Transparenz ist ein großes Wort. Nicht so grell wie agil oder so schnittig wie „Disruption“, weder aufdringlich laut wie „Purpose“ noch aufdringlich leise wie „Achtsamkeit“. Eher wie „Nachhaltigkeit“: so groß, so ausgebrannt. Auch Worte lächeln nicht mehr, wenn sie zu oft gute Miene zum falschen Spiel machen mussten.
Wer von „Transparenz“ spricht, stellt sich auf die (auf)richtige Seite. Neben das Gute, Echte, Wahrhaftige, an die Seite der Verlässlichkeit und Gleichheit. Das kann schiefgehen. Denn Großes stellt sich jeder und jede gern ins Fenster. Ob in der Politik – da hat man die „Transparenz“ in den vergangenen Jahren auf den Sockel gehoben und ihr das Profil weggehämmert – oder in der Wirtschaft. Und natürlich muss das Fenster groß sein, ein Schaufenster, in dem das Wort in voller Statur leuchten und auf die Partei, die Organisation, das Unternehmen im Hintergrund abstrahlen kann. Die Leute sollen stehen bleiben, sich wärmen an dem reinen Anblick. Aber: Irgendwann bummeln sie weiter, und wenn sie in zu vielen Schaufenstern „Transparenz“ entdecken, schauen die einen nicht mehr hin und die anderen blicken durch. Beides nicht im Sinne des Ausstellers.
Liebe Freunde der Transparenz: Geht es nicht etwas kleiner? Um einen von Euch beispielhaft herauszugreifen: Müsst Ihr, Achtung, die „Transparenz-Revolution“ ausrufen, wenn Ihr auf Eurer Plattform zur Arbeitgeberbewertung Gehaltsdaten publik macht? Und zwar mit dem angeblichen Ziel, Jobsuchenden und Mitarbeitern die Frage zu beantworten, was sie wert seien und ob sie – bei Euch heißt es „ich“ – „fair bezahlt“ werden?
So wie wir das verstehen, passen Transparenz und Identifikation so wenig zusammen wie Transparenz und Interesse. Und wie Transparenz und Bewertung. Natürlich braucht der Mensch Orientierung, auch als Arbeitnehmer. Und natürlich ist es legitim, diese Orientierung zu bieten, auch im Rahmen eines Geschäftsmodells. Aber ihm riesige Daten- und Meinungsbildersammlungen als reale, zu entdeckende
Verhältnisse verkaufen und uns die Förderung einer längst übergeschwappten Bewertungskultur als Transparenz? Daneben.
Ihr tut Euch ja selber keinen Gefallen. Denn auch Ihr werdet an Euren Worten gemessen, zumal an den großen. Zugegeben: nur von denen, die durchblicken, siehe oben. Aber vielleicht werden das, agil, wie wir alle sind, immer mehr. Wer „Transparenz“ vor sich her trägt, wird daran gemessen, umfassend und langfristig.
Übrigens: Wie ist das bei Euch selbst, liebe Bewertungsexperten? Transparenz verheißt doch offene Kommunikation. Was verdienen Eure Mitarbeiter? Fühlen sich alle fair bezahlt? Wissen alle von den anderen, was die verdienen – und finden sie sie ebenfalls „fair“ bezahlt? Oder ist „fair“ in diesem Kontext nicht doch eine subjektive Größe?
Aber eigentlich geht uns das nichts an.
Nicht alles muss, soll, darf transparent sein.
Sondern nur das, was die adressierte Öffentlichkeit angeht und die Privatsphäre des Einzelnen wahrt. Sonst hätten wir keine DSGVO. Im Übrigen kann Bewerten noch viel schlimmere Formen annehmen. Wie bei den anderen Online-Unternehmen, denen mit den Feedback-Tools, bei denen die einen Mitarbeiter ihre Meinung zu den anderen äußern und die Führungskraft sich einen Reim drauf macht, ihren nämlich. Auch da geht’s um Kontr…, quatsch: um Orientierung. Nicht für die Arbeitnehmer, sondern den Arbeitgeber, aber ist ja fast dasselbe.
Bestimmt finden manche solches „Feedback“ – noch ein ausgebranntes Wort – sogar angemessen. Mannometer: Hier werden nicht Hotels, Ärzte oder Arbeitgeber bewertet, sondern Menschen – die man auch
noch kennt. Das dann mit Hinweis auf „Transparenz“ verteidigen? Nein, Damen und Herren der Krisen-PR, transparent meint nicht gläsern! Ein kleiner, feiner Unterschied.
Vielleicht ist es heilsam, dass nun die Unternehmen selbst im Schaufenster stehen, wo sie gesehen werden und hoffentlich sehen. Wobei wir, so viel Transparenz darf sein, uns gelegentlich auch selbst an eine Titelzeile des Liedermachers Felix Meyer erinnern wollen: „Die Zeiten großer Worte sind vorbei.“
Ist freier Mitarbeiter der Personalwirtschaft.