Schöne neue Arbeitswelt: Immer mehr Menschen arbeiten mobil, der modernen Technik sei Dank. Doch viele der neuen Jobnomaden laufen Gefahr, vor lauter Erreichbarkeit krank zu werden, meint Sven Frost.
Ob Pad, Smartphone oder Laptop, unsere Kommunikation und unser Leben werden immer mobiler – und damit auch die Art und Weise, wie, wann und wo wir arbeiten. Dabei ist die Frage der Mobilität schon längst keine rein technische mehr, sondern eine menschliche: Wie wollen beziehungsweise sollen wir im 21. Jahrhundert arbeiten?
Viele Jahre wurde in Unternehmen eine Kultur gelebt, in der die Anwesenheit der Mitarbeiter mehr Bedeutung hatte als die eigentliche Arbeitsleistung. Heute hingegen glauben zwei Drittel (63 Prozent) der Arbeitnehmer nicht mehr, dass sie für ihre Arbeit unbedingt zu festen Zeiten an ihrem Schreibtisch im Unternehmen sitzen müssen, ist das Ergebnis der Studie „Global Candidate Preferences” des Personaldienstleisters Manpower.
Für Arbeitgeber bietet das „Nomadentum” ihrer Mitarbeiter viele Vor- teile: Ständige Verfügbarkeit, Flexibilität sowie örtliche Unabhängigkeit sind die zentralen Argumente, die für Arbeiten 4.0 alias mobiles Arbeiten sprechen. Zudem auch die Überwachung der Leistungen der Mitarbeiter dank moderner Technik kein Problem mehr ist (lediglich begrenzt von den rechtlichen Rahmenbedingungen). Im extremsten Fall sparen die Unternehmen sogar bei den Büros und Räumlichkeiten. Nicht umsonst steht ortsunabhängiges Arbeiten bei deutschen Topmanagern hoch im Kurs.
Doch was für Unternehmen überwiegend Vorteile hat, bedeutet für Arbeitnehmer einige Schattenseiten: Natürlich profitieren sie scheinbar auch von der räumlichen und zeitlichen Flexibilität, die die mobile Technik mit sich bringt. Nicht umsonst beurteilen rund 90 Prozent aller Arbeitnehmer mobiles Arbeiten als positiv, versprechen sie sich davon doch die Möglichkeit, Beruf und Privatleben besser zu vereinbaren. Stressfreier wird das Arbeitsleben für sie dadurch jedoch nicht, im Gegenteil. Entgrenztes Arbeiten kann krank machen.
Nicht nur die Menge an Informationen und die Komplexität der Arbeit nehmen nämlich zu, sondern auch die ständige Erreichbarkeit, Mobilität und ablenkende Störfaktoren. Beschäftigte benötigten künftig „eine noch höhere Stresstoleranz”, heißt es in einer Studie der Techniker Krankenkasse (TK) und des Instituts für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG).
Unternehmen sollten sich daher gut überlegen, wie mobil ihre Mitarbeiter sein sollten. Wer Raubbau mit seiner wichtigsten Ressource, dem Personal, betreibt, muss sich nicht wundern, wenn dieses am Ende auf der Strecke bleibt. HRler stehen hier besonders in der Pflicht: Sie zeichnen dafür verantwortlich, dass Unternehmen für eine gesunde Arbeit 4.0 verstärkt auf eine psychische Gefährdungsbeurteilung, auf Achtsamkeit und Erholung setzen.
So wie die Digitalisierung der Grund für ein anderes Gesundheitsmanagement ist, ist sie gleichzeitig eine Chance für bessere Methoden: Mit Fitnessarmbändern könnten die Mitarbeiter beispielsweise leicht und spielerisch sehen, wie viele Schritte sie am Tag zurücklegen. Mit Apps könnten sie testen, wie Burnout-gefährdet sie bereits sind, und sich mit dem Smartphone sogar psychotherapeutisch helfen lassen, so die optimistische Einschätzung der Macher der TK-Studie. Man möchte nur zu gerne daran glauben. Zumal hier noch eine ganz andere Thematik eine Rolle spielt: der Datenschutz nämlich. Wer die Daten seiner Mitarbeiter sammelt, gerät in Versuchung, diese zur Überwachung zu nutzen. Und das kann nach hinten losgehen, wie jüngst ein Urteil des Bundesarbeitsgerichtes zum Thema „Verwertungsverbot von mittels Keyloggern ermittelten Daten” zeigt.
Halten wir fest: Mobiles Arbeiten kann sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber ein Gewinn sein. Allerdings brauchen Unternehmen dabei ein gewisses Fingerspitzengefühl – und Angestellte die Fähigkeit, Grenzen zu ziehen.
Dieser Beitrag stammt aus der Personalwirtschaft 09/2017.
Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.