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Wird durch Kurzarbeit der Urlaubsanspruch verringert?

Der Arbeitnehmer (nachfolgend: AN) erwirbt grundsätzlich zum 1. Januar eines jeden Jahres seinen vollen gesetzlichen Urlaubsanspruch (z.B. 20 Tage bei einer 5-Tage-Woche). Wird die Arbeitszeit im Kalenderjahr wegen Kurzarbeit gekürzt, findet eine Kürzung des Urlaubs statt, wenn und soweit die Arbeitszeit an einzelnen Tagen komplett entfällt.

Beispiel 1: AN mit 5 Tage- Woche muss von Montag bis Freitag nur 4, anstatt 8 Stunden arbeiten. Folge:  Hier ändert sich an dem gesetzlichen Jahresurlaub in Höhe von 20 Tagen nichts.

Beispiel 2: AN mit 5-Tage-Woche muss wegen Kurzarbeit nur noch Donnerstag und Freitag arbeiten. Folge: Hier findet eine Kürzung des Urlaubs statt. Die Berechnung erfolgt dabei für jeden Zeitabschnitt, in dem sich die Arbeitszeit ändert, gesondert.

Die Unterschiede ergeben sich daraus, dass der Urlaubsanspruch des AN immer tageweise und nicht stundenweise berechnet wird. Der Urlaubsanspruch wird für jeden Monat berechnet und dann addiert. Ergeben sich Bruchteile von Arbeitstagen, dann hat der Arbeitnehmer Anspruch auf die Gewährung in diesem Umfang, es sei denn, ein Tarifvertrag schließt dies ausdrücklich aus. Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, sind auf volle Urlaubstage aufzurunden (§ 5 II BurlG). Hiervon kann in Tarifverträgen abgewichen werden.

Darf ein Arbeitgeber kurzfristig Urlaub streichen, weil die Mitarbeiter gerade jetzt dringend gebraucht werden?

Grundsätzlich ist die Freistellung von der Arbeit (also die Urlaubsgewährung) durch den Arbeitgeber unwiderruflich und nur eine einvernehmliche Änderung ist möglich. Lediglich in echten Notfällen, wenn die Abwesenheit eines bestimmten Arbeitnehmers zu existenziellen betrieblichen Nachteilen führt, kann ein Anspruch des Arbeitgebers auf Abgabe einer Willenserklärung zu einer einvernehmlichen Änderung des festgelegten Urlaubs bestehen. Die Anforderungen an diese Notfälle sind extrem hoch.

Darf der Arbeitgeber bei Kurzarbeit gewährten Urlaub streichen beziehungsweise reduzieren?

Kurzarbeit wird dann gewährt, wenn insgesamt der Arbeitsanfall im Betrieb sinkt. Auf den einzelnen Arbeitnehmer kommt es hier gerade nicht an (wie auch § 96 I Nr. 4 SGB III verdeutlicht, der auf ein Drittel der Arbeitnehmer des Betriebes abstellt). Das Betriebs- und Wirtschaftsrisiko trägt grundsätzlich der Arbeitgeber. Die Kurzarbeit soll dem Arbeitgeber helfen, gravierende Folgen eines verminderten Arbeitsanfalles abzufedern. Dies soll aber nicht zu Lasten des einzelnen Arbeitnehmers gehen. Ergebnis: Kurzarbeit alleine ist kein ausreichender Grund, um einen gewährten Urlaub komplett zu streichen oder zu reduzieren.

Können Arbeitnehmer einen schon beantragten Urlaub verschieben, weil zum Beispiel ihre Reisepläne zerschlagen wurden?

Bereits gewährter Urlaub ist einseitig nicht rückrufbar. Dies steht dem unwiderruflichen Charakter der Freistellungserklärung des Arbeitgebers entgegen. Die Urlaubserteilung ist auch für den Arbeitnehmer verbindlich. Selbst ein Streik oder eine Aussperrung stellen keinen Grund für eine Änderung des Urlaubszeitpunktes dar. Der wirksam festgelegte Urlaub kann nicht ohne Einverständnis des Arbeitgebers abgebrochen werden. Auch ein „Urlaubstausch“ mit einem anderen Arbeitnehmer ist ohne Zustimmung des Arbeitgebers nicht zulässig. Die Zustimmung des Arbeitgebers zum Widerruf des Urlaubs kann auch durch geduldete Wiederaufnahme der Arbeit des beurlaubten Arbeitnehmers im Betrieb konkludent erfolgen.

Im Ergebnis ist eine nachträgliche Urlaubsänderung also immer von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängig. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Urlaubspläne durch gestrichene Reisen nicht mehr realisierbar sind. Das Reiserisiko trägt bei vom Beurlaubten organisierte Urlaubsreisen der reisende Arbeitnehmer und nicht dessen Arbeitgeber.

Wie beeinflusst Kurzarbeit das Urlaubsgeld? Kann der Arbeitgeber aufgrund von Corona Urlaubsgeld streichen?

Zunächst muss unterschieden werden zwischen Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld. Urlaubsentgelt ist das gesetzlich vorgeschriebene Entgelt während eines ordnungsgemäß gewährten Erholungsurlaubs, sogenannter bezahlter Urlaub. Der Arbeitnehmer hat sich das Urlaubsentgelt durch seine Arbeitsleistung vorher verdient. Urlaubsgeld ist eine Draufgabe vom Arbeitgeber zu welcher dieser nicht durch das Bundesurlaubsgesetz verpflichtet ist.

Urlaubsentgelt: Der Arbeitnehmer erhält nach § 11 BUrlG das als Urlaubsentgelt, was er die letzten 13 Wochen vor dem Urlaub durchschnittlich verdient hat. Bei der Bestimmung dieses Durchschnittsverdienstes im Referenzzeitraum, wird Kurzarbeit nicht berücksichtigt. Das heißt: Der Arbeitnehmer erhält das als Urlaubsentgelt, was er die letzten Wochen vor dem Urlaub durchschnittlich ohne die Kurzarbeit verdient hätte.

Urlaubsgeld: Für Urlaubsgeld gilt § 11 BUrlG nicht direkt. Allerdings steht das klassische Urlaubsgeld oft im Zusammenhang mit der Gewährung des Urlaubs. Ist das Urlaubsgeld mit dem Urlaubsentgelt verknüpft, wird es nur geschuldet, wenn auch ein Anspruch auf Urlaubsentgelt besteht. Der Anspruch folgt den für das Urlaubsentgelt geltenden Grundsätzen und somit würde § 11 BUrlG mittelbar anwendbar sein. In diesem Fall würde eine Kürzung des Urlaubsgeldes wegen der verringerten Arbeitszeit infolge von Kurzarbeit ausscheiden.

Anspruchsgrundlagen für das Urlaubsgeld können Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen oder auch individualrechtliche Vereinbarungen sein. Dort sind die Voraussetzungen für das Entstehen eines Anspruchs auf Urlaubsgeld und etwaige Kürzungsbefugnisse in Zeiten des Ruhens eines Arbeitsverhältnisses zu regeln. Da es sich beim Urlaubsgeld ohnehin um eine Sonderleistung des Arbeitgebers handelt, zu welcher dieser nicht verpflichtet ist, können auch Kürzungstatbestände für den Fall der Kurzarbeit oder ein sonstiges Ruhen des Arbeitsverhältnisses dort vorgesehen werden.

Inwieweit kann ein Unternehmen per Direktionsrecht Urlaub festlegen?

Das Direktionsrecht des Arbeitgebers kann sich grundsätzlich nicht über zwingendes geltendes Recht hinwegsetzen und somit bleibt es hier bei dem Grundsatz, dass gemäß § 7 I 1 BUrlG die Urlaubswünsche der Arbeitnehmer zu berücksichtigen sind, es sei denn, dass diesen Wünschen dringende betriebliche Belange entgegenstehen.

Darf der Arbeitgeber mit Verweis auf Corona plötzlich Betriebsferien anordnen?

Betriebsferien gelten als dringende betriebliche Belange. Unter Betriebsferien versteht man die komplette Schließung eines Betriebes für einen bestimmten Zeitraum unter gleichzeitiger Anordnung, dass während dieser Zeit Urlaub zu nehmen ist.
Betriebsferien können zwar vom Arbeitgeber im Hinblick auf einen coronabedingten stark reduzierten Arbeitsaufkommen – bei bestehendem Betriebsrat in Zusammenarbeit mit diesem – angeordnet werden, bedürfen aber einer rechtzeitigen Ankündigung von mindestens einigen Monaten, damit der Arbeitnehmer sich hierauf einstellen kann. Der Arbeitnehmer muss also als absolutes Minimum drei Monate vor dem Beginn der Betriebsferien informiert werden. Die Anordnung kurzfristiger Betriebsferien ist grundsätzlich unzulässig.

Ausnahmsweise kann diese drei Monate-Mindestfrist unterschritten werden, wenn die Betriebsferien Voraussetzung für den Erhalt von Kurzarbeitergeld darstellen: § 96 IV S. 2 Nr. 2 SGB III verlangt vor der Zahlung des Kurzarbeitergeldes den Einsatz von Urlaub, lässt aber Raum für die arbeitsrechtlich vorrangig zu berücksichtigenden Wünsche der Arbeitnehmer und des Arbeitgebers und damit für vorher getroffene Urlaubsvereinbarungen.
Es gibt aber keine (arbeitsrechtliche) „Pflicht“, den Urlaub zur Vermeidung von Kurzarbeit einzusetzen. Vielmehr hat § 96 IV S. 2 Nr. 2 nur sozialrechtliche Relevanz: Der Arbeitsausfall gilt als vermeidbar und es wird kein Kurzarbeitergeld geleistet, solange der Arbeitsausfall durch die Gewährung von Urlaub überbrückt werden kann. Dabei dürfen „vorrangige Wünsche der Arbeitnehmer“ nicht entgegenstehen (§ 7 I S. 1 BUrlG).

Dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern ist nur zuzumuten jenes Maß an Urlaub einzusetzen, dass auch kollektiv, das heißt bei fast allen Arbeitnehmern, noch frei vorhanden ist. Am besten wird es über Betriebsferien et cetera realisiert. Auch dürfte der Urlaub immer nur insoweit eingesetzt werden, als die kollektive Regelung noch Spielraum für die (vorrangigen) individuellen Wünsche lässt, das heißt, dass die „Betriebsferien“ nicht den ganzen Urlaub aufzehren dürfen, sondern noch einen individuellen Rest zur freien Verfügung lassen muss (2/3 Urlaub im Rahmen der Betriebsferien zu 1/3 Resturlaub des Arbeitnehmers erscheint angemessen und ausreichend).

Unter welchen Bedingungen darf der Arbeitgeber eine Urlaubssperre verhängen?

Für die notwendige Einzelfallprüfung sind aus § 7 I 1 BUrlG selbst Leitlinien ableitbar. Es ist zu berücksichtigen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Erfüllung des Urlaubswunsches des Arbeitnehmers der Grundsatz und die Berücksichtigung betrieblicher Belange die Ausnahme ist. Das spricht für die Notwendigkeit eines restriktiven Verständnisses des Leistungsverweigerungsrechts. Die Verwendung des Wortes „dringend“ macht deutlich, dass der betriebliche Belang besonderes Gewicht haben muss, um berücksichtigungsfähig zu sein. Dafür spricht auch der in § 615 S. 3 BGB verankerte Rechtsgedanke des Betriebsrisikos. Die entgegenstehenden betrieblichen Belange stammen aus der betrieblichen Sphäre, für dessen Funktionieren der Arbeitgeber das Risiko alleine trägt. Aus diesen Gesichtspunkten lässt sich ableiten: Der Arbeitgeber muss – aus Umständen, die der betrieblichen Sphäre entspringen – in Bedrängnis kommen. Wenn diese nicht durch andere zumutbare organisatorische Maßnahmen zu lösen ist als der Nichtberücksichtigung des Urlaubswunsches des Arbeitnehmers, dann stehen diese Gründe als dringende betriebliche Belange entgegen.
Grundsätzlich kommen als solche Belange in Betracht:

  • in Saisonbetrieben die Saison
  • in Universitäten für Lehrpersonal die Vorlesungszeit,
  • im Einzelhandel besonders arbeitsintensive Zeiten wie Schlussverkauf oder Vorweihnachtszeit,
  • wirksam eingeführte Betriebsferien für Urlaubswünsche außerhalb dieser Zeit,
  • durch krankheitsbedingte oder kündigungsbedingte Ausfälle anderer Arbeitnehmer verursachte Personalengpässe.

Als Grundsatz lässt sich abschließend Folgendes festhalten: Je höher und unvorhersehbarer das Arbeitsaufkommen, desto eher ist eine Berechtigung des Arbeitgebers für eine Urlaubssperre zu bejahen.

Kann jemand, der während seines Urlaubs in Quarantäne muss, seine Urlaubstage zurückfordern?

Bei einer behördlich angeordneten Quarantäne ist aufgrund der damit einhergehenden Einschränkungen eine mit einer Krankheit vergleichbare Situation gegeben. Daher sind diejenigen Urlaubstage, die in den Zeitraum einer behördlich angeordneten Quarantäne fallen, analog § 9 BUrlG nicht auf den Mindesturlaub  anzurechnen.