Auf die Begründung kommt es an
Jüngere Menschen können durchaus nachvollziehen, dass sich die Rekrutierung durch den Einsatz von Algorithmen in vielerlei Hinsicht verbessern kann. Wenn man sie nach ihrer Akzeptanz mit Blick auf konkrete Einsatzgründe befragt, ändern sie ihre bisher kritische Position. Es lässt sich nun eine teils deutliche Präferenz für den Einsatz von Algorithmen feststellen – ob als alleiniges Instrument oder in Kombination mit menschlichen Entscheidungsträgern.
Insgesamt zeigt sich, dass Studierende Algorithmen zwar mit einer gewissen Grundskepsis gegenüberstehen, allerdings den Einsatz immer dann präferieren, wenn klare Anwendungskriterien vorliegen.
Was bedeuten die Ergebnisse für die Praxis?
Welche Schlüsse sollten Personaler und Recruiter daraus ziehen?
- Studierende begrüßen es, wenn Algorithmen helfen, die Rückmeldungsgeschwindigkeit zu steigern. Chatbots, aber auch automatisierte Mails sind demnach durchaus gewünscht. Sie können dabei helfen, den Status einer Bewerbung zu kommunizieren, standardisierte Fragen zu beantworten oder den Bewerbenden an die richtige Kontaktperson weiterzuleiten.
- Der akademische Nachwuchs traut Algorithmen ebenfalls zu, bei der Vermeidung von Fehlentscheidungen zu helfen. Das Fehlerpotenzial bei Menschen steigt insbesondere bei repetitiven Aufgaben. Dazu zählt zum Beispiel auch das Übertragen von Lebenslaufinformationen in das Bewerbermanagementsystem. Künstliche Intelligenz hat großes Potenzial, Entscheidungsträger bei diesen Aufgaben zu unterstützen und die Fehlerquote deutlich zu senken. Aber auch bei analytischen Tätigkeiten können Algorithmen sinnvoll sein, denn Personalverantwortliche können nicht umfassend über die Notengebung aller Hochschulen informiert sein. Hier helfen IT-gestützte Lösungen, Kontextinformationen beizusteuern und richtig einzuordnen.
- Auch beim Abbau von Diskriminierung erkennen die Befragten Potenziale. Dieser Aspekt wird im Personalwesen jedoch durchaus kontrovers diskutiert. Auch wenn in den letzten Jahren vermehrt am Abbau der Diskriminierung im Recruiting gearbeitet wird, handelt es sich nach wie vor um ein ernst zu nehmendes Problem. Allerdings zeigen Studien, dass sich Diskriminierung bei rein menschlichen Entscheidungen nicht wirklich ausschließen lässt. Und daraus resultieren, neben den indiskutablen ethischen und moralischen Aspekten, reale Kosten für Unternehmen. In der Theorie können Algorithmen Informationen grundsätzlich neutral bewerten und haben das Potenzial, Diskriminierung entgegenzuwirken. Aufgrund verzerrter Trainingsdaten kann es aber ebenso zu unbeabsichtigter Diskriminierung kommen. Daher sind eine fortlaufende Evaluierung und Kontrolle von Algorithmen angezeigt.
- Mit Blick auf die Transparenz spricht sich ebenfalls eine Mehrheit der Befragten für den Einsatz von Algorithmen aus beziehungsweise für eine Kombination von Menschen und Algorithmus. Dieser Anteil ist geringer als bei den anderen Anwendungskriterien. Eine Überraschung ist das nicht: Für viele Menschen sind derartige Technologien in ihrer Funktionsweise eher abstrakt und weniger greifbar. Im HR-Bereich sind die Anbieter in der Pflicht, ihre Tools genau zu erklären und offenzulegen, wie diese arbeiten und welche Daten warum benötigt werden. Denn theoretisch haben Algorithmen sogar das Potenzial, die Transparenz von Entscheidungen zu steigern, da sie auch noch Jahre später exakt reproduziert werden können.
Unterm Strich bleibt festzuhalten: Ein offener Dialog, ein transparenter und wissenschaftlicher Ansatz sowie Validierungsstudien sind essenzielle Bausteine für den erfolgreichen Einsatz von Algorithmen. Wenn konkrete Anwendungsziele definiert werden, präferieren Studierende Einstellungsprozesse, in denen Algorithmen zum Einsatz kommen. Und hier vor allem, wenn diese in Kombination mit menschlichen Entscheidungsträgern zum Einsatz kommen. Die Chance, reale Probleme wie Diskriminierung am Arbeitsmarkt zu lösen, sollte nicht links liegen gelassen werden. Wenn Forschung, Anbieter und Unternehmen eng zusammenarbeiten, könnten derartige Innovationen in vielerlei Hinsicht schon bald Früchte tragen.
Von:
Dr. Jan Bergerhoff,Research Fellow, Maastricht University, j.bergerhoff@maastrichtuniversity.nl
Julian Bonitz, Projektmanager, Forschungsprojekt FAIR, forschung@fair.nrw
Larissa Fuchs, Doktorandin der Volkswirtschaftslehre, Universität zu Köln, larissa.fuchs@wiso.uni-koeln.de
Dr. Philipp Seegers, Research Fellow, Maastricht University, Projektleiter Forschungsprojekt FAIR, Geschäftsführer Candidate Select GmbH, pks@candidate-select.com
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