Auch in diesem Jahr rief Winfried Felser wieder zum „Next Act“ der digitalen Transformation auf. Mit rund 500 Gästen folgten mehr denn je seiner Einladung. Das mag auch am Veranstaltungsort gelegen haben: Das Phantasialand bot einen ungewöhnlichen Rahmen für eine außergewöhnliche Veranstaltung.
Die Community in Deutschland, die die digitale Transformation in den Unternehmen vorantreiben will, wächst. Das ist unzweifelhaft auch ein Verdienst von Winfried Felser, Gründer des Online-Netzwerkes Competence Site. Mit seiner Veranstaltung „Next Act“ lädt er jährlich digitale Vordenker aus unterschiedlichen Branchen ein. Er selbst sieht Next Act als Plattform und nicht als klassisches Event-Format.
Das erklärt die eine oder andere Leerstelle im Ablauf. Einiges wirkt improvisiert, manch ein Besucher reibt sich verwundert die Augen: Wieso steht auf dem Programm immer noch der Vermerk „In Arbeit“? Aber es zeigt auch den Charakter von Next Act: Die Teilnehmer sind Mit-Veranstalter. Langjährige Begleiter der Competence Site und Next-Act-Besucher wissen und schätzen das. Und nach dem Felser-Motto „Macht was draus“ haben sie in diesem Jahr in über 20 Sessions reichlich das Mitmach-Angebot genutzt.
Optimistischer Auftakt: Von Hidden zu Next Champions
Der Auftakt im Kongressgebäude des Phantasialands war prominent besetzt. Die Keynotes von NRW-Minister Andreas Pinkwart und Professor Hermann Simon sowie eine anschließende Podiumsdiskussion mit Professor Heribert Meffert und den Pioneer-Unternehmern Stephan Krumm (e.Go Mobile) sowie Myriam Jahn (q-loud) zeigten die Erfolgsmuster erfolgreichen Unternehmertums im Zeitalter der Digitalisierung auf. Sind die Hidden Champions auch die Next Champions der Digitalisierung? Hermann Simon, der vor 30 Jahren den Begriff Hidden Champions prägte, sieht die mittelständischen Weltmarktführer gut aufgestellt. „Deutsche Hidden Champions sind in der B2B-Digitalisierung führend“, so Simon. Das liege auch an der starken Führungskultur: „Autoritär in den Prinzipien, flexibel in den Details“. An dieser Stelle gab es erstaunlich wenig Widerspruch auf dem Podium. Über New Work und neue Organisationsprinzipien wurde später an anderer Stelle umso intensiver diskutiert.
Mahnende Worte von Sattelberger
Die Abschluss-Keynote von Thomas Sattelberger, ehemaliger Telekom-Personalvorstand und heutiger FDP-Bundestagsabgeordneter, relativierte dagegen die positive Grundstimmung des Vormittags. Deutschland, so Sattelberger, habe zu viele industrielle Monokulturen und zu wenige Start-ups. Vor allem die Automobilbranche stehe vor gravierenden Veränderungen. Hier könne die vom Nationalökonomen Schumpeter beschriebene schöpferische Zerstörung ähnlich stattfinden wie in der Kohleindustrie. „Wenn wir die digitale Transformation nicht meistern, wird uns die soziale Frage einholen“, so Sattelberger (ganz ähnlich hatte kürzlich übrigens auch > Sascha Lobo bei der NWX argumentiert). Er setzt auf regionale Netzwerke im Verbund von Wissenschaft, Mittelstand und Start-ups. Die Region Ostwestfalen-Lippe nannte er – wie zuvor NRW-Minister Pinkwart übrigens auch – als leuchtendes Beispiel. Netzwerke, Kollaboration, Kompetenzaustausch, Ökosysteme: Diese auch für die Next-Act-Philosophie von Winfried Felser zentralen Attribute der digitalen Transformation kamen so noch einmal zur Geltung.
Buntes Treiben
Im Kern der Next Act-Veranstaltung wurde diskutiert und gearbeitet wie erwartet. Diesmal allerdings in besonderer Weise inspiriert durch den Veranstaltungsort. Nach dem Auftakt im „Quantum“ zogen die Teilnehmer über das Gelände des Phantasialandes zum „Wuze Town“. Hier, wo sonst Kinder in eine Fantasiewelt eintauchen, tummelten sich gestandene Manager, Berater und Wissenschaftler in unterschiedlich gestalteten Räumen. Wer wollte, konnte sogar die Indoor-Achterbahn nutzen. Next Digital, Next Marketing, Next HR und New Work – in diesen vier Slots gab es 20 Sessions. Das Setting: Impulsvortrag, Fishbowl-Diskussionen, Workshops. Der Impuls war geplant, der Rest lag in den Händen der Moderatoren und Teilnehmer.
Next HR
Der Track Next HR wurde von den Magazinen Personalwirtschaft und HR Performance begleitet: Franz Langecker, Chefredakteur der HR Performance, sowie Erwin Stickling, Herausgeber der Personalwirtschaft, moderierten abwechselnd. Den ersten Impuls setzte Franz Langecker selbst: „Next HR zwischen Konsumerisierung und HR Awesome“, so der Titel. Langecker zeigte anschaulich, wie sich die HR-Rolle in den vergangenen 30 Jahren gewandelt hat: von einer weniger glanzvollen Administratorenrolle hin zu einer Gestalterrolle in der digitalen Welt. Personalarbeit wirkt heute bunter, digitaler und marketingorientierter. Doch wie viel Fassade steckt in diesen Bildern? Befindet sich HR tatsächlich im Aufbruch und nutzt die Chance einer neuen Positionierung? Darüber wurde kontrovers diskutiert. Für Katharina Heuer, ehemalige Geschäftsführerin der DGFP, sind die Zeiten für HR besser denn je, um sich als Gestalter zu positionieren. Sie hält auch wenig von der lähmenden Frage, ob HR Koch oder Kellner im Unternehmen sei. Sie betonte: „HR hat viel Power, und es gibt hervorragende Projekte, auf die HR stolz sein kann.“ Christina Bösenberg, erfahrene Transformationsberaterin, nimmt in den Unternehmen unterschiedliche Geschwindigkeiten wahr, mit denen Personalmanager die Themen Digitalisierung und Kundenorientierung vorantreiben. Auch die Transformationskompetenz von HR sei sehr unterschiedlich ausgeprägt. Interessant dabei ist ihre Neuinterpretation der Rolle von HR im Unternehmen: „Der bessere Begriff für HR ist Human Connectors.“
Eine Personalmanagerin aus dem Publikum warnte vor Euphorie. HR sei vor allem eine harte, kraftzehrende Arbeit. Man müsse um die Gestalter-Rolle kämpfen. Personalmanager sollten sich also fragen: „Wie schaffen wir es, dass man für die Entwicklung neuer Trends auf uns zukommt?“ Ein HR-Manager eines Energiekonzerns betonte, die Core-Prozesse müssten sauber definiert und digitalisiert sein. Dann könne sich HR um Kulturthemen und vor allem um die Rolle als Employee Champion kümmern. Die Kür für HR.
Kundenorientierung und mehr
Die zunehmende Kundenorientierung – ein gezielter Blick auf Bewerber, Mitarbeiter und Führungskräfte – scheint HR tatsächlich zu beflügeln. Dazu gehört auch das Thema Learning. Thomas Jenewein von SAP erarbeitete in seinem Next-Learning-Workshop mit den Teilnehmern Visionen, die Lust auf Lernen und Wissensaustausch machen. Und natürlich zählt zu einer Personalarbeit im Aufbruch auch die Frage, wie Leadership neue Impulse bekommt. Michael Kühner, Geschäftsführer von Strametz Associates, präsentierte in der Session Next Leadership interessante Zahlen einer Studie. Demnach hatt sich bisher nur ein Drittel der befragten Unternehmen auf den Weg zu einem neuen Leadership-Verständnis gemacht.
Brauchen wir überhaupt Schlagworte wie New Leadership, um zu verdeutlichen, dass sich Führung verändern muss? Oliver Maassen, Personalchef beim Maschinenbauer Trumpf wäre froh, wenn die Unternehmen Leadership überhaupt ernst nehmen würden. Neue Buzzwords brauche es dazu nicht. Man müsse aber deutlich machen, dass Führungskräfte eine zentrale Rolle in der digitalen Transformation spielen. Trumpf setzt dabei auf neue Austauschformate mit Führungskräften, Mitarbeitern und Betriebsräten und auch auf neue Kompetenzmodelle. Auch bei der Telekom hat sich die Führungskräfteentwicklung deutlich verändert. Sie ist globaler geworden und nimmt zentrale Elemente von New Leadership und New Work in den Blick, wie Christiana Schulte-Kutsch, VP Leadership & Culture, betonte. Auch Michael Kühner berichtete aus Beraterperspektive von ermutigenden Change-Projekten im Mittelstand.
Es tut sich also etwas im HR-Bereich, wie die Diskussionen zeigen. Das Erfolgsrezept: Mehr Kundenorientierung in den Prozessen, gezielter Einsatz cloudbasierter Softwaretools, Ausbau innovativer Lern- und Austauschformate – und vor allem die Etablierung einer Führungskräfteentwicklung, die die digitale Transformation als Kulturauftrag wahrnimmt. Nebenbei werden klassische Performance-Instrumente neu justiert. Der Teamerfolg steht im Mittelpunkt. Ist Next HR agil? Bestimmt – doch auch über die Lebendigkeit des Begriffs Agilität wurde im Rahmen der Veranstaltung intensiv diskutiert.
Wie geht’s weiter?
Winfried Felser und sein Team haben einen ungewöhnlichen, inspirierenden Rahmen für ein interdisziplinäres Netzwerktreffen geschaffen. Die Teilnehmerzahl, die Diskussionskultur vor Ort und in den sozialen Netzwerken zeigen, wir wichtig dieser Raum insbesondere auch für die HR-Community ist. Ein Next Act als Treffpunkt darf im Jahr 2020 nicht fehlen. Bis dahin wird auf der Competence Site und den Online-Kanälen von Winfried Felser fleißig weiterdiskutiert. Ein Tipp für die Programmgestaltung 2020: Weniger ist manchmal mehr.