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Zwischen Krisenmodus und New Work

Portraitfoto Prof. Dr. Jutta Rump
Foto: © ibe Ludwigshafen

Frau Professor Rump, Sie
hatten Ende März mit einer Umfrage unter 400 HR-Verantwortlichen ein erstes
Stimmungsbild zur Corona-Krise eingeholt. Waren Sie überrascht von Ihren
Umfrageergebnissen?

Ich war überrascht über die Eindeutigkeit der Ergebnisse.
Die langfristigen wirtschaftlichen Folgen werden sehr kritisch betrachtet. Das
Damoklesschwert der Insolvenz ist für die meisten Befragten sichtbar. Im
Gegensatz zu diesen existenziellen Ängsten, die die Pandemie auslöst, wird die
Gefahr für die eigene Gesundheit als nicht so groß wahrgenommen. Die
wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Folgen der Corona-Krise
verursachen also deutlich mehr Ängste als die eigentliche Krankheit.

Wie schätzen Sie die
Rolle von HR in der Krisenbewältigung ein? Ist HR gut vorbereitet gewesen?

Bei den klassischen Kriseninstrumenten konnte HR schnell
reagieren. Maßnahmen wie Kurzarbeit oder der Abbau von Arbeitszeitkonten sind
bekannt und haben sich bereits in der Vergangenheit bewährt. Auch Konzepte für
flexible Arbeitsformen – Stichwort Homeoffice – sind für HR nicht neu. Sie
konnten sie in der Vergangenheit nur selten umsetzen. Jetzt erleben wir, dass
Homeoffice sogar flächendeckend funktionieren kann – vorausgesetzt die IT-Ausstattung
stimmt. Die aktuelle Corona-Krise ist – auch wenn sich das jetzt komisch anhört
– für die Umsetzung moderne HR-Konzepte ein Geschenk gewesen.  

Was wird von dieser
New-Work-Euphorie bleiben? Befürchten Sie eine Rückkehr zu alten
Organisationsmustern?

Je länger wir im Homeoffice arbeiten werden, desto
schwieriger wird es, zum alten Präsenzmodus zurückzukehren. Ich persönlich
glaube auch, dass es jetzt schon schwer wird. Aus einem anderem Studienprojekt,
bei dem wir Führungskräfte zur digitalen Transformation interviewen, erkennen
wir einen deutlichen Bewusstseinswandel. Die Befragten stellen die positiven
Aspekte des Homeoffice heraus: weniger Reisen, mehr Zeit, weniger Ablenkung,
insgesamt mehr Produktivität. Ich erlebe teilweise Begeisterungsstürme, vor
allem bei ehemaligen Bedenkenträgern des New Work-Gedankens. Wir werden nach
einer Übergangsphase des Back-to-Office zu einer gesunden Mischform
zurückkehren, zu einem Hybrid-Modell, bei der der Anteil an Homeoffice deutlich
größer sein wird als vor der Krise. Je nach Arbeitssituation werden wir die
Vorzüge der unterschiedlichen Arbeitsorte nutzen können. Die Arbeitswelt wird
sich durch die Corona-Krise also deutlich verändern, sie wird virtueller. Das
gleiche gilt auch für das Lernen, wie ich gerade selbst an der Hochschule
erleben darf.

Zurück zum
Krisenmodus: Personalmanager sind aufgefordert worden, die Personalkosten teilweise
drastisch zu senken. Gehen die Unternehmen hier klug vor?

Die Unternehmen versuchen zunächst, mit den bereits
erwähnten Maßnahmen wie Kurzarbeitergeld und Arbeitszeitkontenreduzierung der
Krise entgegenzuwirken. Zudem werden Zeitarbeitsverträge gekündigt und befristete
Verträge nicht verlängert. Auch Vorruhestandsregelungen kommen wieder verstärkt
ins Blickfeld der Unternehmen. Betriebsbedingte Kündigungen sind dagegen das
letzte Mittel der Wahl, das hat unsere Umfrage Ende März gezeigt und das sehen
wir aktuell an den Arbeitsmarktzahlen. HR bedient sich also zunächst der
weicheren Maßnahmen, um Personalkosten zu reduzieren. Dieses besonnene
Verhalten ist durchaus klug. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass die
Unternehmen vor Corona-Krise einen Fachkräftemangel beklagt haben. Dieses
Spannungsfeld zwischen der kurzfristigen Liquiditätssicherung und der
mittelfristigen Fachkräftesicherung ist natürlich nicht einfach zu managen.
Aber die Wirtschaft wird wieder anspringen und dann sind Fachkräfte gefragt.

Wird der Arbeitsmarkt
mit einem blauen Auge davonkommen?

Das blaue Auge lässt sich leider an den steigenden
Arbeitslosenzahlen deutlich erkennen. Aber die Wirtschaft fährt in Deutschland,
Europa und in Asien wieder hoch. Deshalb hoffe ich, dass wir in einem Jahr
wieder mehr über Recruiting und Talent Management diskutieren und den
Krisenmodus verlassen können.

+++

Weitere Informationen zur erwähnten Studie „Personalpolitik
in der Corona-Krise“ finden Sie hier
.

Im aktuellen Juni-Heft der Personalwirtschaft (Titelthema
„HR, hilf!“) finden Sie zudem zahlreiche Beispiele, wie Unternehmen mit guter
Personalarbeit die Corona-Krise meistern.

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