Personalwirtschaft: Frau Eller, in Ihrer Eröffnungsrede zum Kongress haben Sie betont, dass Sie im Kanzleramt und in den Ministerien fleißig für den BPM und seine Ziele werben. Wie wichtig ist Ihnen die Nähe zur Politik für die Positionierung des BPM?
Elke Eller: Sehr wichtig. Wir haben uns im BPM-Präsidium für unsere zweijährige Amtszeit vier strategische Fokusbereiche vorgenommen. Und der erste dieser vier Bereiche ist die politische Interessenvertretung. Wir wollen Sprachrohr der HR-Branche in der Öffentlichkeit sein, die Themen und Nöte der Betriebe aus einer spezifischen HR-Perspektive an die Politik herantragen – nicht nur die der großen, sondern auch die der KMU, deren Personaler bei uns Mitglied sind. Wir stoßen da auf offene Ohren. Für die Politik ist es ja auch wichtig, zu erfahren, wie sich gewisse Konzepte in der Praxis erweisen – nehmen wir mal als Beispiel das Entgelttransparenzgesetz. Da können wir aus dem Verband gute Rückmeldungen geben: Deckt das eigentlich die Bedürfnisse in den Unternehmen ab?
Nun haben Sie Familienministerin Giffey als – durchaus unterhaltsame – Rednerin eingeladen, nicht aber den Arbeitsminister. Ist das als Statement zu verstehen, dass Ihnen als Präsidentin Themen wie Frauenförderung oder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gerade besonders wichtig sind?
Nein, wir arbeiten mit beiden Ministerien gut zusammen. New Work, Frauen in Führungspositionen, die Zukunft der Mitbestimmung, das sind Themen, deren Rahmenbedingungen längst nicht mehr nur von einem Ministerium geschaffen werden. Als Verband sprechen wir mit allen, die für unsere Themen relevant sind.
Mit dem Familienministerium arbeiten Sie gerade, das haben Sie in Ihrer Eröffnungsrede angedeutet, an einem „Fortschrittsindex Vereinbarkeit“. Worum geht es dabei genau?
Wir hatten kürzlich einen Workshop mit dem Familienministerium, in dem es um genau die eben angedeutete Praxisverprobung von Politik geht. Immer mehr Unternehmen kümmern sich um Vereinbarkeit, haben Diversity-Manager oder eine Betriebskita – aber die Karrieren der weiblichen Mitarbeiterinnen stoßen trotzdem noch zu oft an gläserne Decken. Eine Quote von 30 Prozent Frauen in Aufsichtsräten nützt ja nichts, wenn die Frauen im operativen Alltag nicht weiterkommen. Wir müssen Frauen so entwickeln, dass sie in die Führungsebene wachsen. Die Instrumente müssen durchgängig sein. Mit dem Index wollen wir gemeinsam mit dem Ministerium und dem DIHK die Summe der Maßnahmen abbilden, die nötig sind, um weibliche Karrieren zu ermöglichen.
Sie haben in Ihrer Rede auch gesagt: Das Thema Digitalisierung schlägt jetzt richtig durch und kommt in der Wirklichkeit der Unternehmen an. Woran merken Sie das konkret? Wie erleben Sie das bei Ihnen im Verband?
In Deutschland reden wir zwar über die Digitalisierung, aber wir fangen nicht wirklich an, uns anzupassen. In meiner hauptamtlichen Funktion als Personalvorständin der Tui stehe ich in regelmäßigem Kontakt mit den Teams in Europa und weltweit. Da stelle ich fest, dass beispielsweise die skandinavischen Länder sowohl gesellschaftlich als auch auf der betrieblichen Ebene in Sachen Digitalisierung weiter sind als wir in Deutschland. Dort gibt es schon seit geraumer Zeit Arztbesuche via Skype, und die Amtsgänge laufen alle online ab, während man hierzulande bei der Anmeldung eines Unternehmens Wochen Vorlauf hat und Unmengen an Papier auszufüllen sind. Eine verbandsinterne Befragung hat letztes Jahr ergeben, dass mehr als drei Viertel der Unternehmen zwar eine Veränderung ihres Geschäftsmodells erwarten, aber nicht wissen, was die Digitalisierung für sie und für ihre Mitarbeiter bedeuten wird. Diese Verunsicherung spürt man gerade überall – auf organisationaler Ebene, auf der individuellen Ebene und auf der Sinnebene.
Bei der Podiumsdiskussion zum Thema „Neues Arbeiten“ hat der Start-up-Experte Ansgar Oberholz geschätzt, weniger als zehn Prozent der Unternehmen seien aktuell in der Lage, New Work, Freiheit und Eigenverantwortung zu ermöglichen. Können Sie diesen Eindruck bestätigen?
Das ist insbesondere für das Management eine Herausforderung. Es muss in der Lage sein, die Stärken des eigenen Unternehmens klar zu definieren und das Thema Digitalisierung zu vermitteln. Auf der Buzzword-Ebene wird zu viel geredet, und das verwirrt viele Mitarbeiter verständlicherweise. Stattdessen sollte die Unternehmensführung viel anschaulicher werden und ganz konkrete Fragen beantworten: Was macht man mit dem Mitarbeiter, dem man eine Gehaltserhöhung bietet, der aber lieber einen Tag pro Woche frei hätte? Wie gehen wir mit der Führungskraft um, die fortan in Teilzeit arbeiten will? Es ist Zeit, tradierte Konzepte über Bord zu werfen. Die Präsenzkultur zum Beispiel ist passé. Was zählt, sind die Ergebnisse.
„Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen – ich will gerne mit denen zusammenarbeiten, die Windmühlen bauen“, hat Ministerin Giffey bei ihrer Rede gesagt. Nachvollziehbare Haltung aus Sicht einer Führungskraft – HR ist allerdings dafür zuständig, alle Mitarbeiter mitzunehmen.
Ja, und die einen bewegen sich – so hat es die Psychologin Carol Dweck herausgearbeitet – eben im „Growth Mindset“, die anderen im „Fixed Mindset“. Die einen suchen Herausforderungen und entwickeln sich dadurch weiter, die anderen erleben Veränderungen als Probleme. In HR ist die Realität, mit beiden Gruppen zu arbeiten. Es existiert keine Alternative. Wir müssen diejenigen stärken, die neugierig sind und Neues wagen wollen. Und gleichzeitig dürfen wir jene nicht überfordern, die vielleicht eher skeptisch sind.
Sie fordern einen Bewusstseinswandel in der Führungskultur, aber auch in HR selbst. Bekommen Sie dafür im Verband Applaus? Wie erneuerungsbereit erleben Sie Ihre Verbandsmitglieder?
Wir reden hier über langfristige Verhaltensänderungen, und die erreichen Sie nicht mit Powerpoint-Folien. Allerdings habe ich in den drei Jahren meiner Tätigkeit als BPM-Präsidentin durchaus den Eindruck, dass sich die Einstellung in der Branche ändert. Es gab eine Phase der Selbstreflexion, aber aus dieser Suchbewegung ist man jetzt raus. Ich habe das Gefühl, das Schiff ist aus dem Hafen. Man versteht, dass die klassische HR-Verwaltung immer weiter digitalisiert und automatisiert wird und dadurch Kapazitäten für andere Verantwortungsbereiche frei werden. So schafft man Personalarbeit auf einem qualitativ hochwertigeren Niveau.
Die Zukunft der HR-Arbeit ist technischer als bisher, datenbasierter, orientiert sich am Nutzer – als Personaler wird man die richtigen Tools einsetzen müssen und zugleich Persönlichkeit, Leidenschaft und Menschlichkeit in die HR-Arbeit bringen. Kein ganz einfacher Spagat.
Das eine geht nicht ohne das andere. Auch das bringt die Digitalisierung mit sich. Denn mittlerweile bestimmt ja der Kunde mit seinen Wünschen und Ansprüchen die Produktion, nicht umgekehrt. Der Prozess hat sich komplett zugunsten des Kunden gedreht. Damit steigt der Anspruch der Menschen. Man ist gewohnt, dass die Vorgänge viel schneller gehen als noch vor zehn Jahren und dass man individuell angesprochen wird. So entsteht auch die Erwartungshaltung, dass die Personalarbeit individuell auf den Einzelnen zugeschnitten wird.
Sie haben beim Kongress auch mit DGB-Chef Reiner Hoffmann diskutiert. Empfinden Sie die Gewerkschaften als Bremser oder Unterstützer digitaler Transformation?
Ich kenne durch meinen beruflichen Werdegang beide Seiten sehr gut. Aus meiner Sicht konzentrieren sich die Gewerkschaften aktuell sehr auf die Themen Crowdworking und Arbeit in der Cloud. Mir wäre noch lieber, wenn wir das Thema in der gesamten Breite diskutierten. Die Industriegewerkschaften kommen aus ihrem industriellen Denken, da ist der Crowdworker der nächste Schutzbedürftige. Aber wie gestalten wir denn diese New-Work-Welt? Bei der Tui haben wir heute einen Konzernbetriebsratsvorsitzenden, der in den 1980er Jahren gegen die Einführung der Computer gekämpft hat. Er sagt heute dazu, dass sie damals als zweiter Sieger vom Platz gegangen sind. Ihm war deshalb wichtig, dass der Konzernbetriebsrat mit dem Unternehmen an der Gestaltung von New Work bei Tui mitarbeitet. Und das tun wir jetzt auch.
Unser Eindruck in der Redaktion ist, dass immer mehr Unternehmen ihre Betriebsräte frühzeitiger und umfassender einbinden. Können Sie das bestätigen?
Ja, und es ist auch ein logischer Schritt. Die revolutionäre Kraft der Digitalisierung liegt in der Vernetzung. Früher lief alles sequenziell, nacheinander. Heute läuft es vernetzt und komplex. Der Austausch zwischen Betriebsrat und HR spielt eine viel größere Rolle, daher muss hierfür auch mehr Zeit eingeplant werden. Im Verband haben wir Unternehmen, die sich beispielsweise eine komplette Woche Zeit nehmen, in der sie auf Basis agiler Arbeitsmethoden konzentriert neue Mechanismen der Transformation erarbeiten und so zügig zu Ergebnissen kommen. Wir wollen das bei der Tui künftig auch so handhaben. So ver- hindert man auch, dass sich die Belegschaft übergangen fühlt. Früher hat das Business etwas entschieden, HR hat es umgesetzt – und am Schluss wurde noch der Betriebsrat informiert. Das funktioniert nicht mehr.
Wie ist aus Ihrer Sicht das Verhältnis zwischen den beiden großen HR-Verbänden BPM und DGFP? Hat sich daran etwas geändert, seitdem Ariane Reinhart DGFP-Präsidentin ist? Immerhin kennen Sie sich lang, haben beide eine VW-Vergangenheit.
Ariane Reinhart und ich haben ein gutes Verhältnis zueinander, waren zu unterschiedlichen Zeiten als Personalvorstände in verschiedenen Sparten des Unternehmens tätig. Beide haben wir unsere eigenen Erfahrungen gemacht und unseren jeweils eigenen Stil. Mein Eindruck ist, dass unsere Gedanken zur Rolle der HRFunktion oder unserer Verbände oft nicht weit auseinander liegen. Wir arbeiten natürlich in den Verbänden oft an ähnlichen Themen, ob es nun um eine Frauenquote in Führungspositionen geht, um Arbeit, die zum Leben passt, oder darum, Unternehmen attraktiv für junge Menschen zu gestalten.Bei der Umsetzung unterscheiden sich die beiden Verbände jedoch voneinander. Der BPM hat Strukturen, die direkt am Personaler ansetzen. Das ist zwar ein Modernitätsaspekt, aber kein Garant für die Zukunft. Deswegen versuchen wir uns auch immer wieder neu zu definieren und unsere Modernität unter Beweis zu stellen.
Zwei moderne HR-Verbände mit zwei modernen Frauen an der Spitze – allerdings stagnieren bei den Verbänden aktuell die Mitgliederzahlen. Werden wir es erleben, dass die HR-Zunft bald mit einer Stimme spricht, insbesondere bei den Themen, die im politischen Berlin adressiert werden?
Ich finde, dass diese beiden Verbände durchaus ihre Berechtigung haben – der eine repräsentiert Individuen, der andere Unternehmen. In der DGFP sind traditionell stärker große Unternehmen repräsentiert, bei uns auch viele kleine und mittelständische. Weder deren Personalbereiche noch deren Betriebsräte kann man über einen Kamm scheren. HR ist in der Mitte der betrieblichen Realität, und die Verbände bilden das ab. Es gibt durchaus Mitglieder, die mit ihrem Unternehmen in dem einen und als Individuum in dem anderen Verband Mitglied sind. Ariane Reinhart und ich sind in gutem Austausch, und ich habe den Eindruck, dass wir beide durchaus in der Lage sind, unserem jeweiligen Verband in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen.
Zur Person: |
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Dr. Elke Eller ist seit Oktober 2015 Vorstand für das Ressort Personal und Arbeitsdirektorin der Tui Group. Zuvor war sie unter anderem Personalvorstand der Volkswagen-Geschäftssparte Nutzfahrzeuge und der Volkswagen Financial Services AG. seit sommer 2015 ist sie Präsidentin des Bundesverbands der Personalmanager (BPM). |
Dieses Interview ist in Ausgabe 08/2018 erschienen. Sie können die gesamte Ausgabe › hier bestellen.