Ausgabe 9, Special Betriebliches Gesundheitsmanagement - 2015
Gesundheit messen und optimieren

Gesunde, leistungsfähige und motivierte Mitarbeiter sind entscheidende Faktoren für den Erfolg jeder Firma. Wer die Gesundheit seiner Belegschaft und damit die Leistungsfähigkeit des gesamten Unternehmens nachhaltig verbessern will, braucht arbeitsbezogene Gesundheitsdaten, die zuvor analysiert und anonymisiert erhoben werden sollten.
Gesundheit, Arbeitsbedingungen und Arbeitsumfeld hängen eng mit der Leistung im Beruf zusammen. Mitarbeiter, die mit ihren Arbeitsbedingungen und ihrem Arbeitsumfeld eher unzufrieden sind, zeigen weniger Motivation, werden schneller krank und gehen überdurchschnittlich häufig in Frührente. Umgekehrt leisten gesunde und zufriedene Mitarbeiter für ihr Unternehmen besonders viel. Diese Zusammenhänge kennt und erforscht seit mehr als 15 Jahren Professor Joachim E. Fischer, Direktor des Mannheimer Instituts für Public Health der Universität Heidelberg: „Jeder Mitarbeiter besitzt ein Potenzial, das Firmen gerne voll ausschöpfen wollen. Oft sind sie jedoch selbst schuld, wenn sie sein Potenzial verringern.“
Der Gründer sowie wissenschaftliche Berater der Firma HealthVision weiß aber auch, dass angesichts des demografischen Wandels und des zunehmenden Fachkräftemangels viele Firmen erkannt haben, dass es wichtig ist, Motivation und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter langfristig zu erhalten und deren Arbeitskraft an die Firma zu binden. „Der Wissens- und Erfahrungsverlust durch den frühzeitigen Ausstieg von Mitarbeitern, ungenutztes Arbeitspotenzial und natürlich auch krankheitsbedingte Arbeitsausfälle kosten die Unternehmen enorm viel Geld“, erklärt der Experte.
Gesundheit am Arbeitsplatz messen
Wenn eine Firma aktiv die Mitarbeitergesundheit fördern möchte, sollte sie zunächst wissen, wo es Bedarf und Defizite gibt und wie es um die „Unternehmensgesundheit“ im Vergleich zu Mitbewerbern beschaffen ist. Joachim E. Fischer hat in jahrelanger Forschungsarbeit ein Verfahren entwickelt, um die Gesundheit von Mitarbeitern zu messen. Im Anschluss werden diese Daten anonymisiert ausgewertet und aufgrund des Gesamtbildes können Unternehmen weitere Maßnahmen ergreifen. Kern der Methode ist der Gesundheits-Check für den Mitarbeiter, der diesen anschließend in einem ausführlichen Report über seinen Gesundheitszustand informiert. Die Teilnahme daran ist selbstverständlich freiwillig. Grundlage des Gesundheits-Checks ist ein Fragebogen, den die Mitarbeiter anonym ausfüllen. Dabei werden Parameter wie Arbeitsbedingungen, Belastungen aber auch Ressourcen abgefragt, die es möglich machen, auch eine eventuell bestehende psychische Gefährdung der Mitarbeiter zu erkennen. Sehr viel detailliertere Informationen zur Mitarbeitergesundheit in einer Firma bietet der ganzheitliche Gesundheitsbericht.
Ganzheitlicher Gesundheitsbericht
Auch hier findet eine Gesundheitsbefragung der Mitarbeiter per Fragebogen statt. Allerdings in sehr viel ausführlicherer Form. Teilnehmende Mitarbeiter erhalten hier ein Feedback über ihren Gesundheitsstatus in Form eines leicht verständlichen und grafisch ansprechend aufbereiteten Berichts. Bei der Analyse und Aufbereitung der Daten für den Unternehmens-Check hilft eine Lösung auf Basis der Datenbank FileMaker, die von Dr. Christopher Busch von der Firma TeamBusch in Hamburg entwickelt wurde. Im Ergebnis erhält der Arbeitgeber einen anschaulichen und optisch gut aufbereiteten Company-Report. In ihm ist deutlich zu sehen, in welchen Abteilungen die Mitarbeiter körperlich und psychisch gesund sowie zufrieden arbeiten, ebenso aber auch, in welchen Bereichen eher Nachholbedarf besteht.
Bereits mehrere große Unternehmen, darunter DAX- und EuroStoxx-Konzerne haben diesen Fragebogen bereits eingesetzt. Auf vorgegebenen Skalen können die Mitarbeiter hier die Höhe von Stress und Belastungen am Arbeitsplatz, aber auch von Wertschätzung und fachlicher Entfaltung bewerten sowie die Qualität der Zusammenarbeit mit Vorgesetzten und Kollegen beurteilen, so Fischer. Dazu kommen Fragen zur persönlichen Einschätzung der eigenen Gesundheit, zum Gesundheitsverhalten, zu persönlichen Belastungen und Ressourcen. Ergänzt wird diese ausführliche Fragebogenanalyse durch eine medizinische Untersuchung, die deutlich mehr Messwerte ermittelt als das bei normalen Vorsorgeuntersuchungen der Fall ist.
Abbildung
Auswertung der Daten

Beispiel eines Ausschnitts aus dem persönlichen Befundbericht für den Mitarbeiter.
Anonymisierte Daten für Arbeitgeber
Alle erhobenen Daten sowie optional auch bereits bestehende Daten über Fehlzeiten werden dann direkt an die FileMaker-Datenbank übertragen und anschließend online auf einem Server zusammengefasst, analysiert und nach weiteren Analyse- und Anonymisierungsschritten für die Unternehmen aufbereitet. Datenschutz hat hierbei höchste Priorität. Die Auswertungsergebnisse gibt es als anonymisierten Gesamtbericht für die ganze Firma, als anonymisierten Teilbericht für eine Abteilung und als persönlichen Befundbericht – ausschließlich für die Augen des jeweils teilnehmenden Mitarbeiters bestimmt. Zusätzlich wird eine anonyme Fachberatung per Telefon oder Internet angeboten.
Diese Fürsorge kommt nicht nur dem Mitarbeiter selbst zugute, sondern der Firma insgesamt, denn zum gesünderen Lebensstil und der Früherkennung von Krankheiten kommt auch der psychologische Effekt: Der Mitarbeiter spürt, dass die Firma sich aktiv um seine Gesundheit und damit um sein Wohl kümmert.
Best Practice
Die AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG, ein forschendes Biopharma-Unternehmen mit rund 2400 Mitarbeitern, setzt den Company-Report seit einiger Zeit ein. „Aus den Ergebnissen können wir valide Kennzahlen und Maßnahmen zur Weiterentwicklung unseres Betrieblichen Gesundheitsmanagements ableiten“, erklärt Dr. med. Andreas Erb, leitender Betriebsarzt bei AbbVie Deutschland. Das Unternehmen nutzt zum einen den Bericht mit einem Gesamtüberblick über die Mitarbeitergesundheit. „Zum anderen können wir durch Auswertung der einzelnen Abteilungsreports mögliche Ansatzpunkte für eine gezielte Förderung der Gesundheit identifizieren.“
Die Analyse selbst ist aber nur die halbe Miete. Das heißt im Klartext, eine Gesundheitsanalyse bringt dem Unternehmen nur etwas, wenn es nach der Analyse auch handelt.
AbbVie hat auf die systematische Analyse der Mitarbeitergesundheit mit gesundheitsfördernden Maßnahmen reagiert, die regelmäßig auf die Wirkung überprüft werden. „Dabei sind für uns die Einbindung der Mitarbeiter, die Nutzung eines validierten Messinstruments und der Datenschutz die drei wichtigsten Aspekte“, erklärt Andreas Erb. Bei AbbVie zeichnen sich bereits erste Erfolge ab. Das Unternehmen nutzt nicht nur im Turnus von zwei Jahren die Gesundheitsumfrage, es plant auch einen individuellen Gesundheits-Check anzubieten. Darüber hinaus ist geplant, das Instrument für eine – selbstverständlich freiwillige – Detailanalyse der psychischen Belastungen von Mitarbeitern zu nutzen.
Ohne Investition kein Gewinn
Wer einen Erfolg in Zahlen erreichen möchte, sollte auch bereit sein, dafür Geld in die Hand zu nehmen und konsequent systematisch aufeinander abgestimmte Maßnahmen einzuführen. „Mindestens 100 Euro pro Jahr und Mitarbeiter sind erforderlich, um einen positiven Effekt bei der Gesundheit der Mitarbeiter zu erzielen“, betont der Direktor des Mannheimer Instituts für Public Health der Universität Heidelberg. Das gelte auch für kleine Unternehmen, die sich ein systematisches Gesundheitsmanagement mit separat zuständigen Experten nicht leisten könnten.
Die Grundregeln guten Betrieblichen Gesundheitsmanagements kann jeder Arbeitgeber umsetzen. So gibt es auch bei HealthVision und am Mannheimer Institut für Public Health einen jährlich festen Etat für die Mitarbeiterentwicklung, und „eine Reserve dafür, wenn jemand rasche Hilfe braucht“, so Fischer. Im Ernstfall werde der Etat dafür eingesetzt, dass ein Mitarbeiter rasch bestmögliche professionelle Hilfe bekomme. „Das sind Investitionen in die Mitarbeitergesundheit, die sich nachweislich lohnen.“
Autorin
Anja Lang, Journalistin, essential media, München
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