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Es stinkt zum Himmel

, meint Sven Frost.

Ein Stoppschild mit dem Wort Diesel
Bild: thomas-bethge/istock

Kaum ein Tag vergeht, an dem es keine Hiobsbotschaften für die Besitzer von Dieselfahrzeugen gibt. Drohende Fahrverbote und ein massiver Wertverlust sind nur zwei Aspekte, mit denen sich die Autofahrer auseinandersetzen müssen. Dabei geht es nicht nur um den entstandenen wirtschaftlichen Schaden – für Industrie und Käufer gleichermaßen –, sondern auch um das Thema Werte und dessen Implementierung in der Unternehmenskultur. Wie konnte es so weit kommen, dass diese Werte offenbar ohne Skrupel missachtet wurden? Dass zum Beispiel mit dem Wissen der Führungskräfte von VW, Daimler und BMW skandalöse Testreihen an Affen und Menschen durchgewunken wurden und systematisch bei den Abgaswerten geschummelt wurde?

Der Fisch stinkt vom Kopf her, auch in diesem Fall. Allerdings sind anscheinend unterhalb der Unternehmensführung (vulgo Konzernspitze) ebenfalls alle Maßnahmen zur Einhaltung der internen Compliance-Regeln ins Leere gelaufen. Nie war der Compliance-Beauftragte machtloser als heute? Mitnichten. Ausreden, man habe ja von nichts gewusst, weil die Entscheidungen auf anderer Ebene fielen, gelten nicht. Compliance hat hier eine absolute Holschuld, zumal es auch um Haftungsfragen geht. Der Compliance-Beauftragte fungiert qua Amt als verlängerter Arm der Staatsgewalt und kann auch für Schadensersatzansprüche herangezogen werden. Unnötig zu erklären, dass es dabei um immense Summen gehen kann.

Unklar auch, warum etwa bei Daimler das System der externen Ombudsleute als Ansprechpartner für Mitarbeiter, die anonym Hinweise auf Verstöße geben, offensichtlich versagt hat. Ähnliche Ombudsstellen gibt es (nicht zuletzt seit dem Auffliegen des milliardenschweren Schmiergeldskandals bei Siemens) in vielen großen deutschen Unternehmen.

Vergessen darf man neben der desaströsen Außenwirkung des Skandals zudem nicht die Folgen auf die Stimmung unter den Mitarbeitern. Die Aussage von VW-Personalvorstand Karlheinz Blessing, man könne sich „bei der Belegschaft nur entschuldigen für das, was sie ertragen muss, auch wenn wir nicht der Verursacher dieser Schlagzeilen sind“, klingt dabei eher nach Ausrede denn nach ehrlicher Entschuldigung. Wer, wenn nicht ein Mitglied des Unternehmensvorstands, sollte Kenntnis gehabt haben von den Machenschaften, die zum größten Skandal der deutschen Automobilindustrie aller Zeiten geführt haben?

Wie also künftig umgehen mit Verstößen gegen Compliance- Regeln und den damit einhergehenden Schäden für Bilanz und Image? Ein entsprechender Kulturwandel kommt nicht von heute auf morgen, er braucht Zeit. Und die Einsicht, dass etwas geschehen muss. Gerade an Letzterer mangelt es den Unternehmensverantwortlichen nämlich – man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass erst der Druck der Öffentlichkeit zu einem Umdenken geführt hat. Wären etwa die eingangs genannten Abgasversuche an Affen und Menschen nicht publik geworden, niemand innerhalb der betroffenen Unternehmen hätte sich darüber empört. Bände spricht die Tatsache, dass Wolfgang Herb, seines Zeichens bis Ende 2016 Compliance Officer bei Daimler, die Versuche mit bewilligt hatte. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Herb war COMPLIANCE OFFICER. Per Funktion also der oberste Ordnungshüter im Unternehmen, der für saubere Geschäfte sorgen sollte.

Man kommt um die Erkenntnis nicht herum: Während viele Unternehmen nach außen hin ihre Werte und hohen ethischen Standards preisen, gilt nach innen das Motto: wird schon gut gehen. Bis beim nächsten Skandal wieder das Dach brennt und die Werte-Feuerwehr zu Hilfe gerufen wird.

Dieser Beitrag ist in Ausgabe 04/18 erschienen. Die gesamte Ausgabe lesen Sie in unserem Archiv.

Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.