Gute Nachrichten für HR-Macher: Human Resources wird in Zukunft in sehr vielen Unternehmen die Abteilung mit dem einflussreichsten Aufgabenspektrum sein. Wer etwas bewegen will, ist in HR richtig. Eine Prognose in fünf Punkten.
Warum gewinnen Abteilungen innerhalb von Organisationen an Einfluss? Darauf geben verschiedene Theorien Antworten. Eine davon ist die der Netzwerkzentralität: Man gewinnt umso mehr Bedeutsamkeit, je mehr man mit anderen Personen oder Abteilungen vernetzt ist. Insbesondere, wenn man als Information Hub, als Knotenpunkt agiert. Dies dürfte für viele HR-Abteilungen bereits heute gelten. In Zukunft wird HR durch weitere Herausforderungen an Einfluss gewinnen:
1. Recruiting-Herausforderungen
Laut einer Theorie bündelt sich Einfluss insbesondere an kritischen Engpassfunktionen, also dort, wo überlebenskritische Aufgaben für das Gesamtsystem erbracht werden. Weil Zugang zu Kapital und Risikomanagement entscheidende Engpässe sind, kommt den Finanzbereichen seit vielen Jahren eine hohe Bedeutung zu. Dies erkennt man daran, dass in großer Zahl CFOs zu CEOs berufen wurden. Und genau aus diesem Grund wird die strategische Relevanz der Personalarbeit in den kommenden Jahrzehnten massiv zunehmen. Denn wenn ein Gut in den nächsten Jahren knapp sein wird, dann sind es hervorragend ausgebildete, auf die Herausforderungen einer digitalisierten und globalisierten Arbeitswelt vorbereitete Mitarbeiter. Zwar wird die Bevölkerung in Deutschland nach neueren Studien nicht so stark zurückgehen wie noch vor einigen Jahren angenommen. Doch klar ist: Unternehmen, die dauerhaft den Zugang zu erstklassigem Personal verlieren, werden auf absehbare Zeit vom Markt verschwinden. In Ländern mit stagnierender und alternder Bevölkerungsentwicklung werden daher Employer Branding, Recruiting und Onboarding zu strategischen Aufgaben von höchster Priorität. Ich prophezeie, dass in Zukunft viel mehr CEOs einen Teil ihres Berufslebens in HR-Funktionen verbracht haben werden. Erste Zeichen hierfür sind sichtbar: So hat etwa Harald Krüger, CEO von BMW, zuvor einige Jahre das Vorstandsressort für Personal geführt.
2. Antworten auf VUCA
Eine ebenso große Bedeutung kommt den Themen Personalentwicklung und Begleitung von kulturellem Wandel zu. Wir alle erleben derzeit eine Welt, die zunehmend VUCA wird: In bislang ungekannter Geschwindigkeit machen neue Technologien und Geschäftsmodelle althergebrachte Konzepte überflüssig. Neue Fragen stehen im Raum: Wie sollten wir lernen, wenn das Gelernte im Moment des Lernens bereits veraltet ist? Welche Kompetenzen sollten wir kultivieren, wenn zunehmend unklarer wird, welche Handlungsweisen in Zukunft zum Erfolg führen? Wie sollten wir führen, wenn Planung und Kontrolle weitgehend obsolet werden, weil sich Rahmenbedingungen so schnell und regelmäßig ändern, dass herkömmliche Steuerungskonzepte ihre Validität einbüßen? HR wird die Abteilung sein, die entscheidende Antworten findet, um das Überleben der Organisation zu sichern.
3. Ethik und Verantwortung
Obwohl die Welt zunehmend undurchschaubar wird, wird sie gleichzeitig transparenter. Vorgänge, die der Öffentlichkeit früher verborgen blieben, werden heute publik, dank Plattformen wie Twitter und Youtube oft in Echtzeit. Transparentes und faires Handeln wird deshalb für Unternehmen immer wichtiger; Aufgabenbereiche wie Corporate Social Responsibility und Ethics & Compliance gewinnen spürbar an Bedeutung. Auch bei diesen Aufgabenfeldern ist HR zumeist stark eingebunden.
4. Von „Feel Good“ zu „Feel Meaning“
Hinzu kommt eine Funktion, die heute noch exotisch anmuten mag: der „Chief Well-Being Officer”. Wenn man sich die steigenden Fehlzeiten aufgrund von Burn-out und ähnlichen psychischen Erkrankungen anschaut und gleichzeitig berücksichtigt, dass sich die Anforderungen an Mitarbeiter weiter erhöhen, wird klar, dass dieses Aufgabenfeld in Zukunft eine zentrale Position innerhalb HR einnehmen wird. Als Personaler sind wir zunehmend dafür verantwortlich, Rahmenbedingungen zu schaffen, welche die Mitarbeiter dauerhaft motiviert und gesund erhalten. Dies schließt explizit die Mitgestaltung einer achtsamen und mitarbeiterzentrierten Führungskultur mit ein. Gerade für junge Kollegen liegt hier eine große Chance zur Spezialisierung. Bewusst habe ich den Begriff „Well-Being” gewählt, der nach meinem Verständnis weit über „Feel Good” hinausgeht. Denn Massagen und Pizza-Abende generieren keinen Wettbewerbsvorteil. Ein glasklarer Sinn-Horizont, der sich aus der Zugehörigkeit zum Unternehmenssystem ergibt, allerdings schon. Die proaktive Unterstützung des Sinn-Erlebens der Mitarbeiter wird eine der Hauptaufgaben von HR sein.
5. Vom Business Partner zum Core Business
All die zuvor genannten Aufgabenfelder sind spannend und wichtig – und werden in naher Zukunft noch spannender und wichtiger werden. Viele HRler streben danach, strategischer Business Partner zu werden. Man möchte mitspielen bei den Großen, auf Augenhöhe mit der Geschäftsleitung gesehen und als strategisch wichtig erachtet werden. Vielerorts ist allerdings genau das Gegenteil der Fall: HR wird als Hilfsfunktion wahrgenommen, nicht als „Macher” im positiven Sinne, son- dern als Abteilung „Mach mal”. Die wirklich wegweisenden Entscheidungen werden dann anderswo getroffen. Diese unvorteilhafte Wahrnehmung ist hausgemacht. Es mangelt an Selbstbewusstsein im Außenauftritt, an Change-Kompetenz, Analytik, am Willen und der Fähigkeit zur Vermarktung der eigenen Produkte und zunehmend an digitalen Skills. Doch genau diese Skills braucht ein erstklassiger Personaler in Zukunft! Berufseinsteiger – und die Professoren, bei denen sie gelernt haben – müssen erkennen, dass es letztlich diese Fähigkeiten sind, die die Bedeutung der HR-Arbeit treiben werden.
Die gute Nachricht für alle HRler: Die Zeit ist auf unserer Seite. Unternehmen, die Human Resources in Zukunft nicht als Core Business verstehen, werden langfristig das Nachsehen haben. HR – there’s no place I’d rather be!
Autor: Dr. Nico Rose, Vice President Employer Branding & Talent Acquisition, Bertelsmann, Gütersloh, nico.rose@bertelsmann.de
Dieser Beitrag stammt aus der Personalwirtschaft 11/2017