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Auf die Balance der Mitarbeiter achten

Spitzenleistungen entstehen, wenn Anspannung und Entspannung im gesunden Verhältnis stehen. Hierfür hat HR in der Organisation eine wichtige Koordinationsfunktion. In der Arbeitswelt lassen sich zwei Entwicklungen beobachten: Ein Teil der Mitarbeiter hängt sich rein und arbeitet zu viel, bis zur Überforderung.

Portrait von Heike Henkel
Foto: Mira Hampel

Der andere Teil hat die Work-Life-Balance perfektioniert – meist steht dabei das „Life“ im Fokus, seltener das „Work“. So entsteht eine Gemengelage aus Überforderten und Unterbeschäftigten. Und dann ist da noch das Management – das allzu oft der Arbeitsverweigerung nicht entgegentritt und den arbeitenden Rest der Belegschaft mit immer neuen Vorgaben drangsaliert. Klar ist aber: Damit die Arbeit erledigt wird, brauchen wir diejenigen, die Lust auf Leistung haben – ohne selbstausbeuterische Tendenzen. Wir brauchen ein Arbeitsklima, das Leistungsbereitschaft fördert und fordert. Ein Klima, in dem der Einzelne bereit ist, sich auch mal über das normale Pensum hinaus einzubringen, und das ohne 24-Stunden-Erreichbarkeit oder elektronische Aktivitäts-Tracker.

Im Sport sorgt der Trainer dafür, dass die Rahmenbedingungen stimmen und vom Athleten genutzt werden. Der Athlet muss sie in sportliche Leistung umsetzen. In der Wirtschaft ist die Führungskraft der Trainer, der Mitarbeiter der Athlet. Und das Personalmanagement ist dafür verantwortlich, zwischen beiden eine gute – sprich: vertrauensvolle, produktive und kreative – Zusammenarbeit zu ermöglichen. Gern wird in Führungsetagen über Ziele oder Motivation fabuliert. Auch hier zeigt sich die Parallele zum Sport: Es hilft wenig, wenn der Trainer permanent zu mehr Disziplin und Motivation auffordert. Motivation und Ziele lassen sich nicht verschreiben, sie müssen gemeinsam erarbeitet werden.

Motivation zu wecken, ist schwer. Doch was für einen guten Trainer gilt, gilt umso mehr für die Führungskraft. Aufgabe der Führungskräfte ist es, zuversichtlich voranzugehen und Perspektiven aufzuzeigen, selbst wenn der Leistungsdruck hoch ist. In solchen Phasen sind kurze, knappe und konkrete Ansagen das Mittel der Wahl. So hat es mein Trainer auch immer gehalten. Und als kleine extrinsische Motivation darf auch mal gelobt werden – für das, was schon geschafft wurde.

Die Kunst besteht darin, sich in der Gefühlswelt der Mitarbeiter auszukennen. Das wiederum setzt Interesse an Menschen voraus. Und Empathie. Denn nur das Interesse an den Mitarbeitern und eine gesunde Wertschätzung wecken Kooperationsbereitschaft und bringen mehr als jede Motivationsveranstaltung. In Zeiten von Digitalisierung, Kennzahlen und Reports ist das persönliche Gespräch zur Randnotiz verkommen.

Menschen sind wie Menschen zu behandeln, nicht wie Objekte. Nur dann werden Mitarbeiter selbstmotiviert gerne Leistung erbringen – ohne sich und ihr Privatleben aus den Augen zu verlieren. Da ist der Mitarbeiter gleichermaßen in der Verantwortung wie das Unternehmen und die direkte Führungskraft. Diesen Aspekten schenkt man im Berufsleben viel zu wenig Aufmerksamkeit. Meist reagieren die Firmen erst, wenn der Krankenstand steigt, die arbeitenden Mitarbeiter dem Unternehmen den Rücken kehren oder die Leistung abfällt. Doch dann ist es zu spät.

Meine Erfahrungen aus fast 20 Jahren Hochleistungssport haben mich zu der Überzeugung gebracht, dass es keine unrealistische Vorstellung ist, Topleistung zu erbringen und zugleich auf Regeneration und Entspannung zu achten. Leistungsdruck ist nur eine Ausrede! Wichtig ist, dass man nicht in das eine Extrem (nur Work) oder in das andere (nur Life) verfällt. HR hat hier eine wesentliche organisationale Steuerungsfunktion, um die Balance zu gewährleisten. Denn aus dem Sport wissen wir, dass sich Spitzenleistungen nur aus Phasen der Anspannung und Entspannung entwickeln. Und das gilt in allen Lebensbereichen: Nur wo Menschen genug Freiraum bekommen, sich ausreichend zu regenerieren, kann Energie für neue Aufgaben bereitstehen.

Zur Person: Heike Henkel, Hochsprung-Olympiasiegerin von 1992, war ein Jahrzehnt lang eine der Top- Leichtathletinnen der Welt. Als Mentaltrainerin gibt sie heute ihre Erfahrung aus dem Sport weiter. Im Mai ist ihr Buch „Entfessle dich“ (mit Anke Precht) erschienen.

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