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Vertraut und doch anders

Inga Dransfeld-Haase und Hajo Schuhmacher auf Bühne.
Die Präsidentin des BPM, Inga Dransfeld-Haase, und Moderator Hajo Schuhmacher eröffnen den PMK 2020. Foto: BPM/Kerstin Müller

Mitarbeiterbindung, Führung, New Work, Digitalisierung – die
Themen des Personalmanagementkongresses 2020 (PMK 2020), der am 15. und 16.
September stattfand, waren ähnlich wie in jedem Jahr. Auch die Location, das
Berliner Congress Center, in der der zehnte PMK stattfand, war die gleiche.
Sogar der Moderator, Hajo Schuhmacher, kehrte auf die Bühne zurück – allerdings
nur für das stark reduzierte Präsenzpublikum. Neu war das zusätzliche
Onlineformat der Veranstaltung, dass von Mirko Duus, Teamlead Recruiting der Quadriga
Hochschule, moderiert wurde.

Das Online-Konzept orientierte sich am Offline-Konzept: Dienstleister und
Software-Anbieter konnten, genau wie Partner vor Ort, einen Messestand
einrichten, nur eben rein digital. Besucher und Besucherinnen konnten sich
durch die virtuellen Stände und das Programm von zu Hause aus einschalten und
durchklicken, um so die ausgewählten live geschalteten Vorträge auszuwählen. Auch
die Personalwirtschaft war als langjährige Partner des Szene-Events in diesem
Jahr online dabei.

Familienbewusstsein
als aktives Risikomanagement

Die Problematik der Vereinbarkeit von Beruf und Familie
wurde durch die Coronakrise für viele Arbeitnehmende verschärft. Auch gesellschaftlich rückte das Thema stärker
in den Fokus und so fand es sich als Thema in einigen Keynote-Talks beim
Personalmanagementkongress wieder. Einen davon hielt Petra Mackroth, Leiterin
der Abteilung „Familie“ im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend. Moderiert wurde der Talk von Ute Lysk, Auditorin für das Audit Beruf
und Familie (Eigenschreibweise berufundfamilie, d. Red.). Das Gespräch drehte
sich vor allem um die Erkenntnisse der Corona-Pandemie und neue Wege, die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Unternehmen zu ermöglichen. Denn: „Wir
haben gelernt: Nur wenn die Betreuung für die Kinder funktioniert können Leute
effektiv arbeiten“, so Mackroth. Eigene Umfragen des BMFSFJ zeigten, dass zwei
Drittel der Befragten aktiv im Unternehmen um Unterstützung in Zeiten wegbrechender
Betreuung baten.

Einkaufstasche.
Der Kongress fand erstmals als hybride Veranstaltung statt. Das Format soll künftig beibehalten werden. Foto: BPM/Kerstin Müller

Hierbei sei es besonders wichtig, dass nicht nur die
Arbeitszeiten der eigenen Mitarbeitenden im Unternehmen ins Auge gefasst
werden, sondern auch die der Partnerinnen und Partner. Vor allem auf Müttern
lastet nachgewiesen während der Schließzeiten von Kitas und Schulen die
doppelte Verantwortung von Job und Familie. Das zeige, dass von Seiten der Unternehmen der Blick auch auf arbeitende Väter ausgeweitet
werden müsse. Nur die Mütter als Versorgerinnen der Familie zu sehen und zu
unterstützen nannte Ute Lysk den „Weg des geringsten Widerstands“. Auch Petra
Mackroths Position war deutlich: „Vereinbarkeit darf kein reines Frauenthema
mehr sein.“

Familienfreundlichkeit
auf dem Index

Um Unternehmen und Familien zu unterstützen stellte Petra
Mackroth den „Fortschrittindex Vereinbarkeit“ vor. Dieser wurde anhand von
erfolgreichen Lösungsmodellen für Vereinbarkeit aus der Krise erstellt, welche
dem BMFSFJ auch eigeninitiativ zugeschickt wurden. Einige positive
Praxisbeispiele, wie zum Beispiel von der Autobahn GmbH, lassen sich auf der
Webseite des Ministeriums nachlesen. Dort können sich Unternehmen kostenlos und
anonym für das Tool registrieren, anhand gezielter Fragen die Familienpolitik
ihres Unternehmens jährlich bewerten lassen und sich Anregung zur Verbesserung
der Vereinbarkeit einholen.

Zum Schluss betonte Petra Mackroth noch, wie wichtig
es für HR-Abteilungen und Unternehmen sei, das Thema Vereinbarkeit für jetzige
und auch zukünftige Mitarbeitende nicht nur in Krisenzeiten im Auge zu
behandeln. Der Fachkräftemangel, so Mackroth, sei schließlich durch die
Pandemie nicht verschwunden.

Viel Wahlkampf, wenig HR

Christian Lindner auf Bühne.
Christian Lindner war einer der Gastredner auf dem PMK. Foto: BPM/Kerstin Müller

Wo Jens Spahn draufsteht, ist Christian Lindner drin. War am
zweiten Tag des Personalmanagement-Kongresses in Berlin ursprünglich der
Bundesgesundheitsminister als Keynote Speaker angekündigt, übernahm kurzfristig
der FDP-Bundesvorsitzende diese Aufgabe – offenbar war Spahn terminlich
verhindert. Eigentlich eine gute Gelegenheit für Lindner, sich den Personalern
im Plenum und an den Bildschirmen zum Thema „Wie die Pandemie unser Arbeiten
verändert“ mit klarer Kante und klugen Thesen zu empfehlen. Leider zog es der
Politiker (zumindest am Anfang) vor, ein wenig Wahlkampf zu betreiben.

„Wir haben auf die Pandemie Anfang des Jahres mit dummen
Maßnahmen antworten müssen“, legte der Liberale direkt los. Dumm, weil nicht
zuletzt durch den Lockdown ein enormer wirtschaftlicher Schaden entstanden sei.
Trotzdem, so Lindner, sei dies eine notwendige Maßnahme gewesen. Jetzt setze
man auf „kluge“ Maßnahmen wie Abstand, das Tragen von Masken und Händewaschen.
„Sie leben das hier ja auch vor“, lobte er die persönlich anwesenden Zuhörerinnen
und Zuhörer.

„Wir sind bislang gut durch die Krise gekommen, nicht zuletzt,
weil eine ganz große Mehrheit selbstverantwortlich und vernünftig gehandelt
hat“, unterstrich Lindner. Leider gebe es auch eine Minderheit, die Bill Gates
für den Antichristen halte und vorsätzlich gegen Hygieneregeln verstoße.
Negativ seien auch diejenigen, die angesichts der Pandemie den „inneren
Hilfssheriff“ in sich entdecken und darüber wachten, dass ihre Mitmenschen auch
ja ihre Masken immer über Mund und Nase trügen – „bis an die Grenze des
Denunziantentums“.

Andererseits habe sich gezeigt, welche enorme Reserve an
Flexibilität in Deutschland stecke. Stichwort Homeoffice: „Von einen Tag auf den anderen gingen die
Mitarbeiter und arbeiteten von zu Hause aus – und es hat funktioniert,“ lobte
Lindner Und plötzlich habe niemand mehr nach der Arbeitsstättenverordnung gefragt,
die zuvor immer ein Hemmschuh gewesen sei.

Dass mit dem ersehnten Homeoffice während des
Lockdowns leider auch das Thema „Homeschooling“ verbunden war, war für viele
Arbeitnehmer dann leider keine Verheißung, sondern eher „die Hölle“,
kritisierte Lindner. Man dürfe nie wieder Kinder und Jugendliche so im Stich
lassen, wie es während des Lockdowns teilweise der Fall war. „Wir brauchen eine
Betreuungs- und Bildungsgarantie des Staates“, forderte der FDP-Vorsitzende. Es
gelte, die infrastrukturellen Voraussetzungen zum „Lernen auf Distanz“ und einer
Betreuung unter Pandemiebedingungen zu schaffen. Nur so werde es gelingen, den
Herausforderungen der Zukunft und den derzeit unsicheren Zeiten zu begegnen.

Persönlichkeiten führen

Kayhan Özgenc auf Bühne.
Kayhan Özgenc, stellvertretender Chefredakteur von Business Insider Deutschland, sprach über Probleme beim digitalen Führen. Foto: Screenshot der Veranstaltung

Situatives Führen hat durch die Corona-Pandemie an
Bedeutung gewonnen. Der stellvertretende Chefredakteur von „Business Insider
Deutschland“, Kayhan Özgenc, hielt beim PMK einen Impulsvortrag zu den Themen
„Journalismus und Führung angesichts von Corona“. Eine seiner prägenden
Erfahrungen als Führungskraft im mobilen Office war, dass nicht alle
Mitarbeitenden gerne und gut im Homeoffice arbeiten. Als Beispiel nannte er
einen Redakteur, bei dem im Homeoffice ein deutlicher Leistungsabfall zu
beobachten gewesen sei. „Als ich als Führungskraft nachfragte, was los war,
wiegelte er ab.“ Özgenc hakte nicht weiter nach, was er im Nachhinein bereute,
denn der Redakteur veröffentlichte eine fehlerhafte Geschichte, die Probleme
nach sich zog. Nach einem weiteren Gespräch mit dem Mitarbeiter stellte sich
heraus, dass er zu Hause zu wenig Platz zum Arbeiten hatte und zudem die Kinder
mitbetreuen musste. „Wir haben ihn wieder ins Büro geholt und die Leistung ist
gestiegen.“ Özgencs Fazit: Führungskräfte müssen auf Distanz besonders
feinfühlig auf die Bedürfnisse und Präferenzen der Mitarbeitenden achten und den
Ursachen von Leistungsabfällen auf den Grund gehen. Denn  oft geht über Telefon- und Chatkommunikation
verloren, was bei einem persönlichen Gespräch vielleicht ans Licht gekommen
wäre.

Außerdem habe sich gezeigt, ob Teams funktionieren und eingespielt sind. Denn
ohne den persönlichen Kontakt und die kurzen Wege auf den Fluren, konnte man
sehen, ob die einzelnen Teamfunktionen gut ineinandergreifen und auch ohne
ständige Absprache funktionieren.

Mitarbeitende müssen sich wohlfühlen

Screenshot Jana Tepe.
Jana Tepe, Mitgründerin und CEO, von Tandemploy, stellt ihr Team vor. Foto: Screenshot der Veranstaltung

In einem weiteren Slot auf dem PMK führten Steffen
Welsch, Chief Innovation Officer des Tech-Startups Tamdemploy, und die
Tandemploy-Mitgründerin und CEO, Jana Tepe, durch die Altbau-Räumlichkeiten des
Unternehmens in Berlin. Neben einem Open Space gibt es Teambüros und eine
Kabine, in der Telefonate ungestört geführt werden können. Für Kinder der
Mitarbeitenden wurde ein Spielraum eingerichtet. Ziel war es „ein schönes
Umfeld für unsere Mitarbeitenden zu schaffen“, sagt Welsch. Das zahle nicht
zuletzt auf die Employee Experience ein, die bei Tandemploy einen besonderen
Stellenwert einnimmt. Das Unternehmen vertreibt eine Software, die die
Qualifikationen und Weiterbildungswünsche der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in
einem Unternehmen erfasst. Werden neue Projekte ausgeschrieben, können für das
Projekt passende Personenmit einer Matchingfunktion ausgewählt und kontaktiert
werden. Dadurch soll eine Flexibilisierung der Arbeitszeit und der
Stellenprofile geschaffen werden. Gleichzeitig können sich Mitarbeitende so
fortbilden.

„New Work ist keine Mode“

Portrait Elly Oldenbourg.
Elly Oldenbourg ist New Workerin und arbeitet als Managerin bei Google. Foto: Screenshot der Veranstaltung

Das Zitat stammt von Google-Mitarbeiterin Elly
Oldenbourg, die in einem der letzten Slots des PMK als Speakerin auftrat. Das
Konzept einer neuen Arbeitswelt wird vor allem durch die zunehmende
Automatisierung bedeutender. Im Kern ginge es darum, die Zeit des Individuums
zu flexibilisieren, Menschen sollen Zeit für die Familie, für
Freizeitaktivitäten und die Arbeit haben, wann immer sie das wollen. Ein erster
Schritt auf dem Weg in eine neue Arbeitswelt könnte die Einführung von
Jobsharing sein. Wenn sich zwei Personen eine Stelle teilen, sparen sie so
Platz und einen Weg zur Arbeit, verbessern ihre Work-Life-Balance und haben
Zeit, sich in anderen Communities, wie der Familie, zu engagieren. Dieses
Konzept sei nachhaltig und würde Probleme wie Jobknappheit lösen, sollten in
Zukunft durch Digitalisierung und Automatisierung tatsächlich bis zu 50 Prozent
der Arbeitsplätze wegrationalisiert werden. Außerdem gäbe es keine bessere
Schule für kollaboratives Arbeiten, denn auch die Ziele würden in einem solchen
Konzept geteilt werden.

Bei New Work geht es um ein gesamtgesellschaftliches
Konzept, dass kein hyperkapitalistisches Weltbild voraussetzt. Denn nicht die
Gewinnmaximierung sondern um die sinnvolle Beschäftigung der Menschen stünde im
Mittelpunkt. Und wie kann HR bei dieser Transformation helfen? „HR kann
Offenheit in Unternehmen kultivieren“, sagt Oldenbourg, für neue und andere
Wege begeistern.

Bilderstrecke: PMK 2020

Der Personalmanagementkongress 2020 fand am 15. und 16. September erstmals und coronabedingt als hybride Veranstaltung statt. Die Pandemie beeinflusste auch viele Sessions und Themen. Insgesamt ging es um die Auswirkungen der Pandemie auf Führung, Zusammenarbeit, HR-Arbeit und -Tools an sich und Entwicklungen in der Szene.

Angela Heider-Willms verantwortet die Berichterstattung zu den Themen Transformation, Change Managemment und Leadership. Zudem beschäftigt sie sich schwerpunktmäßig mit HR-Technologie und Diversity.

Tim Stakenborg verantwortet die Heftplanung des Magazins Personalwirtschaft. Zudem betreut er das Thema Aus- und Weiterbildung (inklusive MBA und E-Learning) und beschäftigt sich mit dem Bereich Employee Experience und Retention.

Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.