Aktuelle Ausgabe

Newsletter

Abonnieren

Der Kollege als Kunde

Guter Service ist nur realisierbar, wenn auch alle internen Dienstleister kundenorientiert arbeiten – zum Beispiel die Personalabteilung.

Unser Gastautor im Juni: Prof. Dr. Thomas Biermann / Foto: Privat
Unser Gastautor im Juni: Prof. Dr. Thomas Biermann / Foto: Privat

Der Ruf der Fluggesellschaft hat bös gelitten: Verspätungen, verlorenes Gepäck, unfreundliches Personal. Die Passagiere bleiben weg. Zwei auf Servicequalität spezialisierte Professoren sollen Abhilfe schaffen, der eine bin ich. 70 Führungskräfte lauschen beim Kick-off unseren Ausführungen. Alle Prozesse und Strukturen müssen auf die Erfüllung der Kundenerwartung ausgerichtet werden. Nur mit zufriedenen Kunden ist das Überleben zu sichern. Einige Zuhörer nicken, andere hingegen sitzen mit verschränkten Armen da – die glauben uns nicht. Ich frage einen der Nicker, was er im Unternehmen mache. Er leitet die Steuerabteilung. Auf unserer Seite sind außerdem der Finanzminister und Frau Dr. Höllenbügel-Schrebergarten, die Personalchefin. Als Skeptiker outen sich die Vor- gesetzten der Kabinenbesatzungen, der Bodendienste und der telefonischen Reservierung.

„Typisch”, ruft mein Partner – er ist gern etwas stürmisch. Manager mit direktem Kundenkontakt gucken bei diesen Projekten immer kritisch. Sprüche wie „Der Kunde ist König” haben sie oft genug gehört. Sie kennen die Schwierigkeiten, das im Alltag mit Leben zu füllen. Im Backoffice hingegen lässt sich leicht mehr Kundenorientierung fordern. „Ohne interne Kundenorientierung werden Sie nach außen nicht besser”, erklärt mein stürmischer Partner.

Behandeln Sie die Kollegen so, wie die Ihre Kunden behandeln sollen!

Jetzt nicken alle.

Kurz danach stoßen wir im Verwaltungsbau der Airline auf eine Glastür mit dem Schild „Personal”. Dahinter ein Großraumbüro. Menschen telefonieren, starren in Computer, blättern in Akten. Ein Zettel verspricht „Sprechstunde Mo, Di, Do – 10 bis 12 Uhr“. Wir klopfen, es ist Mittwochnachmittag. Von innen deutet einer auf das Schild. Wir klopfen fester. Der Mann zeigt uns einen Vogel. Wir klopfen weiter. Verärgert öffnet er die Tür. Zwei Herren mit Schnurrbart – die hält er für Flugkapitäne. „Können Sie nicht lesen?” „Doch, wir haben bloß einen Termin mit Frau Dr. Höllenbügel-Schrebergarten.”

„Interne Kunden – tolle Idee!” begrüßt uns die Personalchefin. Ja, aber die Sprechstundenzeiten? Sind bei einer Airline operative Kräfte nicht im Schichtdienst, Tag und Nacht? Das stimmt, gibt sie zu, sie höre deswegen oft Beschwerden von Mitarbeitern. Aber Kapazität für eine 24-Stunden-Betreuung hat sie halt nicht. Eine Mitarbeiterumfrage ergibt wenig später, dass sechs Stunden die Woche reichen, sofern sie verteilt morgens, nachmittags und abends angeboten würden. Dann kann auch der Mechaniker vor seiner Nachtschicht vorbeischauen.

Das Personalbüro ändert die Zeiten. Wir verkaufen das in der Mitarbeiterzeitung als Signal der internen Kundenorientierung. Der Erfolg des Projektes ist gesichert. Bald sind die Passagiere wieder glücklich und die Geschäftsergebnisse werden positiv. Der Großaktionär nutzt die Situation und verkauft seine Anteile profitabel an einen großen Konkurrenten. Dafür kann natürlich Frau Dr. Höllenbügel-Schrebergarten nichts.

Prof. Dr. Thomas Biermann lehrt Dienstleistungsmanagement an der Technischen Hochschule Wildau (bei Berlin) und berät Unternehmen zu Servicefragen. In seiner Freizeit schreibt er Gutenachtgeschichten für Manager
(› www.gutenachtmanager.de).

Erschienen in Ausgabe 06/2017 der Personalwirtschaft (› hier bestellen und weitere spannende Inhalte genießen)