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Böller ins Klo geworfen: Kündigung


Plumsklo im Grünen.
Foto: lotharnahler/Adobe Stock

Zeit ist relativ: Wie lange eine Minute sein kann, hängt entscheidend davon ab, auf welcher Seite der Toilettentüre man sich befindet. In diesem Fall, der sich 2020 zutrug, schauten zwei Lageristen nicht so genau auf die Uhr. Für denjenigen, der das WC besuchte, war es jedoch entschieden zu lang: Sein Kollege hatte ihn eingeschlossen und so lange schmoren lassen, bis er die Tür eintrat, um sich zu befreien. Die fristlose Kündigung für den Übeltäter folgte zwar mit halbjähriger Zeitverzögerung, aber trotzdem zu Recht: Das Arbeitsgericht (ArbG) Siegburg zielte weniger auf die Zeitspanne, sondern auf den Aspekt der Freiheitsberaubung ab.

Es gab eine Vorgeschichte: Beide mussten bereits früher „öfter mal zu ihrem Vorgesetzten, wenn sie sich gestritten haben“, verrät die Gerichtsakte. Im Januar 2020 sah der eine seine große Chance gekommen, als der ungeliebte Kollege die Toilette im Lager aufsuchte. „Während er dort seinem Geschäft nachging“, heißt es in dem Schriftstück weiter, schob sein Widerpart ein Blatt Papier unter der Tür hindurch und stieß mit einem Gegenstand den Schlüssel aus dem Schloss. Dieser fiel auf das Blatt, das er daraufhin – schwupps – wieder herauszog. Statt den vermeintlichen Scherz zu beenden, blieb der „Geschäftsmann“ so lange eingeschlossen, bis er sich veranlasst sah, die Tür aufzutreten.

Freiheitsberaubung im WC

Dann passierte lange – nichts. Am 18. Juni allerdings fiel dem Chef auf, dass die Toilettentür im Lager beschädigt war. Einzelgespräche mit den beiden Mitarbeitern setzten ihn schnell ins Bild. Noch am selben Tag sprach er dem Schlüsseldieb die fristlose Kündigung aus. Dieser legte Klage ein, weil er den Rausschmiss als rechtswidrig ansah. War er aber nicht.

Der zentrale Kündigungsgrund besteht darin, dass der Kläger sein Opfer mit einem „alten Trick“ auf der Toilette einschloss, so die Richter. Damit habe er den Kollegen zumindest zeitweise seiner Freiheit und der ungehinderten Möglichkeit des Verlassens der Toilette beraubt. Ob das mit den entsprechenden Kriterien einer Freiheitsberaubung nach dem Strafgesetzbuch übereinstimme, sei nicht erheblich. Entscheidend sei in diesem Fall vielmehr die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses – und ebenso der Tür. Denn deren Beschädigung verursachte der Kläger letztlich auch: Dass der Kollege diese eintreten musste, sei dem Türversperrer vollumfänglich zuzurechnen. Eine Abmahnung wurde wegen der besonderen Schwere des Verstoßes als entbehrlich angesehen.

Pyro im Dixi-Klo

Es wird wohl endgültig Zeit, die Mär vom stillen Örtchen ad acta zu legen. Der Volksmund ist da weiter, mit Wendungen wie „Donnerbalken“ oder „Möge Sie der Blitz beim … !“ Ein Gerüstbauer nahm das 2012 übrigens wörtlich. Er warf einen Feuerwerkskörper in eine mobile Toilettenkabine (vulgo: Dixi-Klo), in der sich ein Kollege aufhielt. Die Verletzungen verursachten eine drei Wochen andauernde Arbeitsunfähigkeit: rechtsseitige Verbrennungen an Oberschenkel, Hodensack und Leiste. Für den Arbeitgeber war das nicht tragbar, zumal der Werfer Vorarbeiter war, der im gefährlichen Gewerk des Gerüstbaus Verantwortung für seine Kollegen trug.

Aber nein, auf einer Gerüstbaustelle könne es schon mal ruppiger zugehen, entgegnete dieser. Auch Scherze mit Feuerwerkskörpern seien bereits öfter gespielt worden, sie hätten im Kollegenkreis als „Stimmungsaufheller“ gegolten. Außerdem habe er den Böller nur an der Tür befestigen wollen, doch sei er ihm versehentlich in die Toilettenkabine gerutscht. Überhaupt: Der Kollege sei zwar kurz ein wenig benommen, aber erhebliche Verletzungen seien nicht zu erkennen gewesen.

Das ArbG Krefeld wies die Kündigungsschutzklage ab. Das Hantieren mit Feuerwerkskörpern an sich sei schon geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Umso mehr, wenn dem Betroffenen „keinerlei Reaktions- oder Fluchtmöglichkeit eröffnet“ ist. Und die Moral von der Geschicht‘: Störe meine Kreise nicht. Auch wenn Archimedes, der Urheber des Zitats, dabei sicherlich nicht an den Lokus gedacht hat.

›› Dieser Beitrag ist zuerst in unserer April-Ausgabe erschienen.

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David Schahinian arbeitet als freier Journalist und schreibt regelmäßig arbeitsrechtliche Urteilsbesprechungen, Interviews und Fachbeiträge für die Personalwirtschaft.