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Sind Gehaltsbänder ein Auslaufmodell?

Das Lohnniveau steigt, und die demografische Entwicklung heizt den Wettbewerb um Talente in Deutschland an. Sind Gehaltsbänder noch das passende Tool für ein professionelles Vergütungsmanagement, oder ist der Market-Pricing-Ansatz die bessere Alternative?

Viele Arbeitgeber blicken mit großer Sorge auf die nächste Gehaltsrunde. Das Jahr 2022 ist von einer Hochinflation sowie einer globalen Wirtschaftskrise geprägt. Auch nach den Corona-Jahren kommt die Wirtschaft nicht zum Durchatmen. Der Wettbewerb um Arbeitskräfte und Talente wird schärfer, das Phänomen der sogenannten Hot Jobs (Stellen, die möglichst schnell besetzt werden sollen) nimmt zu – insbesondere im Digitalisierungsbereich –, gleichzeitig steigt aber der Kostendruck in vielen Industrien.

Daher stellen sich viele Unternehmen und Compensation-Experten die Frage: Sind Gehaltsbänder noch zeitgemäß? Oder ist es in der heutigen Zeit sinnvoller, Market Pricings vorzunehmen?

Was leisten die Methoden zur Vergütungsbestimmung?

Der Vorteil von Gehaltsbändern leuchtet ein: Ihr Prinzip lässt sich leicht erklären und ist für alle Beteiligten nachvollziehbar. HR hat somit ein starkes Werkzeug an der Hand, mittels dessen der Vergütungsprozess gesteuert werden kann – und auch hinsichtlich der Kosten lässt sich genau prognostizieren, was eine Stelle kostet. Diese Kosten sind bei einem Market-Pricing-Ansatz schwer vorhersehbar, da sich Marktdaten von Jahr zu Jahr deutlich volatiler zeigen können.

Auch sorgen Gehaltsbänder für eine höhere distributive Gerechtigkeit innerhalb des Gehaltsgefüges, da diese dem Grundsatz folgen: „Gleiches Geld für gleichwertige Arbeit“. Zudem kann durch Gehaltsbänder und die zugehörigen Prozesse eine Verfahrensgerechtigkeit erreicht werden, da Vergütungsprozesse wie beispielsweise Stellenbewertungen oder die Budgetierung leichter offengelegt werden können. 

Market Pricing folgt stattdessen rein der „Gerechtigkeit“ des Marktes und zeigt nicht auf, ob eine Vergütung auch intern gerecht ist. Die negativen Auswirkungen von fehlender Transparenz zeigt unter anderem eine Studie von Montag-Smit & Smit (2021): Das Vertrauen der Mitarbeitenden in die Organisation wird erheblich reduziert, wenn das Unternehmen bewusst Prozesse und/oder Themen geheim hält.

Checkliste

Entsprechend haben in den Organiationen Gehaltsbänder noch lange nicht ausgedient. Allerdings sollten verschiedene Grundregeln eingehalten werden, um sicherzustellen, dass sie kompetitiv und zeitgemäß sind.

  1. Regelmäßige Überprüfung der Gehaltsbänder
    Gehaltsbänder sollten regelmäßig überprüft werden, sowohl durch eine interne Analyse als auch das Heranziehen von externen Marktdaten. Externe Marktdaten können einerseits von bekannten Studienanbietern, wie zum Beispiel Willis Towers Watson, Lurse, Culpepper oder Mercer eingekauft werden, aber auch durch Newcomer wie competewith.com, figures.hr, pave.com, ravio.com oder talentup.io. Bei einem Studienkauf ist es insbesondere wichtig, die Qualität und Quantität (Stichprobengröße und Passung zur Industrie) zu evaluieren, um zu validen Ergebnissen zu gelangen. Auch der Abgleich zu Tarifverträgen kann bereits einen Marktvergleich schaffen (insbesondere für Unternehmen, die nicht tarifgebunden sind). 
  2. Breite Modellierung der Gehaltsbänder
    Generell sollten die Gehaltsbänder so breit wie nötig und zugleich so breit wie möglich modelliert werden. Es zeigt sich am Markt auch eine hohe Varianz durch die sogenannten Hot Jobs. Das Gehaltsband sollte entsprechend alle Jobs im Unternehmen abbilden können. Eventuell macht es Sinn, für bestimmte Funktionsgruppen eigene Bänder zu modellieren wie beispielsweise für den Vertrieb. Die Breite der Gehaltsbänder kann auch interkulturell variieren. So neigen chinesische Unternehmen teilweise dazu, die Gehaltsbänder aufgrund der Volatilität des Marktes noch breiter zu definieren.
  3. Beobachtung des Marktes
    Neue Marktdaten müssen nicht unbedingt jedes Jahr unbedingt eingekauft werden, allerdings sollte immer beobachtet werden, ob das Gehaltsniveau im Markt steigt. Ein Indiz können makroökonomische Kenngrößen sein, wie zum Beispiel die Arbeitslosenquote oder die Inflation. Auch bieten die bekannten Anbieter wie WTW, Lurse oder Culpepper jährlich kostenlose Budget-Surveys an, die aufzeigen, welche Erhöhungen Marktteilnehmer für die nächste Gehaltsrunde einplanen. Auf Grundlage dieser Daten könnten die Gehaltsbänder jährlich angepasst werden.
  4. Wahrnehmung der Gerechtigkeit durch Mitarbeitende
    Gehaltsbänder können ein Gerechtigkeitsempfinden in der Organisation unterstützen. Allerdings sollte bei der Implementierung darauf geachtet werden, dass Strukturen und Prozesse sowohl prozedural als auch distributiv gerecht sind. Wenn das Gehaltssystem nicht als gerecht wahrgenommen wird, so kann sich dies negativ auf die Organisation auswirken. Zum Beispiel sinkt die Zufriedenheit der Beschäftigten, wenn sie Ungerechtigkeit empfinden (Schnaufer et. al., 2022). 
    Maßnahmen für die Herstellung einer Gerechtigkeit können unter anderem eine vorurteilsfreies und leicht erklärbares Stellenbewertungssystem sein sowie klare Lohnfindungsprozesse. Einer der wichtigsten Faktoren zur Herstellung eines Gerechtigkeitsempfindens ist der Faktor Kommunikation. Beschäftigten sollte unter anderem der Prozess der Eingruppierung sowie die individuelle Lage im Gehaltsband erklärt werden. Das fairste System wird nicht als gerecht erlebt, wenn es nicht verstanden wird. Daher ist es notwendig, das Thema Kommunikation beim Vergütungsmanagement mitzudenken.

Fazit

Gehaltsbänder bleiben das bewährte Instrument, um Gehälter in Unternehmen gerecht und fair zu steuern. Diese Herangehensweise wird auch aufgrund der EU-Gesetzgebung zum Thema Equal Pay und Lohntransparenz einen immer größeren Stellenwert bekommen. Daher haben Gehaltsbänder noch lange nicht als Vergütungsinstrument ausgedient. Wichtig ist es allerdings, die beschriebenen Faktoren bei der Implementierung zu beachten.

Lisanne Metz
Managing Director & COO
Gradar, QPM Quality Personell Management GmbH
lisanne.metz(*)gradar(.)com
www.gradar.com