Frank Strankmann, Autor bei Personalwirtschaft https://www.personalwirtschaft.de/unser-team/frank-strankmann/?mab_v3=196419 Alles rund um HR, Personalwesen und Management Fri, 14 Nov 2025 10:32:48 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.8.3 Kununu wird von der New Work SE abgespalten https://www.personalwirtschaft.de/news/recruiting/kununu-4-sale-burda-erwaegt-offenbar-verkauf-196419/ Fri, 14 Nov 2025 09:31:10 +0000 https://www.personalwirtschaft.de/?p=196419 Das Logo der Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu (Foto: Postmodern Studio - stock.adobe.com).

Kürzlich wurde bekannt, dass Burda plant, Kununu zu verkaufen. Nun steht fest: Die Arbeitgeberbewertungsplattform soll von der New Work SE ausgegliedert werden – und zwar schon sehr bald.

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Das Logo der Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu (Foto: Postmodern Studio - stock.adobe.com).

Kürzlich wurde bekannt, dass Burda plant, Kununu zu verkaufen. Nun steht fest: Die Arbeitgeberbewertungsplattform soll von der New Work SE ausgegliedert werden – und zwar schon sehr bald.

Update vom 14. November 2025: Die Gerüchte um einen Verkauf von Kununu nehmen Gestalt an. Unserer Redaktion liegt ein Schreiben vor, in dem die New Work SE – Teil der Hubert Burda Media – die Nutzer und Nutzerinnen von Kununu darüber informiert, dass die Arbeitgeberbewertungsplattform ab dem 1. Dezember 2025 losgelöst als eigenständiges Unternehmen agieren wird. Das Unternehmen wollte sich dazu nicht äußern. Inwiefern beziehungsweise wie lange die Kununu GmbH dann noch zu Burda gehören wird, ist unklar. Losgelöst von der New Work SE und somit von XING ergibt sich künftig jedenfalls die Gelegenheit, näher an LinkedIn heranzurücken, denn „die fehlende Verbindung von Kununu mit LinkedIn“ stört beispielsweise HR-Expertin Veronika Birkheim schon länger.

Ursprüngliche Meldung vom 16. Oktober 2025:

Der Burda-Konzern steht offenbar davor, die erst jüngst erworbene Arbeitgeberbewertungsplattform Kununu wieder zu veräußern. Das geht aus Medienberichten hervor.

Wie zuerst das Handelsblatt meldete, will Burda den im Zuge der New Work (vormals XING)-Übernahme akquirierten Glassdoor-Wettbewerber verkaufen. Dies habe man von drei Insidern aus Finanzkreisen erfahren. Ein Closing – also ein Abschluss der (gesellschaftsrechtlichen) Transaktion – soll demnach im ersten Quartal 2026 erfolgen.

Auch das Manager-Magazin berichtete: Im „Verborgenen“ werde ein Käufer für das Bewertungsportal gesucht. Es seien bereits mehrere Interessenten angesprochen worden, habe man von einer mit der Materie vertrauten Person erfahren. Was die Höhe der im Raum stehenden Summen für den Deal angeht, spricht das Handelsblatt von 500 Millionen Euro.

Wer ist Kununu?

Die Plattform Kununu (Swahili für „unbeschriebenes Blatt“) wurde 2007 von Mark und Martin Poreda gegründet und erlaubt es Beschäftigten, Arbeitgeber und die in Unternehmen vorzufindenden Arbeitsbedingungen zu bewerten und auch Informationen zum dortigen Gehalt zu teilen. Eigenen Angaben zufolge beschäftigt das Unternehmen etwa 230 Mitarbeitende die am Hauptsitz in Wien sowie in Porto, Berlin und Hamburg arbeiten.

Das Geschäftsmodell der Plattform, die seit 2013 zu New Work gehört, basiert vor allem auf dem Verkauf kostenpflichtige Profile an Unternehmen, mit denen diese ihre Sichtbarkeit erhöhen und sich als attraktive Arbeitgeber präsentieren können. Ein entsprechendes Employer-Branding-Profil kostet derzeit in der Basisversion monatlich 408 Euro und mit Zusatzfunktionen 499 Euro. Je nach Unternehmensgröße gibt es weitere Modelle.

Burda hatte New Work über seine Tochter Burda Digital SE nach Abschluss eines sogenannten Squeeze-out-Verfahrens – also einer Bar-Abfindung von Minderheitsaktionären – erst im Juni 2025 vollständig übernommen. Papiere der zuvor börsennotierten Unternehmensgruppe um Xing und Kununu waren dabei bereits seit August 2024 nicht mehr im regulierten Markt handelbar gewesen.

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Reaktionen und Einschätzungen

Während Burda, New Work oder Kununu selbst sich bislang nicht öffentlich zu etwaigen Verkaufsambitionen äußern wollen, sorgt die Meldung in HR-Kreisen gleichwohl für Resonanz. So sagte Wolfgang Brickwedde, Leiter des Institute for Competitive Recruiting (ICR), auf Anfrage unserer Redaktion, dass Burda Kununu „offenbar so kurz nach der Übernahme wieder verkaufen will“, sei für ihn „strategisch ein großer Fehler“.

Zur Begründung verweist er dabei vor allem auf die zunehmende Digitalisierung und technische Entwicklungen im Bereich Mitarbeitergewinnung: „Die Jobsuche“, so Brickwedde, verlagere sich „rasant in Richtung ChatGPT & Co.“. Kununu werde so „zu einem der wichtigsten Datenlieferanten für KI-gestützte Arbeitgeberempfehlungen“.

Auch andere Fachleute gehen davon aus, dass die KI-Entwicklung klassische Job-Börsen unter Druck setzt und letztlich in Frage stellt. Demgegenüber würden Bewertungen im Netz weiterhin eine Rolle spielen. Und diese lieferten Plattformen wie Kununu oder – vor allem im anglo-amerikanischen Raum – Glassdoor.

Sollte es zu einem Verkauf kommen, gebe Burda damit aus Sicht von Brickwedde „ein Asset aus der Hand, das in der kommenden Ära der generativen Jobsuche zum zentralen europäischen Reputationsanker für Arbeitgeber hätte werden können. Ein Käufer, der das erkennt, macht wahrscheinlich ein Schnäppchen“.

Wer sich Kununu einmal genauer anschaut, erkennt, dass hier in der Tat ein recht großer Datenschatz vorliegt. Kununu hat eigenen Angaben nach mittlerweile mehr als 14 Millionen Insights (Arbeitgeberbewertungen) – Daten, die sich gut monetarisieren lassen könnten.

So könnten mit den Daten Wettbewerbsanalysen für Arbeitgeber angeboten werden oder eine Übersicht an Gehaltsstrukturen von Konkurrenzunternehmen. Beides Analysen, die HR gut für’s Employer Branding verwenden könnte.

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Dieser Artikel wurde am 16. Oktober 2025 veröffentlicht und am 14. November 2025 aufgrund neuer Erkenntnisse aktualisiert.

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Urteil: Online-Krankschreibung kann fristlose Kündigung rechtfertigen https://www.personalwirtschaft.de/news/arbeitsrecht/urteil-online-krankschreibung-kann-fristlose-kuendigung-rechtfertigen-197131/ Mon, 10 Nov 2025 15:45:44 +0000 https://www.personalwirtschaft.de/?p=197131 Ein IT-Berater wurde fristlos gekündigt, nachdem er eine Krankmeldung über ein Online-Portal eingereicht hatte, ohne jemals mit einem Arzt gesprochen zu haben (Foto: maho -stock.adobe.com).

AU-Bescheinigungen führen häufiger zu Streit zwischen Beschäftigten und HR. Wird ein Attest ohne Arztkontakt vorgelegt, kann das laut aktuellem Urteil sogar eine Kündigung rechtfertigen.

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Ein IT-Berater wurde fristlos gekündigt, nachdem er eine Krankmeldung über ein Online-Portal eingereicht hatte, ohne jemals mit einem Arzt gesprochen zu haben (Foto: maho -stock.adobe.com).

AU-Bescheinigungen führen häufiger zu Streit zwischen Beschäftigten und HR. Wird ein Attest ohne Arztkontakt vorgelegt, kann das laut aktuellem Urteil sogar eine Kündigung rechtfertigen.

Wer sich krankschreiben lassen möchte, geht zur Arztpraxis und erhält eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU). Inzwischen gibt es alternativ die Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung. Doch lediglich einen Online-Fragebogen auszufüllen, ohne je einen Arzt gesprochen zu haben – das geht nicht und kann sogar eine fristlose Kündigung rechtfertigen. 

Das musste kürzlich ein IT-Consultant aus dem Ruhrgebiet erfahren, der sich im August 2024 krankgemeldet hatte. Seine AU über eine Dauer von mehreren Tagen bekam der Mann dabei allerdings nicht von einer Arztpraxis, sondern über ein Internetportal, das Krankschreibungen gegen Gebühr anbietet. Dort hatte der Arbeitnehmer in einem Online-Fragbogen als Beschwerden „Unwohlsein, trockener Husten, Gliederweh und Rückenweh“ angeben und eingetragen, dass er Schmerzmittel, Hustenlöser, homöopathische Präparate gegen Verspannung und andere Arzneien einnehme. Direkten Kontakt zu Arzt oder Ärztin hatte er jedoch nicht – weder telefonisch noch online.  

Dennoch bekam er kurz darauf eine digitale „Bescheinigung über eine Arbeitsunfähigkeit“ zugeschickt. Die erinnerte optisch stark an die früher gebräuchlichen gelben Vordrucke AU der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und trug auch den seinerzeit üblichen Aufdruck „Muster 1b (1.2018)“. Als Angabe im Feld „Vertragsarztstempel / Unterschrift des Arztes“ stand dort lediglich „[Name] Privatarzt per Telemedizin“ sowie eine WhatsApp- und E-Mail-Adresse. 

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HR wird misstrauisch, handelt und scheitert erstinstanzlich 

Nachdem der Consultant das PDF-Dokument in einem firmeneigenen Meldesystem hochgeladen und nach Ende der Krankschreibung wieder seine Arbeit aufgenommen hatte, eskalierte die Situation: Zunächst kam in der Personalabteilung der Verdacht auf, es könne sich bei dem Dokument um eine Fälschung handeln. Zudem ließ sich über den Datenaustausch mit der Krankenkasse keine elektronische AU zu abrufen. Als dann Gespräche mit verschiedenen Beteiligten keine Lösung brachten, kündigte das Unternehmen dem Beschäftigten am 18. September außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin. 

Dagegen legte der Mann Kündigungsschutzklage ein und bekam zunächst vor dem Arbeitsgericht Dortmund recht. Das entschied, es gebe keinen – gemäß § 626 Abs. 1 BGB erforderlichen – wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung. Zwar sei der Beweiswert des vermeintlichen Attestes erschüttert und der Kläger habe gegen seine Pflicht verstoßen, „einen ordnungsgemäßen und korrekten Nachweis seiner Arbeitsunfähigkeit vorzulegen“. Das habe er aber nicht durch „aktives Verhalten“ getan, weshalb eine Abmahnung als milderes Mittel ausreichend sei und auch die ordentliche Kündigung unwirksam. 

LAG: Kündigung wegen Vertrauensbruch wirksam 

Im Berufungsverfahren folgte das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm dann aber der Rechtsauffassung des Arbeitgebers und wies die Kündigungsschutzklage ab. In ihrer Begründung verwies die Kammer vor allem darauf, das Verhalten des IT-Consultants sei keineswegs eine Lappalie, sondern rechtfertige durchaus einen fristlosen Rauswurf.  

Die Richterinnen und Richter wörtlich:  

„Durch die Vorlage der Bescheinigung vom 21. August 2024 zum Nachweis seiner Arbeitsunfähigkeit suggerierte der Kläger der Beklagten bewusst wahrheitswidrig, es habe zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ein Kontakt mit einem Arzt stattgefunden. Dies stellt eine Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) dar, die aufgrund des damit verbundenen Vertrauensbruches als „an sich“ wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB geeignet ist.“ 

Konkret stieß sich das LAG dabei an folgenden Punkten: Die Bescheinigung erwecke „für einen unbefangenen Dritten den Eindruck, es handele sich um eine ärztliche Bescheinigung, die aufgrund eines ärztlichen Kontakts zustande gekommen sei“. Auch werde darin von „Fernuntersuchung“ gesprochen. Dem Angestellten sei allerdings bewusst gewesen, dass genau das aber nicht stimmte, sondern er lediglich online Fragen ausgefüllt hatte.

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Beweiswerthinweis ignoriert, AU erschlichen 

Ferner – und das komme erschwerend hinzu – werde auf der Website „unmissverständlich“ darauf hingewiesen, dass es sich bei dem gewählten Service „um eine gegen Gebühr erworbene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung handelt, die nicht nach den allgemeinen medizinischen Grundregeln zustande gekommen ist“.  

Dort heiße es, um einen teureren Service mit Konsultation anzubieten: „Unsere AU OHNE Arztgespräch hat im Streitfall vor Gericht geringeren Beweiswert als unsere AU MIT Arztgespräch.” Insofern habe sich der Mann letztlich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschlichen. 

Entsprechend sei es auch „unerheblich“, ob der Kläger tatsächlich arbeitsunfähig war. Ausschlaggebend sei der Vertrauensverlust. Daher bedürfe es auch keiner Abmahnung. Die Kammer verweist in diesem Kontext auf ein Urteil des Bundearbeitsgerichts zur Vorlage einer Corona-Impfunfähigkeitsbescheinigung, die ohne ärztliche Untersuchung erstellt wurde (BAG, Urteil vom 14. Dezember 2023, Az. 2 AZR 55/23 – Rn. 16). In diesem Fall beurteilte das Gericht eine Abmahnung aber als zulässiges Mittel, und keine Kündigung, da es auch nicht um eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ging. 

Fazit: Die fristlose Kündigung hat Bestand, Revision wurde nicht zugelassen. 

LAG Hamm, Urteil vom 5. September 2025, Az. 14 SLa 145/25

Hinweis der Redaktion: Nach Untersuchungen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) gibt es empirisch „keine missbräuchliche Nutzung der telefonischen Krankmeldung“. Zudem seien im Bereich der Ortskrankenkassen 2024 rein rechnerisch nur „1,5 Prozent aller Arbeitsunfähigkeitsfälle wegen Atemwegserkrankungen telefonisch veranlasst“. Der vorliegende Fall zeigt jedoch, dass bei Beschwerden der Weg über Online-Portale – unabhängig vom tatsächlichen Gesundheitszustand – Gefahren für Beschäftigte mit sich bringt (wir berichteten).

Info

Diese Regeln gelten für (echte) telefonische Krankschreibungen: 

Laut Bundesregierung sind telefonische Krankschreibungen von in Deutschland niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten bei leichten Erkrankungen – etwa einem grippalen Infekt – auch nach dem Abflauen von Corona weiterhin möglich. Voraussetzung: Die Patientin oder der Patient ist in der betreffenden Praxis bereits persönlich bekannt. Auch Eltern können sich bei Krankheit ihres Kindes auf diesem Weg eine ärztliche Bescheinigung ausstellen lassen. 

Wer aufgrund einer leichten Erkrankung arbeitsunfähig ist, kann sich für bis zu fünf Kalendertage telefonisch krankschreiben lassen. Die Ärztin oder der Arzt erkundigt sich im Telefonat nach Symptomen, Krankheitsverlauf und eventuellen Vorerkrankungen und entscheidet dann, ob eine telefonische Krankschreibung ausreicht oder ob eine Untersuchung in der Praxis erforderlich ist. 

Wichtig: Eine auf diesem Weg ausgestellte AU kann nicht erneut telefonisch verlängert werden. Für eine Folgebescheinigung ist ein Praxisbesuch nötig. Anders sieht es aus, wenn die erste Krankschreibung im Rahmen eines Praxisbesuchs erfolgte: In diesem Fall ist eine Verlängerung per Telefon möglich. Wurde die elektronische Gesundheitskarte im laufenden Quartal noch nicht in der Praxis eingelesen, muss dies nach überstandener Erkrankung nachgeholt werden. 

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Entgelttransparenz: Abschlussbericht der Kommission birgt offene Fragen  https://www.personalwirtschaft.de/news/verguetung/entgelttransparenz-abschlussbericht-der-kommission-birgt-offene-fragen-197083/ Fri, 07 Nov 2025 16:41:56 +0000 https://www.personalwirtschaft.de/?p=197083 Entgeltgleichheit ist für HR eine wichtige Herausforderung (Symbolbild: Алина Бузунова - stock.adobe.com).

HR wartet darauf, wie die Regierung die EU-Entgelttransparenzrichtlinie umsetzt. Nun hat eine Kommission ihren Bericht vorlegt. Werden sich die Hoffnungen der Unternehmen nach weniger Bürokratie erfüllen?

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Entgeltgleichheit ist für HR eine wichtige Herausforderung (Symbolbild: Алина Бузунова - stock.adobe.com).

HR wartet darauf, wie die Regierung die EU-Entgelttransparenzrichtlinie umsetzt. Nun hat eine Kommission ihren Bericht vorlegt. Werden sich die Hoffnungen der Unternehmen nach weniger Bürokratie erfüllen?

Die Europäische Union hat im Mai 2023 die sogenannte EU-Entgelttransparenzrichtlinie (RL (EU) 2023/970; ETRL) verabschiedet. Das Regelwerk zielt darauf ab, geschlechtsspezifische Lohnungleichheit zu beseitigen und den Gender Pay Gap zu verringern. Zugleich sind zusätzliche Auskunftsansprüche für Beschäftigte und erweiterte Angaben- und Berichtspflichten für Unternehmen vorgesehen. 

Da die Gesetzgebung hierzulande aktuell noch nicht alle von der EU vorgegebenen Kriterien berücksichtigt, hatte die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag vom Mai 2025 angekündigt, „die EU-Transparenzrichtlinie bürokratiearm in nationales Recht umsetzen“ zu wollen. Mitte Juli war dazu eine Kommission gegründet worden, die aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Fachleuten aus Verbänden und Gewerkschaften besteht (wir berichteten).  

Kernfragen in der Kommission 

Die Kommission hat am heutigen Freitag ihren Abschlussbericht vorgelegt und diesen an die Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Karin Prien (CDU) übergeben. In dem Papier geht es vor allem um folgende Punkte, die für HR von Bedeutung sind: 

  • Berichtspflichten (Art. 9 der Richtlinie): „Wie kann die Berichtspflicht nach Art. 9 ETRL bürokratiearm und für Arbeitgeber nutzbringend in deutsches Recht umgesetzt werden? Wie kann zugleich sichergestellt werden, dass Daten der Entgelttransparenzberichte aussagekräftig und vergleichbar sind?“ 

    Zentrale Frage ist hier, was und in welcher Form Unternehmen ab 100 Beschäftigten künftig zu Entgeltunterschieden zwischen Männern und Frauen berichten müssen. 

  • Auskunftsanspruch (Art. 7 der Richtlinie): „Wie kann der Auskunftsanspruch nach Art. 7 ETRL bürokratiearm in deutsches Recht umgesetzt werden?“ 
     
    Hier geht es darum, wie Beschäftigte oder Bewerberinnen und Bewerber erfahren können, wie hoch die Vergütung an sich und insbesondere Vergleichsentgelte für gleiche oder gleichwertige Arbeit sind. Arbeitgeber müssen dabei (anonymisiert) Informationen bereitstellen, die zeigen, ob etwaige Entgeltunterschiede nach Geschlecht objektiv gerechtfertigt sind. 
  • Praktische, technische Umsetzung in den Unternehmen. 

Vorschläge für die Zukunft 

Der Abschlussbericht enthält im Kern vor allem fünf Forderungen: 

  1. Eine Präzisierung des Entgeltbegriffs 
    Die Kommission schlägt vor, eine präzise Definition des Entgeltbegriffs vorzunehmen, der für die Berichtspflicht relevant ist. So sollten idealerweise nur klar ablesbare und nachvollziehbare Vergütungsbestandteile berücksichtigt werden. 
  1. Berichtspflicht und Auskunftsanspruch 
    Um Bürokratie zu reduzieren, regt die Kommission an, die Berichtspflicht auf Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten zu beschränken und die Auskunftspflicht klar zu regeln. Zudem solle ein Auskunftsanspruch nur einmal jährlich geltend gemacht werden können, um Unternehmen vor häufigen Nachfragen zu schützen. 
  1. Unterstützung durch digitale Tools für KMU 
    Die überwiegende Mehrheit der Kommission empfiehlt, digitale Werkzeuge und Vorlagen bereitzustellen, um insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen bei der Erfüllung der Berichtspflichten und der Entgeltbewertung zu unterstützen. Dies soll den Aufwand für die Unternehmen erheblich verringern. 
  1. Erleichterungen für tarifgebundene Unternehmen 
    Eine weitere Empfehlung sieht vor, tarifgebundene Unternehmen bei der Umsetzung der Richtlinie zu privilegieren. Sie könnten so bei der Bestimmung von Entgeltgruppen und bei der Auskunftserteilung Erleichterungen erhalten, sofern die bei ihnen geltenden Tarifverträge mit den Vorgaben der Entgelttransparenzrichtlinie übereinstimmen. 
  1. Abhilfeverfahren und Mitbestimmung 
    Das so genannte Abhilfeverfahren bei ungerechtfertigten Entgeltunterschieden soll in enger Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretungen erfolgen. Die Kommission betont dabei die Notwendigkeit einer klaren Definition der zuständigen Arbeitnehmervertretungen und deren Beteiligung an der Festlegung der Entgeltkriterien. Zugleich will die Mehrheit der Mitglieder vermeiden, eine Gründung von Betriebsräten “durch die Hintertür” im Sinne einer Zwangszuständigkeit zu forcieren. 

Da die Kommission zwar vom Ministerium eingesetzt wurde, ihre Empfehlungen aber keine verpflichtende Bindungswirkung haben, bringen sich nun verschiedenste Interessensvertretungen, Verbände, Gewerkschaften und Lobbygruppen in Stellung, um ‚Duftmarken‘ für das anstehende Gesetzgebungsverfahren zu setzen. 

Offene Fragen vor parlamentarischem Verfahren 

Eine offene Frage ist dabei vor allem die – zunächst akademisch klingende, aber sehr praxisrelevante – Definition von (Vergleichs-)Entgelten: Geht es um Löhne und Gehälter an sich (inklusive oder exklusive Sonderleistungen?) Oder zählen auch Entgeltbestandteile wie Sachleistungen dazu?  

Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) regt daher in einer Stellungnahme an, Unternehmen sollten von einer Berichtspflicht in Bezug auf bestimmte „Indikatoren im Sinne von Art. 9, Abs. 1 ETRL“ befreit werden. Namentlich genannt werden: Betriebliche Altersversorgung, Wahl- beziehungsweise Tauschmodelle wie etwa eine Entgelterhöhung oder mehr Urlaub oder spezifische lokale Besonderheiten wie Gutscheine für Fitness-Studios am Betriebsstandort. 

Das sieht der Bundesverband der Personalmanager*innen (BPM) ähnlich. BPM-Präsident Matthias Kempf sagte dazu auf Anfrage unserer Redaktion: „Es braucht eine klare, rechtssichere Definition des Entgeltbegriffs, die Unternehmen nicht in kaum zu bewältigende Datenerhebungen für irrelevante Nebenleistungen treibt. Hier kann der Gesetzgeber Mut beweisen, wenn er klar, verständlich und nach vorne gerichtet eine eigene Definition des Entgeltbegriffs gestaltet.“ 

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Was ist mit Mitbestimmung? 

Gewerkschaften wie der DGB fordern demgegenüber, vor allem eine Stärkung der Tarifbindung als „Schlüssel für die Verwirklichung von Entgelttransparenz und die Überwindung von Entgeltdiskriminierung“. 

Daher sollten „tarifgebundenen Arbeitgebern bei der Analyse ihrer Entgeltpraxis Erleichterungen eingeräumt werden“. Ferner sollten Betriebs- und Personalräte „als Arbeitnehmervertretungen von Beginn an in den Prozess eingebunden sind“.  

Wie geht es weiter? 

Nach den Empfehlungen der Kommission soll nun das Gesetzgebungsverfahren eingeleitet werden. Mit einem Referentenentwurf sei spätestens im Januar 2026 zu rechnen, vermutet zumindest der Bundesverband der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BVAU) auf Linkedin. Unklar sei hingegen, ob die Empfehlungen der Kommission „Eingang in die weitere politische Entscheidungsfindung” finden.

Info

Mitglieder der Kommission sind laut Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend 

  • Prof. Dr. Christian Rolfs; Kommissionsvorsitz – Direktor des Instituts für Deutsches und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht, Universität zu Köln 
  • Prof. Dr. Katharina Wrohlich, Kommissionsvorsitz – Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) 
  • Elke Hannack – Stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) 
  • Steffen Kampeter – Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) 
  • Prof. Dr. Adam Sagan, MJur (Oxon) – Professor am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, europäisches und deutsches Arbeitsrecht, Universität Bayreuth 
  • Prof. Dr. Isabell Hensel – Vorsitzende der Arbeitsrechtskommission im Deutschen Juristinnenbund (djb) 
  • Christina Diem-Puello – Präsidentin des Verbandes der Unternehmerinnen in Deutschland e.V. (VdU) 
  • Rechtsanwältin Dr. Doris-Maria Schuster – Vorsitzende des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) 
  • Carmen-Maja Rex – Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP) 
  • Dr. Katharina Herrmann – Vizepräsidentin des Bundesverbandes der Personalmanager*innen (BPM) 
  • Senator a.D. Christoph Ahlhaus – Vorsitzender der Bundesgeschäftsführung des Bundesverbandes der mittelständischen Wirtschaft e.V. (BVMW) 
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Schulungen für den Wahlvorstand zur Betriebsratswahl: Fluch oder Segen? https://www.personalwirtschaft.de/news/arbeitsrecht/schulungen-fuer-den-wahlvorstand-zur-betriebsratswahl-fluch-oder-segen-196734/ Tue, 28 Oct 2025 14:37:08 +0000 https://www.personalwirtschaft.de/?p=196734

Kommendes Frühjahr werden vielerorts Betriebsräte gewählt. Im Vorfeld beantragen Wahlvorstände häufig Schulungen zum Thema. Wir zeigen, was HR dazu wissen sollte.

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Kommendes Frühjahr werden vielerorts Betriebsräte gewählt. Im Vorfeld beantragen Wahlvorstände häufig Schulungen zum Thema. Wir zeigen, was HR dazu wissen sollte.

Zwischen März und Mai kommenden Frühjahrs finden vielerorts die turnusgemäßen Betriebsratswahlen statt. Allerdings lohnt es sich schon jetzt, mit der Materie zu beschäftigen – auch für Personalabteilungen. Denn auf HR kommen Mitwirkungspflichten und Anfragen zu.

Organisator der Betriebsratswahlen ist der Wahlvorstand, der vom scheidenden Betriebsrat gegen Ende seiner Amtszeit bestellt werden muss. Die Frist dafür richtet sich nach der Größe des jeweiligen Betriebes:

  • Im normalen Wahlverfahren, das für Betriebe mit in der Regel mindestens 101 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gilt, muss der Betriebsrat spätestens zehn Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit einen aus drei Wahlberechtigten bestehenden Wahlvorstand bestellen (§ 16 Abs. 1 Satz 1 BetrVG).
  • Im sogenannten vereinfachten einstufigen Wahlverfahren, das bei in der Regel 5 bis 100 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Anwendung findet, beträgt die Frist vier Wochen (§ 17a Nr. 1 BetrVG).

Die Rolle von HR bei der Wahl

Zentraler Ansprechpartner des Wahlvorstands ist vor der Wahl die zuständige Personalabteilung. HR muss dem Gremium dabei vor allem die zur Vorbereitung des Urnengangs erforderlichen Auskünfte zur Verfügung stellen. Das gilt speziell für Auskünfte zur Erstellung der Wählerliste.

Praxistipp: Müssen Mitglieder des Wahlvorstands aus betriebsbedingten Gründen ihre Aufgaben außerhalb der üblichen Arbeitszeit durchführen, haben sie unter Umständen Anspruch auf Freizeitausgleich oder Mehrarbeitsvergütung. Zudem genießen sie einen besonderen Kündigungsschutz (§ 15 KSchG). Dieser beginnt mit der Bestellung des Wahlvorstands und gilt bis sechs Monate nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses.

Die (leidigen) Kosten

Laut § 20 Abs. 3 BetrVG haben Arbeitgeber die Kosten der Betriebsratswahl zu tragen. Das beinhaltet alle bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl entstehenden Kosten, sofern diese für einen ordnungsgemäßen Verlauf auch erforderlich sind.

Abgesehen von der Arbeitsfreistellung von Wahlvorstandsmitgliedern (ohne Abzüge) sind das neben

  • Kosten für die Anschaffung von Sach- und Hilfsmitteln zur Wahl (Wahlurne, Wahlkabine, Wählerlisten, Stimmzettel, Büromaterial, Briefwahl-Porto et cetera),
  • Kosten für aktuelle Gesetzestexte und Fachliteratur zum Thema Betriebsratswahlen und
  • Portokosten für die Briefwahl und anderes

auch die Ausgaben für etwaige Schulungen von Wahlvorstandsmitgliedern.

Diesen Anspruch hat das Bundesarbeitsgericht bereits vor Jahrzehnten im Grundsatz bestätigt und klargestellt, dass „regelmäßig auch die Unterweisung in die Tätigkeit eines Wahlvorstands“ zur „Betätigung“ des Gremiums zählt (BAG, Urteil vom 5. März 1974, Az. 1 AZR 50/73). Zudem könne die Notwendigkeit einer Schulung – zumindest bei einem erstmals bestellten Wahlvorstandsmitglied – „auch ohne nähere Darlegung des Fehlens ausreichender Kenntnisse der Wahlvorschriften als erforderlich angesehen werden“ (BAG, Urteil vom 7. Juni 1984, Az. 6 AZR 3/82).

Grundlagen und Grenzen des Schulungsanspruchs

Doch auch erfahrenere BWahlvorstandsmitglieder können unter Umständen Anspruch auf eine erneute Teilnahme an einem Seminar haben. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sich seit der vergangenen Wahl im Betrieb gewichtige Änderungen bei gesetzlichen Vorschriften oder der Rechtsprechung ergeben haben. Eine Faustformel gibt es dabei nicht. Maßstab ist vielmehr – wie bei Schulungen des Betriebsrates – die Erforderlichkeit im konkreten Einzelfall.

Was in Betrieben nicht selten für Disput sorgt, ist die Frage, wie viele Mitglieder an den Schulungen teilnehmen können. Da das Gesetz selbst Wahlvorstände nicht eigenständig im Zusammenhang mit rollenbezogenen Bildungsveranstaltungen erwähnt, bietet hier eine Entscheidung aus Norddeutschland Aufschluss: Demnach ist „jedem stimmberechtigten Wahlvorstandsmitglied, das erstmals mit dieser Aufgabe betraut wird“, ein Anspruch auf Seminarteilnahme zuzubilligen (LAG Hamburg, Urteil vom 14. März 2012, Az. H 6 Sa 116/11, Rn. 40).

Die Formalia

Wie zumeist in kollektivrechtlichen Angelegenheiten muss auch ein Wahlvorstand zunächst einen ordnungsgemäßen Beschluss fassen, um später eine Veranstaltung zu besuchen. Dabei ist neben der Erforderlichkeit an sich auch zwingend darauf zu achten, dass der Teilnahme zum gewünschten Zeitpunkt keine „betrieblichen Notwendigkeiten“ entgegenstehen (§ 37 Abs. 6 BetrVG). Die Hürden für einen Nachweis solcher Blocker sind allerdings hoch.

Laut dem Arbeitsrechtler Prof. em. Peter Wedde ist dies etwa dann der Fall, „wenn eine für den ordnungsgemäßen Betriebsablauf unabkömmliche Vertretung nicht sichergestellt ist, wenn ein besonderer Arbeitsanfall (Saisonspitze), dessen Erledigung nicht hinausgeschoben werden kann, vorliegt oder wenn es sich um einen Notfall handelt“.

Den notwendigen Beschluss selbst muss übrigens der Wahlvorstand fällen (nicht der Betriebsrat) und dem Arbeitgeber vorab mitteilen. Bei Streitigkeiten kann der Arbeitgeber im Bedarfsfall die Einigungsstelle anrufen. Zudem können beide Seiten, sollten die Fronten wirklich festgefahren sein, als Ultima Ratio vor Gericht gehen.

Zankapfel Präsenz-Seminar: Darf’s auch online sein?

Wegen der dabei entstehenden Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten, die zusätzlich zu den Seminargebühren anfallen, sind Präsenz-Seminare manchen Arbeitgebern ein Dorn im Auge. Allerdings müssen sich Betriebsräte und Wahlvorstände nicht ohne Weiteres auf ein Webinar anstelle einer Präsenzveranstaltung verweisen lassen. Vielmehr haben sie laut Bundesarbeitsgericht „einen Beurteilungsspielraum, der sich grundsätzlich auch auf das Schulungsformat erstreckt“ (BAG, Beschluss vom 7. Februar 2024, Az. 7 ABR 8/23). Die Kosten sind dabei nicht der Maßstab.

Entschieden sich Arbeitnehmervertreter und -vertreterinnen für eine klassische Schulung sei das entsprechend, sofern diese erforderlich ist, nicht zu beanstanden. Hinzu komme, dass in vielen Fällen „eine Präsenzschulung im Hinblick auf den zu erzielenden Lernerfolg wesentlich effektiver ist als eine Onlineschulung“ (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 24. November, Az. 8 TaBV 59/21).

Wo liegt der Benefit für das Unternehmen?

Unabhängig davon, wie die jeweilige Unternehmensleitung im Einzelfall zu Themen wie Arbeitnehmervertretung und Mitbestimmung – die ja demokratische Grundrechte sind – steht, haben Schulungen des Wahlvorstands schon rein kaufmännisch einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Sie reduzieren das Risiko von Fehlern, die später gegebenenfalls zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl führen könnten, beträchtlich. Denn käme es dazu, drohen nicht nur beträchtliche Gerichtskosten. Auch die Wahl an sich muss unter Umständen komplett wiederholt werden.

Das hat auch das BAG in der oben genannten Entscheidung Anfang der Achtziger Jahre erkannt und seinerzeit geschrieben:
„Angesichts der Gefahr einer drohenden Wiederholung und dem damit verbundenen hohen Kostenrisiko für den Arbeitgeber ist eine möglichst genaue Kenntnis der Wahlvorschriften durch die Mitglieder des Wahlvorstandes erforderlich.“

Hinzukommt, dass HR mit qualifizierten Wahlvorständen und Betriebsräten wesentlich sachkundiger und bedarfsgerechter arbeiten und verhandeln kann, als das ansonsten der Fall wäre. Und das ist nicht zu unterschätzen, schließlich ist das Votum der (späteren) Arbeitnehmervertretung bei vielen Maßnahmen unabdingbar. Wenn dabei nicht über Basics gestritten werden muss und jede Seite ihre Rechte und Aufgaben kennt, beschleunigt das oftmals Verfahren und trägt – zumindest häufig – zur Reduzierung auf Kernstreitpunkte bei.

Info

Praxisnahe und aktuelle Informationen zur anstehenden Betriebsratswahl 2026 finden sich in unserem Schwesterportal Betriebsratspraxis24, das laut einem Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg eines der erforderlichen Sachmittel für Betriebsräte und Wahlvorstände sein kann.

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Neufassung der EBR-Richtlinie: Das muss HR wissen https://www.personalwirtschaft.de/news/arbeitsrecht/neufassung-der-ebr-richtlinie-das-muss-hr-wissen-196657/ Fri, 24 Oct 2025 09:11:18 +0000 https://www.personalwirtschaft.de/?p=196657

Das Europäische Parlament hat kürzlich einer umfassenden Reform der EBR-Richtlinie zugestimmt. HR muss sich auf erweiterte Konsultationspflichten und häufigere Präsenzsitzungen einstellen.

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Das Europäische Parlament hat kürzlich einer umfassenden Reform der EBR-Richtlinie zugestimmt. HR muss sich auf erweiterte Konsultationspflichten und häufigere Präsenzsitzungen einstellen.

Das Europäische Parlament hat kürzlich den Weg frei gemacht für eine umfassende Reform der EU-Richtlinie zur Einrichtung und Arbeitsweise Europäischer Betriebsräte (RL 2009/38/EG). Damit sollen einheitlichere Vorgaben für die bislang in den Einzelstaaten recht unterschiedlich ausgestalteten Rahmenbedingungen geschaffen werden. Zudem werden bestimmte Rechte von Arbeitnehmervertretungen in multinational agierenden Unternehmen gestärkt – vor allem in puncto Information und Konsultation.

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Anders als ein Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat nach dem deutschen Betriebsverfassungsgesetz hat ein EBR keine echten Mitbestimmungsrechte. Vielmehr hat ein Europäischer Betriebsrat bislang zumeist Mitwirkungsrechte. In vielen Fällen ähnelt seine Rolle am ehesten der des Wirtschaftsausschusses.

Erweiterter Geltungsbereich?

Die novellierte Richtlinie präzisiert in Artikel 1 Abs. 4 zunächst, wann ein Europäischer Betriebsrat (EBR) für eine Angelegenheit zuständig ist – nämlich dann, wenn vom Arbeitgeber geplante Maßnahmen voraussichtlich „das gemeinschaftsweit operierende Unternehmen oder die gemeinschaftsweit operierende Unternehmensgruppe insgesamt oder mindestens zwei Unternehmen oder Betriebe des Unternehmens beziehungsweise der Unternehmensgruppe in mindestens zwei verschiedenen Mitgliedstaaten betreffen“.

Das ist nahe an der hierzulande üblichen Definition in § 1 Abs. 2 EBRG (für in Deutschland mit Hauptsitz ansässige Unternehmen), kann aber für Tochterunternehmen im Ausland beheimateter Konzerne Auswirkungen haben. Umgekehrt ist denkbar, dass Entscheidungen, die zunächst scheinbar nur das Inland betreffen, indirekt zum ‚transnational issue‘ werden, weil sie Folgen für ausländische Standorte oder Gesellschaften entfalten.

Konsultation vor Umsetzung von Maßnahmen

Weitaus gewichtiger sind die neuen Vorgaben in Artikel 9 Abs.2 und 3. Dort wird bestimmt, dass zentrale, für das Europa-Geschäft zuständige Geschäftsleitungen verpflichtet werden, nachdem sie Informationen über bedeutende Sachverhalte mitgeteilt haben, auf etwaige Stellungnahmen der EBR innerhalb einer Frist zu reagieren und Konsultationen abzuwarten, bevor final Entscheidungen getroffen werden. Das heißt: Etwaige Maßnahmen wie Standortschließungen oder Reorganisationen dürfen erst danach umgesetzt werden.

Die Richtlinie nennt hier allerdings keine konkreten Zeiträume, sondern spricht lediglich von einer „angesichts der Dringlichkeit der Angelegenheit angemessenen Frist“.

Sachverständige und Rechtsdurchsetzung

Änderungen gibt es zudem bei den Themen Beratung und Durchsetzung rechtlicher Ansprüche. So haben EBR künftig unionsweit in erforderlichem Maße Anspruch auf Unterstützung durch externe und/oder gewerkschaftliche Sachverständige sowie anwaltlichen Beistand. Angemessene Kosten dafür müssen von der zentralen Leitung des Unternehmens übernommen werden. Zudem darf die Unterstützung nicht mehr ohne Weiteres auf nur einen Sachverständigen begrenzt werden. Ebenso wenig dürfen die Beraterinnen und Experten von Sitzungen mit dem Management ausgeschlossen werden.

Im Notfall, auch das präzisiert die Novelle, können EBR fortan ihre Rechte vor Gericht oder (mancherorts) in einem Verwaltungsverfahren geltend machen. Auch diesen Aufwand hat das Unternehmen zu tragen.

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Zwei Sitzungen pro Jahr und Neues zur Vertraulichkeit

Konkrete finanzielle Auswirkungen dürfte in vielen Fällen eine andere Neuerung haben: Denn in Zukunft haben EBR Anspruch darauf, zwei ordentliche (Plenar-)Sitzungen, also Treffen mit der Geschäftsleitung und HR, pro Jahr in Präsenz abzuhalten. Andere Formate – also hybride Meetings oder Videokonferenzen – sind als Ersatz nur bei ausdrücklicher Zustimmung des Gremiums gestattet.

Dabei muss die Arbeitgeberseite unter anderem über die länderübergreifende „Struktur, die wirtschaftliche und finanzielle Situation sowie die voraussichtliche Entwicklung der Geschäfts-, der Produktions- und Absatzlage des gemeinschaftsweit operierenden Unternehmens oder der gemeinschaftsweit operierenden Unternehmensgruppe“ informieren. Zudem müssen die Beschäftigungslage und ihre voraussichtliche Entwicklung auf der Agenda stehen.

Ein Novum dabei: Informationen können hier vom Management laut dem neuen Artikel 8 nur dann als vertraulich gekennzeichnet werden, wenn dies „im Sinne des berechtigten Interesses des Unternehmens“ sowie im Einklang mit „objektiven Kriterien“ geschieht. Zudem gilt das nur so lange, „bis die Gründe für die Pflicht zur Vertraulichkeit als hinfällig zu betrachten sind“. Gremiumsmitglieder können also gegenüber ihren (Betriebsrats-)Kolleginnen und Kollegen aus den Herkunftsstaaten nicht mehr ohne Weiteres zum Stillschweigen verpflichtet werden.

Anpassungsbedarf für bestehende Vereinbarungen

In vielen Unternehmen gibt es EBR-Vereinbarungen, die noch aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der bisherigen Richtlinie stammen. Hier lohnt sich für HR ein genauerer Blick. Denn diese müssen laut Artikel 14a Abs. 4 „die anwendbaren Mindestanforderungen“ der Neufassung einhalten und daher unter Umständen angepasst werden – etwa in Bezug auf Sitzungsmodalitäten und die Rolle und Hinzuziehung von Sachverständigen.

Das betont auch Francesco Grioli, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstandes bei der Gewerkschaft IG BCE: „Sämtliche EBR-Vereinbarungen können ab dem Umsetzungszeitpunkt 2028 der zukünftigen Richtlinie unterstellt und entsprechend angepasst werden“, schreibt er auf Linkedin.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hatte hingegen von Beginn des Verfahrens an betont, man halte eine Revision der EBR-Richtlinie für „unnötig“ und sehe „keinen Handlungsbedarf“.

Wie geht es weiter?

Die geänderte Richtlinie muss nun noch abschließend vom EU-Ministerrat abgesegnet werden, was in Brüssel und Straßburg nach den langwierigen und zähen Vorverhandlungen im sogenannten Trilog in diesem Fall als Formsache gilt. Nach Inkrafttreten haben die Mitgliedstaaten dann zwei Jahre Zeit, um die geänderten Regeln in nationales Recht zu überführen. Spätestens nach drei Jahren muss die Richtlinie dann angewendet werden.

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Ralph Wiechers wird neuer CPO bei den Sana Kliniken https://www.personalwirtschaft.de/news/allgemein/ralph-wiechers-ist-neuer-cpo-bei-den-sana-kliniken-196152/ Wed, 08 Oct 2025 14:25:41 +0000 https://www.personalwirtschaft.de/?p=196152 Dr. Ralph Wiechers wird neuer Chief People Officer bei Sana (Foto: Sana Kliniken AG).

Staffelwechsel beim Gesundheitsdienstleister: Dr. Ralph Wiechers wird ab Januar 2026 neuer Chief People Officer (CPO) der Sana Kliniken AG.

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Dr. Ralph Wiechers wird neuer Chief People Officer bei Sana (Foto: Sana Kliniken AG).

Staffelwechsel beim Gesundheitsdienstleister: Dr. Ralph Wiechers wird ab Januar 2026 neuer Chief People Officer (CPO) der Sana Kliniken AG.

Dr. Ralph Wiechers wird neuer Chief People Officer bei den Sana Kliniken. Der 49-Jährige soll sein Amt zum 1. Januar 2026 antreten und zugleich den Vorstand des Unternehmens verstärken. Wiechers folgt auf Konstanze Marinoff, die seit Februar 2023 Arbeitsdirektorin und Chief People & Culture Officer bei dem Gesundheitsdienstleister war. Warum sie das Unternehmen verlässt, ist unklar.

Der Neue kommt von DHL

Wie das Unternehmen mitteilt, soll der neue CPO in seiner Position „die Personalprozesse bei Sana auf das nächste Level heben und einen wichtigen Beitrag dazu leisten, das Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber in der Gesundheitsbranche zu positionieren.“

Vor seinem Engagement bei Sana war Wiechers seit 2010 bei der Deutschen Post/DHL tätig, zuletzt als Executive Vice President Head of Global People Operations. Dort habe er sich unter anderem um „die Digitalisierung von HR-Prozessen entlang des gesamten Mitarbeiter-Lebenszyklus“, System-Roll-Outs und Themen wie Leadership und Organisationsentwicklung gekümmert.

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Unternehmen willHR-Transformation vorantreiben

Das soll ihm aus Sicht seines neuen Arbeitgebers auch in seiner künftigen Rolle zugutekommen: Sana habe, so das Unternehmen, in den vergangenen Jahren „mit der Einführung einer HR-Systemlandschaft und Modernisierung der entsprechenden Prozesse die größte HR-Transformation in der deutschen Gesundheitsbranche gestartet“. Diese wolle man unter Federführung von Wiechers nun weiter fortsetzen.

Laut Thomas Lemke, CEO der Sana Kliniken, setzt man dabei „auf eine Management-Expertise, die unsere Mitarbeitenden in den Mittelpunkt stellt und HR-Exzellenz mit Digitalisierung und Innovation verbindet“.

Wiechers selbst hat nach Unternehmensangaben nach Amtsantritt unter anderem das Ziel gesetzt, „HR so zu gestalten, dass Mitarbeitende, Prozesse und Technologien gemeinsam echten Mehrwert schaffen und den Arbeitsalltag für alle Mitarbeitenden erleichtern“.

Vorstandsvorsitzender übernimmtHR bis Jahresende

Was den künftigen Aufgabenzuschnitt des neuen CPO angeht, so teilte das Unternehmen auf Anfrage unserer Redaktion mit, dieser bleibe „im Wesentlichen unverändert“. Lediglich die Funktionsbezeichnung würde angepasst – und laute nicht mehr Chief People & Culture Officer. Grund dafür ist laut einer Sana-Sprecherin, dass das Themenfeld Kultur „künftig nicht allein aus der Personalfunktion heraus gesteuert werden, sondern stärker bereichsübergreifend in der gesamten Organisation verankert werden“ soll.

Bis zum Amtsantritt von Ralph Wiechers übernimmt den Angaben zufolge Thomas Lemke, Vorstandsvorsitzender der Sana Kliniken AG, die Gesamtleitung des HR-Bereichs interimistisch für den Rest des Jahres.

Die 1976 gegründete Sana Kliniken AG ist nicht börsennotiert und betreibt eigenen Angaben zufolge derzeit bundesweit 46 Krankenhäuser sowie 57 Medizinische Versorgungszentren. Das Unternehmen beschäftigt rund 41.500 Mitarbeitende.

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KI-Sachverständige: „Hilfreich sind dynamische Betriebsvereinbarungen“ https://www.personalwirtschaft.de/news/arbeitsrecht/ki-sachverstaendige-hilfreich-sind-dynamische-betriebsvereinbarungen-195672/ Thu, 25 Sep 2025 07:08:43 +0000 https://www.personalwirtschaft.de/?p=195672 Johanna Renker von der Technologieberatungsstelle des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in NRW. Foto: Robert Poorten

Bei Einführung von KI-Systemen ziehen Betriebsräte häufig externe Sachverständige zu Rate. Johanna Renker von der Technologieberatungsstelle des DGB in NRW erklärt deren Rolle.

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Johanna Renker von der Technologieberatungsstelle des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in NRW. Foto: Robert Poorten

Bei Einführung von KI-Systemen ziehen Betriebsräte häufig externe Sachverständige zu Rate. Johanna Renker von der Technologieberatungsstelle des DGB in NRW erklärt deren Rolle.

Personalwirtschaft: Frau Dr. Renker, KI hält immer mehr Einzug in Unternehmen – auch in kleine und mittelgroße Unternehmen. Welche Themen treiben Betriebsräte bei der Implementierung entsprechender Systeme derzeit besonders um?
Johanna Renker:
Zunächst stellt sich den meisten Betriebsräten oft eine ganz grundlegende Frage, und zwar: Was ist eigentlich KI? Es gibt zwar viele Definitionen, die helfen hier praktisch aber nur bedingt. Hinzu kommt, dass das Thema oft viel Emotionalität mit sich bringt.

Inwiefern?
Wenn ich beispielsweise sage, ich arbeite mit Excel, lässt das viele kalt. Sage ich aber, mein Excel nutzt KI-Komponenten, bekommt das einen ganz anderen Touch – je nachdem, ob man gegenüber KI sehr offen, sehr skeptisch oder gleichgültig eingestellt ist. Es geht also oft nicht nur um die Technik selbst, sondern auch darum, wie die Beschäftigten sie wahrnehmen. Daher stellt sich auch die Frage, wie man die Belegschaft abholen und einbinden kann. Also: Was muss ich als Betriebsrat – abgesehen von Leistungs- und Verhaltenskontrolle – beachten und mit dem Arbeitgeber regeln?

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Diskriminierung: EuGH-Urteil schützt Eltern behinderter Kinder im Job https://www.personalwirtschaft.de/news/arbeitsrecht/diskriminierung-eugh-urteil-schuetzt-eltern-behinderter-kinder-195462/ Tue, 16 Sep 2025 11:59:36 +0000 https://www.personalwirtschaft.de/?p=195462 Eltern schwerbehinderter Kinder werden oft stark beansprucht. Darauf müssen Arbeitgeber laut EuGH in gewissem Maße Rücksicht nehmen (Foto: Antipina – stock.adobe.com)

Eine aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nimmt Arbeitgeber bei der Gestaltung von Arbeitsbedingungen von Eltern behinderter Kinder in die Pflicht.

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Eltern schwerbehinderter Kinder werden oft stark beansprucht. Darauf müssen Arbeitgeber laut EuGH in gewissem Maße Rücksicht nehmen (Foto: Antipina – stock.adobe.com)

Eine aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nimmt Arbeitgeber bei der Gestaltung von Arbeitsbedingungen von Eltern behinderter Kinder in die Pflicht.

Eltern schwerbehinderter Kinder sind bei der Vereinbarung beruflicher und familiärer Pflichten häufig in besonderem Maße beansprucht. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in diesem Zusammenhang nun entschieden, dass Arbeitgeber Rücksicht auf die Belange betroffener Mütter oder Väter nehmen müssen.

Wie die Richterinnen und Richter urteilten, seien Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen in derartigen Fällen bei Bedarf konkret „so anzupassen, dass diese Eltern sich ohne die Gefahr einer mittelbaren Diskriminierung um ihr Kind kümmern können“. Grund: Der Schutz der Rechte behinderter Personen vor indirekter Diskriminierung erstrecke sich auch auf Eltern behinderter Kinder.

Der Fall: Arbeitszeiten erschweren Betreuung

In dem Verfahren ging es um eine Arbeitnehmerin aus Italien, die bei einem Verkehrsunternehmen als Stationsaufsicht für die Überwachung und Kontrolle einer U-Bahn-Station zuständig ist. Feste Arbeitszeiten sieht die Stelle nicht vor. Daher forderte die Mutter eines minderjährigen schwerbehinderten und „vollinvaliden“ Sohns ihren Arbeitnehmer mehrfach auf, sie dauerhaft nur morgens und mit verbindlichen Arbeitszeiten einzusetzen, um den Jungen nachmittags zu einem regelmäßig anstehenden, notwendigen Behandlungsprogramm begleiten zu können. Zwar gewährte das Unternehmen der Frau zwischenzeitlich Erleichterungen im Schichtdienst und beim Arbeitsort. Dennoch blieb die Betreuung offenbar ein stetes Vabanquespiel.

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Deshalb klagte die Beschäftigte im Mai 2019 vor einem Gericht in Rom, um feststellen zu lassen, dass es „diskriminierend ist, dass ihr Arbeitgeber ihrem Antrag auf dauerhafte Umgestaltung ihrer Arbeitsbedingungen nicht entspricht“. Nachdem der Arbeitgeber der Mutter überdies im Oktober 2022 gekündigt hatte und die Sache zwischenzeitlich bis zum höchsten Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit Italiens (Corte Suprema di Cassazione) gegangen war, rief dieses den EuGH an.

Knackpunkt: Mittelbare Diskriminierung am Arbeitsplatz?

Im Kern stand dabei die Frage, ob sich Arbeitnehmer, die sich um ihr schwerbehindertes minderjähriges Kind kümmern müssen, gerichtlich „auf den Schutz vor mittelbarer Diskriminierung wegen einer Behinderung berufen“ können, den eigentlich die behinderte Person selbst genießt. Und das bejahten die Richterinnen und Richter – vor allem mit Verweis auf die europäische Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie (RL 2000/78/EG).

Die nämlich, so die Antwort aus Luxemburg, bestimme, dass das Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen einer Behinderung „auch für einen Arbeitnehmer gilt, der wegen der Unterstützung seines behinderten Kindes diskriminiert wird“. Schließlich sei es ein Ziel der Richtlinie, „in Beschäftigung und Beruf jede Form der Diskriminierung wegen einer Behinderung zu bekämpfen“. Entsprechend müssten berufstätige Eltern schwerbehinderter Kinder im Arbeitsleben auch vor unzulässiger unmittelbarer „Mitdiskriminierung“ geschützt werden, so der EuGH mit Verweis auf eines seiner früheren Urteile (Rs. C-303/06).

EuGH: Entgegenkommen hat Grenzen

Die Pflicht von Arbeitgebern, Beschäftigten in derlei Fällen bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen entgegenzukommen, ist laut der Entscheidung allerdings nicht grenzenlos: Zwar seien Unternehmen, „um die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer zu gewährleisten, verpflichtet, angemessene Vorkehrungen zu treffen, damit Arbeitnehmer ihren behinderten Kindern die erforderliche Unterstützung zukommen lassen können“. Das gelte aber nur, „sofern dadurch der Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig belastet wird“.

Als Maßstab dienen dabei unter anderem der mit etwaigen Maßnahmen „verbundene finanzielle Aufwand sowie die Größe und die finanziellen Ressourcen der Organisation oder des Unternehmens“. Zudem setzte eine etwaige Ver- oder Umsetzung „voraus, dass es zumindest eine freie Stelle gibt, die der betreffende Arbeitnehmer einnehmen kann“. Ob das hier der Fall ist, muss den Angaben zufolge nun erneut ein italienisches Gericht prüfen.

Für Deutschland hat die Entscheidung gleichwohl Bedeutung, da EuGH-Urteile einer verbindlichen Auslegung des EU-Rechts gleichkommen und insofern Bedingungswirkung für Gerichte und Behörden in den Einzelstaaten entfalten. Gleiches gilt für Personalabteilungen und Betriebsräte.

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EuGH, Urteil vom 11. September 2025, Rs. C 38/24.

Reaktionen: Urteil schließt „eine Lücke“

Aus Sicht von Personalberaterin Anna Lauber schließt das Urteil „eine Lücke“. Bislang sei in vielen Fällen unklar gewesen, ob das Diskriminierungsverbot auch Angehörige schütze, schreibt sie auf der Plattform LinkedIn.  Nun aber werde „Pflegearbeit klar als gesellschaftlich relevante Verantwortung“ anerkannt. Ihr Tipp an HR: Arbeitgeber sollten „Arbeitszeitmodelle prüfen“ und hätten so die „Chance, familienfreundlicher und inklusiver zu werden“.

Dr. Christoph Roos, Fachanwalt für Arbeitsrecht, geht in seiner Einschätzung noch weiter und sieht die Entscheidung in einem Blogbeitrag als „wegweisend“ für Arbeitnehmer an, die behinderte Kinder zu versorgen haben. Denn die hätten „künftig einen klar geregelten Anspruch auf Anpassungen ihrer Arbeitsbedingungen“.

Auch der Bundesverband wir pflegen e.V. begrüßt das Votum: Eltern von Kindern mit Behinderungen würden damit „in ihrer besonderen Situation gesehen und in ihren Rechten gestärkt“. Das wiederum bestätigte eine „richtige und wichtige Denkweise“, da „informelle Pflegeverantwortung (…) nicht zur beruflichen Benachteiligung führen“ dürfe.

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Unabhängig von individuellen Absprachen und etwaig bestehenden Betriebsvereinbarungen zur familienfreundlicher Dienstplangestaltung haben Berufstätige, die Angehörige versorgen müssen, auch die Möglichkeit, Pflegezeit oder Familienpflegezeit zu beanspruchen. Diese reichen von kurzzeitigen Freistellungen bis zur Möglichkeit, längerfristig und mit gewisser finanzieller Absicherung die Arbeitszeit zwecks Pflege von Angehörigen zu reduzieren. Hier gelten jedoch Sonderregelungen für Kleinbetriebe.  Weitere Details finden Sie in unserer Schwesterpublikation PersonalPraxis24.  

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Arbeitgeber muss für Fehler von BEM-Dienstleister geradestehen https://www.personalwirtschaft.de/news/arbeitsrecht/arbeitgeber-muss-fuer-fehler-von-bem-dienstleister-geradestehen-194767/ Fri, 29 Aug 2025 07:13:53 +0000 https://www.personalwirtschaft.de/?p=194767 Beim betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) müssen Personalabteilungen gründlich und strukturiert vorgehen. Foto: Halfpoint – stock.adobe.com

Manche Unternehmen übertragen die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements teilweise an Dienstleister. Dass dabei Vorsicht geboten ist, zeigt ein hochrelevantes LAG-Urteil.

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Beim betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) müssen Personalabteilungen gründlich und strukturiert vorgehen. Foto: Halfpoint – stock.adobe.com

Manche Unternehmen übertragen die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements teilweise an Dienstleister. Dass dabei Vorsicht geboten ist, zeigt ein hochrelevantes LAG-Urteil.

Arbeitet ein Unternehmen bei der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) mit einem externen Dienstleister zusammen, kann es die Verantwortung für etwaige Versäumnisse nicht ohne Weiteres auf diesen abwälzen. Vielmehr „muss der Arbeitgeber sich diese Verfahrensfehler wie eigene zurechnen lassen“, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg. Das könne später – wie im Streitfall – letztlich auch zur Unwirksamkeit einer etwaigen personenbedingten Kündigung führen. 

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Rechtlicher Rahmen 

Laut § 167 Abs. 1 SGB IX sind Arbeitgeber verpflichtet, ein BEM durchzuführen, wenn ein Beschäftigter innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war. Die Initiative muss dabei vom Unternehmen ausgehen (vgl. BAG, Urteil vom 20. November 2014, Az. 2 AZR 755/13 bzw. BAG, Urteil vom 17. April 2019, Az. 7 AZR 292/17).

Worum ging es? 

Kläger in diesem Rechtsstreit war ein Mitarbeiter, der seit Herbst 2014 für seinen Arbeitgeber als Transporteur tätig war. Seit 2018 fiel er dann krankheitsbedingt etliche Wochen aus – in der Spitze 121 Arbeitstage im Zeitraum allein vom 1. Juni 2021 bis zum 31. Mai 2022. Um hier Abhilfe zu schaffen, initiierte die Personalabteilung Vorbereitungen für ein BEM, dessen Durchführung in dem Unternehmen auf Basis einer Betriebsvereinbarung von einem externen Dienstleister übernommen wurde. 

Dieser sandte dem Transporteur Ende Januar 2023 einen Infoflyer sowie ein Einladungsschreiben zur Teilnahme am BEM zu. Darin wurde ihm ein „erstes Informationsgespräch“ angeboten, zu dem er sich bereit erklärte und das Ende Februar dann auch zwischen ihm und der BEM-Beauftragten (des Dienstleisters) stattfand. Begleitet wurde er dabei von einem Betriebsratsmitglied. 

Im Nachgang wurde ein Protokoll des Gesprächs verfasst und unterschrieben. Der Beschäftigte soll laut Unternehmen das weitere BEM-Verfahren abgelehnt haben mit dem Hinweis „Nein, da Arbeit passt.” Im Juli hörte der Arbeitgeber dann den Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung des Transporteurs an. Nachdem der darauf nicht reagiert hatte, kündigte das Unternehme das Arbeitsverhältnis zu Ende Oktober 2023. Dagegen klagte der Betroffene.

Gerichte nehmen Arbeitgeber in die Pflicht 

Nachdem das Arbeitsgericht Stuttgart der Kündigungsschutzklage entsprochen und die Kündigung als unwirksam eingestuft hatte, ging das Unternehmen in Berufung – unter anderem mit dem Argument, der Kläger habe einer Teilnahme am BEM widersprochen. Zudem sei nicht davon auszugehen, dass sich die Ausfallzeiten verringern würden, da er angegeben habe, seine Arbeitsbedingungen passten, weshalb der Arbeitsplatz nicht ursächlich sein könne.  

Das aber ließ das LAG nicht gelten. Zwar hätten die Fehlzeiten des Klägers in der Tat erhebliche Entgeltfortzahlungskosten verursacht. Die darauf gestützte Kündigung sei jedoch unverhältnismäßig, sozial ungerechtfertigt und damit gemäß § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam. Zur Begründung hieß es unter anderem, dass Unternehmen habe „nicht dargelegt, dass keine zumutbare Möglichkeit bestand, die Kündigung durch mildere Maßnahmen zu vermeiden“. 

Erschwerend hinzukomme, dass dem Dienstleister mehrere Verfahrensfehler unterlaufen seien, was sich das Unternehmen zurechnen lassen müsse. Durch diese Fehler sei es letztlich zu einem „Nichtstart des BEM“ gekommen. 

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Fehlerhafte Datenschutz-Belehrung und Verstoß gegen BV  

Ein erster Verfahrensfehler lag demnach darin, dass Informationsgespräch und BEM-Flyer unzureichend waren. Entgegen gesetzlichen Anforderungen hätten weder Unternehmen noch Dienstleister dem Kläger mitgeteilt, „welche Krankheitsdaten – als sensible Daten im Sinne des Datenschutzrechts – erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden“. 

Zudem habe sich die Arbeitgeberseite widersprüchlich verhalten, so die Richterinnen und Richter. Einerseits sei in dem Einladungsschreiben ausdrücklich nur von einem ersten Informationsgespräch die Rede gewesen, in dem man bei entsprechendem Interesse des Mitarbeiters über nähere Einzelheiten und den genauen Verlauf des Verfahrens informieren wolle.  

Andererseits sei in dem vermeintlichen Informationsgespräch dann aber bereits über die Krankheiten des Klägers, seinen Arbeitsplatz und dessen Belastungen sowie über Änderungsideen und Wünsche des Mannes gesprochen worden. Diese „Vermischung der beiden Verfahrensschritte“ verstoße jedoch gegen die geltende Betriebsvereinbarung und sorgte dafür, dass „letztlich die Ernsthaftigkeit des ganzen Prozesses verloren ging“.  

Schließlich sei dem Mann von Arbeitgeberseite suggeriert worden, dass ihm bei erneuter Arbeitsunfähigkeit keineswegs gekündigt würde, hieß es doch in einem unterschriebenen Protokoll des Infogesprächs: „Falls der Mitarbeiter erneut erkrankt, kann er freiwillig ein BEM starten bzw. nach 6 Wochen erneuter Arbeitsunfähigkeit bekommt er eine neue Einladung.“ Zudem durfte der Mitarbeiter laut LAG davon ausgehen, dass das eigentliche BEM noch gar nicht begonnen hatte.

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 04. Januar 2025, Az. 15 Sa 22/24
Vorinstanz: ArbG Stuttgart, Urteil vom 20. März 2024, Az. 13 Ca 72/23 

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Praxistipp: 

Der konkrete Verfahrensablauf für ein BEM sollte in Unternehmen mit Betriebsrat sinnvollerweise durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung festgelegt werden. Denn eine solche Vorgehensweise bietet nicht nur Rechtssicherheit, sondern trägt auch zur besseren Transparenz und Sicherstellung identischer Rahmenbedingungen für alle Beschäftigten bei. Zudem erhöht das tendenziell die Akzeptanz in der Belegschaft – ein nicht zu unterschätzender Faktor. 

Wie das Urteil zeigt, sollte HR strikt darauf achten, dass die entsprechenden Prozessschritte auch tatsächlich von allen Beteiligten eingehalten werden.

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Wie viele Beschäftigte nutzen den Bildungsurlaub? https://www.personalwirtschaft.de/news/allgemein/wie-viele-beschaeftigte-nutzen-den-bildungsurlaub-193768/ Wed, 30 Jul 2025 12:47:57 +0000 https://www.personalwirtschaft.de/?p=193768 Stressbewältigung wie die Bewegungslehre Tai Chi zählt zu den beliebten Themen für den Bildungsurlaub (Foto: Natalie - stock.adobe.com).

Bildungsurlaub erfreut sich offenbar steigender Beliebtheit, wie aktuelle Zahlen zeigen. Dennoch nutzt ihn nur eine von 14 Personen. Wir zeigen, was HR und Mitarbeitende zum Thema wissen müssen.

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Stressbewältigung wie die Bewegungslehre Tai Chi zählt zu den beliebten Themen für den Bildungsurlaub (Foto: Natalie - stock.adobe.com).

Bildungsurlaub erfreut sich offenbar steigender Beliebtheit, wie aktuelle Zahlen zeigen. Dennoch nutzt ihn nur eine von 14 Personen. Wir zeigen, was HR und Mitarbeitende zum Thema wissen müssen.

Für viele Beschäftigte ist Bildungsurlaub offenbar zunehmend interessant. Das zumindest legen Zahlen nah, die der Anbieter Bildungsurlauber.de in seinem „Bildungsurlaub Trend Bericht 2025“ am Mittwoch veröffentlicht hat. Demnach nutzten im vergangenen Jahr rund 1,04 Millionen Beschäftigte ihr Recht auf bezahlten Sonderurlaub für Weiterbildungszwecke. Das sei ein Anstieg um rund sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Den Angaben zufolge ist damit „erstmals die Millionengrenze“ geknackt worden.

Hierzulande gibt es rund 35 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Nicht alle von ihnen haben jedoch Anspruch auf Bildungsurlaub. Grund ist unter anderem, dass in Sachsen und Bayern derzeit noch entsprechenden Gesetze fehlen und in vielen anderen Bundesländern Kleinbetriebsklauseln oder Quoten existieren.

Die Zahl der Anspruchsberechtigten liegt dem Bericht zufolge bei 14,06 Millionen Beschäftigten. Daher nehme lediglich jeder beziehungsweise jede 14. Anspruchsberechtigte das Recht auf Bildungsurlaub wahr. Diese Ergebnisse stammen laut dem Bericht aus Zahlen des Statistischen Bundesamts sowie des Ifo Instituts.

Das deckt sich in etwa mit Einschätzungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), der davon ausgeht, dass zwar rund 77 Prozent aller Beschäftigten „an Fortbildungen interessiert“ seien, aber nur ein bis zwei Prozent aller abhängig Beschäftigten wirklich Bildungsurlaub antritt.

Gesundheitsthemen sind besonders gefragt

Unter den Themen, mit denen sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihrem Bildungsurlaub beschäftigen, liegen laut des Anbieters vor allem die Bereiche Gesundheit und Stressbewältigung sowie persönliche und berufliche Entwicklung weit vorn. Das Unternehmen beruft sich dabei auf Buchungsanfragen, die bei der eigenen Internet-Plattform Bildungsurlauber.de eingingen.

Welche Themenfelder ansonsten gefragt sind, zeigt folgende Übersicht:

Themenbereich Anteil der Anfragen
Gesundheit & Stressbewältigung 55,44 %
Persönliche & berufliche Entwicklung 43,08 %
Sport, Fitness, Yoga 33,77 %
Sprachkurse 29,19 %
Sprachreisen 23,39 %
Natur, Ökologie & Umwelt 18,20 %
Gesellschaft, Politik, Bildung, Zeitgeschehen 17,45 %
Kreativität (Fotografie, Malen, Musik) 9,40 %
Studienreisen 8,36 %
Wissenschaft & Lehre 7,63 %
Business, Management & Finanzen 6,81 %
Technik, Handwerk & Gewerbe 3,50 %
IT, Office & Programmieren 1,75 %
Kaufmännisches, Steuer 0,90 %
Marketing & Design 0,83 %
Quelle: Bildungsurlauber.de (Zeitraum: 01.01.2024 – 31.12.2024)

Bildungsurlaub: Was gilt arbeitsrechtlich?

Unter Bildungsurlaub versteht man grundsätzlich die Teilnahme an einer beruflichen oder gesundheits- beziehungsweise kulturpolitischen Weiterbildungsmaßnahme. Diese können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den meisten Bundesländern zusätzlich zu ihrem Jahresurlaub beanspruchen. Hier hat der Betriebsrat für allgemeine Regeln ein Mitbestimmungsrecht im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG.

Ist der individuelle Anspruch gegeben, muss der Arbeitgeber Beschäftigte unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit freistellen. Welches Landesrecht dabei gilt, richtet sich nach der Lage des gewöhnlichen Arbeitsplatzes. Wer also in Mainz (Rheinland-Pfalz) wohnt, aber in Wiesbaden arbeitet, unterliegt dem Hessischen Gesetz über den Anspruch auf Bildungsurlaub (HBUG). Während der Arbeitgeber für diese Lohnfortzahlung aufkommen muss, sind die Kostenpunkte Seminargebühren, An- und Abreise sowie Unterkunft individuell zu tragen. Maßstab für die Vergütung ist dabei das durchschnittliche Arbeitsentgelt, das in den 13 vorangegangenen Wochen gezahlt wurde.

Bildungsurlaub kann dabei nur für Seminare und Veranstaltungen beansprucht werden, die von einem anerkannten Träger für Bildungsurlaubsmaßnahmen durchgeführt werden oder gesondert als Bildungsurlaub eingestuft wurden. Für welche das gilt, entscheiden zumeist die Landesbildungsministerien.

Die Bandbreite reicht dabei von berufsnahen Fortbildungen mit technisch-ökonomischen Schwerpunkten über Sprachkurse und -reisen zu Gesundheitsseminaren oder persönlichkeitsbildenden und politischen Kursen. Auch Weiterbildung für Ehrenämter werden angeboten.

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Um wie viele Tage geht es?

In den meisten Bundesländern beträgt der Anspruch auf Bildungsurlaub fünf Arbeitstage je Kalenderjahr. Wird regelmäßig an mehr oder weniger als fünf Tagen in der Woche gearbeitet, kann dies nach oben oder unten variieren, wobei Bruchteile eines Tages zugunsten der Beschäftigten aufgerundet werden. In manchen Bundesländern können Ansprüche aus dem Vorjahr nach entsprechender Mitteilung an den Arbeitgeber auch übertragen werden. Auch Azubis haben vielerorts ein Recht auf Bildungsurlaub.

Das aber ist anscheinend vielen Beschäftigten nicht bewusst: „Das Interesse an selbstbestimmter Weiterbildung wächst – besonders bei jungen Beschäftigten. Aber viele kennen ihren Anspruch nicht oder scheitern an der Bürokratie“, sagt dazu Anian Schmitt, Geschäftsführer von Bildungsurlauber.de.

Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende, appelliert in einer Mitteilung vor diesem Hintergrund auch an die Politik: „Ich freue mich, dass der Bildungsurlaub immer beliebter wird. Damit das so bleibt, müssen die Regelungen der Bundesländer einheitlicher werden und wichtige Themen wie Teilhabe und politische Bildung endlich überall abdecken.”

Kann HR einen Bildungsurlaub ablehnen?

Grundsätzlich kann ein Antrag auf Bildungsurlaub nur aus dringenden betrieblichen Gründen abgelehnt werden oder wenn es sich um einen nicht anerkannten Bildungsträger handelt. Dem tragen in vielen Bundesländern auch Regelungen zu Sonder- und Überforderungsklauseln Rechnung, mit denen verhindert werden soll, dass in Kleinbetrieben mehrere Personen zugleich Bildungsurlaub nehmen.

Das scheint sich in der Praxis zu bestätigen, wie Zahlen des Ifo-Instituts aus 2023 zeigen: „Der Anteil der Unternehmen, die Anträge erhalten und Bildungsurlaub gewähren, nimmt mit sinkender Betriebsgröße ab: 86 Prozent der Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten bieten Bildungsurlaub an, in der nächstkleineren Unternehmensgröße sind es 77 Prozent. Bei Unternehmen mit 50–249 Beschäftigten ermöglichen 57 Prozent Bildungsurlaub, bei Unternehmen unter 50 Mitarbeitenden sind es 41 Prozent.

Vorteile für Beschäftigte und Kritik der Arbeitgeber

Obwohl nur wenige Beschäftigte tatsächlich Bildungsurlaub beantragen, gibt es in Organisationen anscheinend nicht selten Vorbehalte. „In vielen Unternehmen wird das Thema Bildungsurlaub unter den Teppich gekehrt“, berichteten auch die Diplom-Psychologinnen Edina Causevic und Carola Endemann, die im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention tätig sind, im Frühjahr in einem Interview mit der F.A.Z.. So gebe es Fälle, in denen die Teilnahme nur mit der Maßgabe bewilligt wurde, „nicht in der Firma darüber zu sprechen“, um Nachahmungen zu vermeiden.

Ob die Ursache dafür Unkenntnis, Unwillen oder begründete wie unbegründete Sorge vor Produktivitätseinbußen ist, ist statistisch nicht genauer untersucht. Wie sehr das Thema polarisiert, zeigte sich aber jüngst in Sachsen. Dort soll es ab 2027 einen Anspruch auf Bildungszeit geben, was bei Wirtschaftsverbänden zum Teil starke Kritik auslöste, da das Gesetz „zur Unzeit“ käme.

Umgekehrt verweisen Experten auf positive Effekte für Unternehmen. Laut der Krankenkasse DAK-Gesundheit sind Mitarbeitende, „die Bildungsurlaub beantragen, sich freiwillig weiterbilden und noch dazu beispielsweise politische Bildung in Form von Studienreisen wählen, meistens motiviert, selbstständig arbeitend und an den Betrieb gebunden“. Ob es nun eben diese Menschen, die sich um einen Bildungsurlaub kümmern, anstatt dass sie durch den Bildungsurlaub diese Eigenschaften gewonnen haben, ist an dieser Stelle nicht ganz klar. Wer als Arbeitgeber aber entsprechend unterstützt, kann damit sicherlich zu Retention Management und Employer Branding beitragen.

Eine wissenschaftliche Untersuchung an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg aus dem Jahr 2022 beleuchtete  einen weiteren Aspekt, der im Hinblick auf den demografischen Wandel und die Forderung nach lebenslangem Lernen aufschlussreich ist: „Viele Befragte bestätigen, dass sie durch die Mehrfachteilnahme an Bildungsfreistellung ihre Einstellungen und Haltungen reflektiert und verändert haben und sich daraus erweiterte Handlungsmöglichkeiten im privaten, gesellschaftlichen und beruflichen Umfeld ergeben haben.“

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