„Gib mir ein kleines bisschen Sicherheit, in einer Welt, in der nichts sicher scheint”, flehte Silbermond-Frontfrau Stefanie Kloß im Jahre 2009. Der Song drückte eine große gesellschaftliche Sehnsucht aus, verblieb 39 Wochen in den deutschen Top Ten und erreichte Goldstatus. Die Single verschwand aus den Charts, aber das Gefühl blieb. Auch am Arbeitsplatz.
Für diese unheimliche Empfindung übernahm die Wirtschaft – natürlich aus den USA – das Akronym VUCA. Was sich zunächst anhört wie der Titel einer weiteren Fußballhymne von Shakira entstammt ursprünglich dem Militärjargon. Man hatte – nach Ende des kalten Krieges und damit noch vor Silbermond – erkannt, dass nichts mehr ist, wie es war. Der schwer sicht- bare Feind greift von allen Seiten an und lauert an unvorhersehbaren Plätzen. Eine richtige Einschätzung, wie man heute weiß, denn mittlerweile sitzt er ja sogar im Weißen Haus.
Wobei alles, was VUCA der heutigen Welt zuschreibt – Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity –, Menschen schon immer umgetrieben hat. Fragt man geistreiche Männer wie den Soziologen Hartmut Rosa, nehmen sie dem Gespenst sofort den Schrecken: Es sei nie anders gewesen. Der Mensch habe sich allzeit durch die jeweils aktuelle Moderne bedroht und überfordert gefühlt, spätestens seit der Erfindung der Eisenbahn. Denn er stellt sich selbst immer wieder vor neue Herausforderungen und ruft damit die Geister, die er dann wieder loszuwerden wünscht. Da wir uns aber gar so gerne gruseln, streichen wir das „keine”: Panik!
VUCA wabert weiter wie ein böser Geist durch die Köpfe. Doch Angst vor Gespenstern ist bekanntermaßen kein guter Ratgeber und Pfeifen im Dunkeln keine Coping-Strategie. Die VUCA-Welt gehört radikal entgeistert und dem ganzen Spuk ein Ende gesetzt. Die Jugend fasst es kurz: Komm klar!
Ein Praxisbeispiel zeigt, wie das erfolgreich umzusetzen ist. Es kommt aus der renommierten wie traditions- reichen Unternehmung Rheinland. Der Rheinländer, durch diverse feindliche Über- nahmen über die Jahrhunderte zum Militär- und VUCA-Experten gereift, wählte seine Leitlinien beizeiten vorausschauend: § 1 „Et es, wie et es”, § 2 „Et kütt, wie et kütt” und § 5 „Et bliev nix, wie et wor”. Gefahr erkannt, Gespenst gebannt. Die Losung zur Lösung gab die Abteilung Compliance mit § 3 „Et hätt noch immer jot jejange” ebenfalls längst aus. Auf Hochdeutsch: abwarten und Kölsch trinken. Dann Geist in leere Flasche füllen, fest verschließen – und kalt stellen.
Abstinenzlern hilft die Geisterjäger-Technik weiter, die sich in vielen Ferienlagern seit Jahrzehnten bewährt: überraschender Zugriff und gnadenloses Lupfen des Bettlakens. Erfahrungsgemäß verbirgt sich darunter wenig mehr als eine Taschenlampe. Freigeistern sei hingegen die Pippi-Langstrumpf-Methode ans bange Herz gelegt: Machen Sie sich die VUCA-Welt, wie sie Ihnen gefällt!
Denn ein angstbefreiter Geist ist in der Lage umzudenken, quer- zudenken und ungewohnte Lösungen zu finden. Generation für Generation, wie auch immer die Militärs ihr VUCA gerade benennen. Der Mensch bleibt jedenfalls Mensch und wird sich wieder und wieder für die Herausforderung entscheiden. Gerade deswegen könnte es bald auch eine andere Single in die Charts schaffen: „It’s fun to stay at the V – U – C – A.”
Autorin:
Wiebke Joester
Erschienen in Ausgabe 05/2017 der Personalwirtschaft (› hier bestellen und weitere spannende Inhalte genießen)