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Bald weht ein anderer Wind

Unser Gast-Kommentator: Sven Gábor Jánszky / Foto: Andreas Lander
Unser Gast-Kommentator: Sven Gábor Jánszky / Foto: Andreas Lander

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum sich in unserer Welt die Mitarbeiter bei den Unternehmen bewerben und nicht die Unternehmen bei den Mitarbeitern? Schon die Frage kommt uns komisch vor, oder? Aber sie führt uns direkt in unsere Zukunft. Die Antwort ist simpel: Es sind die Gesetze des Marktes. In einem Angebotsmarkt bewirbt sich das Angebot bei den Nachfragern. Diese haben die Macht der Wahl und die Macht, die Regeln und Preise zu bestimmen. Mit dieser Logik der Massenarbeitslosigkeit sind wir alle aufgewachsen. Doch der deutsche Arbeits- markt des Jahres 2025 wird ein Nachfrage- markt sein. Es wird mehr angebotene Jobs als arbeitende Menschen geben. Diese haben die Macht, die Regeln und Preise zu bestimmen. Vollbeschäftigung!

Das Problem der deutschen Personaler ist: Sie sind perfekt ausgebildet für den Angebotsmarkt, aber nicht für den Nachfragemarkt.

Sie sind Business Partner und damit perfekte Experten für alle jene Methoden, die in einem Nachfragemarkt niemals gebraucht werden. Von den Methoden eines Nachfragemarktes verstehen sie leider viel weniger als ihre Kollegen in anderen Unternehmensteilen. Das ist der Grund, warum wir in zehn Jahren die heutigen HR-Abteilungen nicht mehr sehen werden.

Was in einer solchen Situation des Mangels an Spezialisten geschieht, kennen wir alle aus dem Profifußball. Es gibt keine Stellenprofile mehr, keine Bewerbungsverfahren und Assessment- Center. Denn die Unternehmen bewerben sich bei den Menschen. Personalberater werden zu persönlichen Managern ihrer Stars. Und Unternehmen bieten nicht nur ihren Mitarbeitern ein „Corporate Life“ mit allen Vergünstigungen, sondern auch deren Familien. Genau dies wird in den kommenden zehn Jahren in nahezu allen Branchen in Deutschland geschehen.

Zugegeben, das klingt nach Science-Fiction. Doch beginnen wir mit den Fakten: Der deutsche Arbeitsmarkt verliert in den kommenden zehn Jahren 6,5 Millionen Arbeitskräfte durch die Massenverrentung der Babyboomer. Dann haben wir dauerhaft eine nicht zu füllen- de Lücke an drei Millionen fehlenden Arbeitskräften: Wir werden erleben, dass bei ordentlich ausgebildeten Mitarbeitern jede Woche zweimal der Headhunter klingelt. Das ist für Mitarbeiter das Paradies. Sie bekommen mehr Macht und mehr Geld. Aber für Recruiter und Personaler droht eine Katastrophe. Wir Zukunftsforscher erwarten 40 Prozent an sogenannten Projektarbeitern. Diese sorgen für einen tiefgreifenden Wandel der Arbeitswelt, denn sie lassen sich nicht auf Lebenszeit anstellen, sondern nur für ein Projekt, also für maximal zwei bis drei Jahre. Danach wechseln die Projektarbeiter wieder.

Unternehmen werden sich dann für eine von zwei grundlegenden Strategien entscheiden müssen. Entweder werden sie zu einem „fluiden Unternehmen“ oder zu einer „Caring Company“. Fluide Unternehmen werden sehr professionell im Anziehen und Abstoßen von Projektarbeitern. Sie machen Personalchefs zu Chief Change Officers, verleihen Mitarbeiter an die Konkurrenz und stoßen ihre besten Mitarbeiter ab, nur um sie zwei Jahre später wieder anziehen zu können. Die Caring Companies dagegen werden Bindungen nicht zum Mitarbeiter, sondern in sein soziales Umfeld aufbauen. Sie gründen betriebseigene Schulen und Pflegedienste für die Eltern der Mitarbeiter, bieten Kultur, Sport, Freizeit und Urlaubsangebote. Sie werden zur Identität der Mitarbeiter, zum Corporate Life.

Klingt Ihnen das aus heutiger Sicht zu idealistisch, liebe Personaler? In Wahrheit ist es nüchternes Kalkül: Rechnen Sie einfach nur durch, was es kostet, 40 Prozent der Mitarbeiter alle drei Jahre in einem leergefegten Arbeitsmarkt neu anwerben zu müssen. Nehmen Sie nur die Hälfte dieses Geldes und beginnen Sie mit dem Aufbau Ihres Corporate Life!

Sven Gábor Jánszky ist Berater, Keynote Speaker und Chairman des Zukunftsinstituts „2b Ahead ThinkTank“. „Das Recruiting Dilemma“ ist sein neuestes Buch zur Ära der Vollbeschäftigung. Außerdem ist er Autor des Titels „2025 – So arbeiten wir in der Zukunft“.

Erschienen in Ausgabe 05/2017 der Personalwirtschaft (› hier bestellen und weitere spannende Inhalte genießen)