Als Change Manager ist Sebastian Kolberg für die Digitalisierung bei Bayer mitverantwortlich. Wir haben ihn im Vorfeld seiner Keynote bei der Zukunft Personal Europe gesprochen. Dort berichtet er über den Zusammenhang zwischen digitalem Wandel und Unternehmenskultur.
Personalwirtschaft: Herr Kolberg, in Ihrer Keynote bei der Zukunft Personal Europe sprechen Sie über digitale Transformation. Doch am Thema Monsanto kommen wir leider nicht vorbei. Daher die Frage: Welche Auswirkungen hatte und hat die Übernahme auf den HR-Bereich?
Sebastian Kolberg: Mit Monsanto sind nicht nur neue Produkte und Technologien zu Bayer gekommen, sondern auch rund 20 000 neue Mitarbeiter, die in den Konzern und damit in unsere HR-Systeme integriert werden müssen – und das weltweit. Dies ist eine enorme gemeinsame Herausforderung. Zudem wird die Integration nur gelingen durch die gemeinsame Weiterentwicklung unserer Kultur mit verbindlichen Werten. Diesen Prozess begleitet HR ebenfalls sehr intensiv.
Welche Umstrukturierungen gibt es im Zuge der Übernahme im Personalbereich – zum Beispiel doppelt besetzte Führungspositionen?
Das ganze Unternehmen wird derzeit neu strukturiert – Veränderungen sind nicht nur mit der Monsanto-Integration verbunden oder auf die HR-Funktion beschränkt. Dieser Prozess wurde Ende 2018 eingeleitet. HR wird sich in diesem Zuge ebenfalls schlanker und agiler aufstellen.
Wie ist die Stimmung unter den Mitarbeitern angesichts der aktuellen Lage des Konzerns und der Berichte über einen bevorstehenden Arbeitsplatzabbau?
Natürlich drücken die negativen Urteile in den Glyphosat-Prozessen in den USA und der dadurch ausgelöste Kursrückgang, aber auch der angekündigte Personalabbau teilweise auf die Stimmung. Mitarbeiterbefragungen zeigen jedoch, dass die Motivation und Zuversicht der Beschäftigten trotz allem überwiegend gut sind. In Deutschland gibt der bis Ende 2025 verlängerte Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen den Beschäftigten Sicherheit, dass die Veränderungen einvernehmlich und sozialverträglich vollzogen werden. Wichtig ist, dass Unternehmensführung und Arbeitnehmervertreter an einem Strang ziehen.
Schadet die Diskussion um Monsanto Ihrer Arbeitgebermarke?
In den wichtigen Arbeitgeber-Ratings für Deutschland wirkt sich die aktuelle Diskussion nicht negativ aus: Laut Focus gehört Bayer mit Platz 6 zu den besten Arbeitgebern, in der Branche „Chemie und Pharma“ wurden wir erneut zum besten Arbeitgeber gewählt. Unter angehenden Naturwissenschaftlern ist unser Unternehmen laut „Absolventenbarometer“ der begehrteste Arbeitgeber. Dennoch registrieren wir vermehrt kritische Nachfragen von Bewerbern, die wir jedoch meist zufriedenstellend beantworten können.
Zur digitalen Transformation: Was stellen Sie sich bei Bayer darunter vor?
Vielleicht fangen wir mit dem Warum an, denn ich halte eine klare Vision für enorm wichtig für unsere Mitarbeiter.
Unsere Branchen Gesundheit und Landwirtschaft verändern sich durch die Digitalisierung massiv.
Digitale Gesundheitslösungen bieten die Möglichkeit, Krankheiten früher zu erkennen und besser zu behandeln. Digitale Landwirtschaft ermöglicht höhere Erträge und einen nachhaltigeren Einsatz knapper Ressourcen.
Wie übersetzen Sie das in konkrete Maßnahmen?
Wir setzen drei Schwerpunkte: erstens die Digitalisierung der Kundenerfahrung. Also digitale Lösungen wie „Fieldview“: Landwirte können sich damit über Anforderungen ihrer Felder informieren und bekommen Empfehlungen zu Saatgut oder den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Zweitens: die Digitalisierung der Geschäfts- und Produktionsprozesse. Dabei bekommen Mitarbeiter beispielsweise über „Augmented-Reality-Devices“ Arbeitsschritte für den Wechsel in der Produktion von einem auf ein anderes Produkt angezeigt. Drittens komplett neue Geschäftsmodelle: Auf Basis von künstlicher Intelligenz entwickeln wir Lösungen, um Krankheiten besser zu diagnostizieren.
Welchen Einfluss haben die Mitarbeiter auf diese Entwicklung?
Sie gestalten sie aktiv mit. Digitale Transformation kann man nicht von oben verordnen. Eine klare Vision und Strategie zu haben, ist der erste Schritt, wie gesagt. Für mich als Change Manager ist es wichtig, unsere Kultur weiterzuentwickeln: Es geht um innovatives, kundenzentriertes und unternehmerisches Denken jedes einzelnen Mitarbeiters und die Zusammenarbeit über Bereichs- und Landesgrenzen hinweg, auch mit externen Partnern – Stichwort Open Innovation.
Welche Rahmenbedingungen schaffen Sie dafür?
Bei uns herrscht eine Atmosphäre, in der experimentiert werden darf, ohne Angst vor dem Scheitern. Wo Fehler als Möglichkeit zu lernen für den Einzelnen und die Organisation anerkannt werden. Wir fördern daher moderne Arbeits- und Denkweisen, zum Beispiel mit der Einführung des Digital Workplace zur besseren Zusammenarbeit, Working out Loud zur Förderung von Vernetzung und Digital Literacy oder innovationsbezogenen Methoden aus der Startup- Kultur: Design Thinking, Trial and Error oder Rapid Prototyping.
Wie bereiten Sie Mitarbeiter und Führungskräfte auf den Wandel vor?
Wir haben eine digitale Agenda, mit der wir unsere Transformation konzernweit unterstützen. Dazu gehören unter anderem Lernprogramme, um mehr Mitarbeiter für Themen wie künstliche Intelligenz oder Data Analytics fit zu machen. Oder Master Classes für erfahrenere Mitarbeiter. Wir setzen auch auf Programme wie Reverse Mentoring, bei dem junge Digital Natives Managern neue Technologien näherbringen.
In welchem Rahmen finden die Weiterbildungsmaßnahmen statt?
Weiterbildung findet auf vielen Ebenen statt, häufig durch konkrete Projekte und gemeinsames Lernen am Arbeitsplatz, aber auch handlungsbezogen in unseren funktionalen Akademien, etwa dem Marketing and Sales Skillcamp oder der R&D Academy. Dort erwerben unsere Mitarbeiter auf ihre Anforderungen abgestimmtes Wissen – digitales Know-how muss zum Teil sehr spezifisch sein. Auch in der Bayer Leadership Academy ist die digitale Transformation ein Thema.
Und wer bestimmt, was gelernt werden muss?
Wir bieten mit unserer Skillsoft-E-Learning-Bibliothek die Möglichkeit zum selbstorganisierten Lernen. Die Kurse zur digitalen Transformation decken Themen ab wie „Grundlagen der digitalen Transformation“, „Data Science“ oder „Digitales Marketing und Kommunikation“. Natürlich nutzen wir auch externe Angebote.
Wie bringen Sie die Digitalisierung international auf die Schiene?
Bayer ist ein global agierendes Unternehmen. Insofern ist natürlich auch unsere digitale Transformation ein globales Thema.
Alle Maßnahmen und Programme werden von Kollegen aus der ganzen Welt genutzt.
Das ist ja das Spannende an der Digitalisierung: Funktionsund Landesgrenzen sind keine Barriere mehr. Beziehungsweise sollten mit modernen Digital-Workplace- Methoden und -Tools keine mehr sein. Ein Beispiel dafür ist unser Digital Compass.
Wie funktioniert der?
Die Idee dahinter ist, Wissen zu bündeln, digitale Projekte zu beschleunigen und agile Zusammenarbeit zu fördern. Das Tool basiert auf sogenannten Routen, die zeigen, wie typische digitale Projekte strukturiert werden können. Zum Beispiel das Erstellen eines Chatbots. Alle Routen können kommentiert und bewertet werden, wodurch sich das Angebot stets verbessert. In der Anfangsphase haben den Compass schon über 15 000 Nutzer getestet.
Und was tun Sie, wenn Mitarbeiter Berührungsängste haben?
Wichtig ist, dass digitale Transformation nicht zu abstrakt ist. Wir müssen unsere Mitarbeiter an unterschiedlichen Punkten abholen. Manchmal geht es darum, die Angst vor dem Unbekannten zu nehmen. Dazu haben wir unsere #behindthebuzzword-Serie eingerichtet: Mitarbeiter erklären Begriffe, die wir alle schon gehört, vielleicht aber noch nicht verstanden haben. #DataScience etwa oder #IoT. Außerdem ist Transparenz ein wichtiger Faktor. Dass die Kollegen erfahren, was Menschen in diesem Konzern bewegen können – und wie man sich beteiligen kann. Wir berichten in unseren Medien daher intensiv über die Digitalisierung, und zwar mit Fokus auf Projekte und Personen.