentumsvorbehalts geklärt werden. Das Unternehmen oder Anteile davon sollten tatsächlich erst übergehen, wenn der Kaufpreis gezahlt ist.
Herausforderungen auf dem Weg
Kompliziert wird es bei gestreckten Zahlungsvorgängen, etwa bei einer Kaufpreisanpassung im Rahmen von Earn-out-Klauseln, in denen die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens abgewartet und der Unternehmenswert daran angepasst wird. So kann der Kaufpreis im Nachhinein steigen, wenn innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens ein höherer Umsatz generiert wird – und bei weniger Umsatz auch fallen. Schwieriger wird es auch, wenn bei der Bewertung eines Unternehmensbestandteils, etwa einer Immobilie, Fragen offen bleiben und ein Gutachter hinzugezogen wird. In diesem Fall kann sich der vereinbarte Kaufpreis im Nachhinein entweder erhöhen oder reduzieren. Um den Kaufpreis mit Rückzahlungsanspruch oder Mehrwert rechtlich abzusichern, werden daher oft Bankbürgschaften verhandelt.
Ist die Nachfolge vertraglich geregelt und die Umsetzungsphase gestartet, gehört unter anderem der Erhalt der bestehenden Kundenbeziehungen zu den großen Herausforderungen jedes Nachfolgers. Gerade im Familienunternehmen hat der Inhaber die Kontakte meist jahrelang selbst aufgebaut und gehalten. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fühlen sich Stammkunden einem neuen Geschäftsführer womöglich weniger verpflichtet: Der Markt wird neu sondiert, eine langfristig etablierte Geschäftsbeziehung steht plötzlich zur Disposition, Kunden springen schneller ab oder wechseln zu günstigeren Anbietern.
Nachfolge als Chance
Wichtig ist, die Bindung und das Vertrauen des Kunden aufrechtzuerhalten. So kann der alte Inhaber den neuen persönlich vorstellen und so sein eigenes Vertrauen in den Neuen signalisieren. Generell ist es empfehlenswert, Abhängigkeiten von einzelnen Personen zu vermeiden und neben der Geschäftsführung immer auch Key Account Manager oder Kundenbetreuer als Ansprechpartner mit ins Boot zu holen.
So viele Mühen, Veränderungen und ungewohnte Situationen eine Unternehmensnachfolge mit sich bringt – sie bietet auf der anderen Seite immer auch die Möglichkeit, neue Strategien zu verfolgen, sich neu aufzustellen, Dinge besser zu machen und neu zu gestalten: im Sinne des Vorgängers, doch im Stile des Nachfolgers. Eine durchdachte und langfristige Nachfolgeregelung bietet allen Beteiligten daher auch eine handfeste Chance für eine erfolgreiche Zukunft.
Autoren
Christian Els, Geschäftsführer, SMR Strategische Management und Risikoberatungs GmbH, Hamburg,
c.els@smr-gmbh.de
Dr. Jens-Christian Posselt, Partner, Dierkes Partner – Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Hamburg,
jposselt@dierkes-partner.de
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