Aktuelle Ausgabe neu

Newsletter

Abonnieren

Round Table KI: Der Mensch muss den Takt vorgeben

26. Juni 2025 von Ulli Pesch

Wie verändert Künstliche Intelligenz die Rolle von HR? Beim Round Table der Personalwirtschaft diskutierten die Experten über Chancen und Risiken der revolutionären Technik. Klar ist: Zwischen Aufbruchstimmung und Unsicherheit braucht es vor allem Orientierung.

Zwar redet sprichwörtlich die ganze Welt über die Vor- und manchmal auch die Nachteile des Einsatzes von KI, dennoch sind nach wie vor in Unternehmen viele Fragen zu ihrem Einsatz offen. Wie weit sind Unternehmen und HR bereits in der Praxis? Wo drückt der Schuh, wenn es um den Governance- und gesetzeskonformen Umgang damit geht? Lassen sich Umsetzung und auch die anfallenden Kosten durch Use Cases untermauern? Wie wird KI möglicherweise die Rolle von HR beeinflussen und verändern?

KI-Readiness ist diffus

Das Wissen über den richtigen Umgang mit KI im Unternehmen ist offenbar nach wie vor gering, der Beratungsbedarf auf allen Ebenen hoch. Robin Wunsch, CEO des Software-Anbieters Guidecom, zeichnet ein differenziertes Bild zum aktuellen Zustand des Einsatzes von KI: „Aktuell ist der Status quo in vielen Unternehmen noch von großer Unsicherheit geprägt. Viele fragen sich, was bereits mit KI möglich ist und was man davon selbst umsetzen sollte. Genauso geht es um die Frage, ob die Mitarbeitenden bereits über alle notwendigen Kompetenzen verfügen oder wer welches Upskilling benötigt.“

Auch wenn die technische Hürde beim Einstieg in Large Language Modelle tatsächlich relativ niedrig ist, müssen nach wie vor eine Vielzahl grundsätzlicher Fragen beantwortet werden. „Man muss zum Beispiel zwischen privater und geschäftlicher Nutzung unterscheiden“, betont Thomas Pry, Geschäftsführer der Mitarbeiter-Benefit-Plattform Belonio. „Darüber hinaus habe ich das Gefühl, dass vor allem die eher juristisch und administrativ geprägten Rollen bei diesem Thema nach wie vor eher unsicher sind, weil sie Bedenken in Sachen Prozesseffizienz und Sicherheit haben.“ Allerdings gebe es in anderen Rollen in Unternehmen Kreative, die sich eher an solche neuen Aufgaben herantrauten und viel besser mit disruptiven Veränderungen umgehen könnten. „Im Gegensatz dazu sind unternehmerisch orientierte Rollen, gerade im HR-Umfeld, eher zurückhaltender und warten erst einmal ab, wie die neue Technologie sich im Unternehmen bewährt“, fährt Pry fort.

Auch Marek Kraus, Country Manager Germany beim französischen Anbieter Lucca Software, kennt diese Unsicherheit der Kunden. „Unterwegs spreche ich viel mit mittelständischen Unternehmen. Da gibt es oft die Situation, dass die Leute nach KI fragen, aber gar nicht wissen, warum. Ich persönlich denke, dass auch wir als Software-Hersteller, Lösungsanbieter und Dienstleister noch sehr am Anfang der Reise stehen, vor allem auch im Hinblick, welche Szenarien man damit umsetzen kann“, vermutet er.

Offenbar ist man sich vielfach in Unternehmen zwar darüber einig, dass sich mithilfe der KI vor allem Prozesse optimieren und beschleunigen lassen. Und das gelingt bei einfachen Prozessen, zum Beispiel beim durch KI generierten Ausarbeiten von Marketingtexten, ganz gut. Doch das Wissen um die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten eilt der Praxis nach wie vor weit voraus. So verweist Dr. Ulrich Fülbier, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei der Kanzlei Görg (Eigenschreibweise GÖRG), noch auf einen anderen Aspekt zum gegenwärtigen Status quo von KI bei seinen Mandanten: „Viele Unternehmen stehen aktuell unter dem Eindruck, bei der Nutzung von Künstlicher Intelligenz nicht den Anschluss verlieren zu dürfen – auch wenn die konkreten Einsatzmöglichkeiten oft noch unklar sind.“ „Es herrscht eine Mischung aus Neugier, Handlungsdruck und Unsicherheit“, fährt Fülbier fort. „Die Zukunftsfähigkeit von KI wird von allen Seiten gepredigt. Jedes Unternehmen überlegt daher, wie es seine Prozesse dahingehend optimieren kann.“

Auch Sebastian Thuma, COO bei D.vinci HR Systems (Eigenschreibweise d.vinci), stimmt dem, was im Hinblick auf die Heterogenität der KI gesagt wurde, zu: „Ich sehe es für viele als eine Wolke, die schwer zu greifen ist.“ Thuma glaubt allerdings, dass viele Nutzerinnen und Nutzer die neue Technik noch kritisch sehen. „Teilweise haben Kunden oder Interessenten, sogar ganze Unternehmen, einfach Angst davor, weil das Thema diffus und so wenig greifbar ist.“ Er fordert: „Wir müssen zusehen, dass wir das Thema runterbrechen und greifbarer machen, was wirklich der Anwendungsfall ist.“

Das Wichtigste in Kürze

  1. Das Wissen in Unternehmen um den richtigen Umgang mit KI ist nach wie vor gering. Deshalb ist der Beratungsbedarf nach wie vor hoch.
  2.  Sehr wichtig ist beim Einsatz von KI die Frage nach der Compliance. Gleichzeitig aber ist das Thema diffus, wenig greifbar und führt deshalb zu Unsicherheiten und mitunter zu Ablehnung.
  3. Der EU AI Act ist grundsätzlich eine Chance im internationalen Wettbewerb und wird als Anlass für ein Qualitätsversprechen gegenüber den Kunden bewertet.
  4. Viele Unternehmen leiden unter enormem Kostendruck. Weil der professionelle Einsatz von KI im Unternehmen teuer ist, müssen Use Cases ein positives Kosten-Nutzen-Szenario aufzeigen können.
  5. Auch wenn KI viele Prozesse optimieren und HR viel Arbeit abnehmen kann, wird die Position von HR im Unternehmen insgesamt eher gestärkt als geschwächt.

„Ob Unternehmen nun eine neue Software oder eine KI-gestützte Lösung einführen – für uns in der Beratung macht das keinen grundsätzlichen Unterschied.

Dr. Ulrich Fülbier, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner, Görg

Arbeitnehmervertretung rechtzeitig einbinden

Fülbier erzählt von ersten, vor allem internationalen Mandanten, die bereits gezielt nach KI-Lösungen fragen, um Prozesse effizienter zu gestalten. Gleichzeitig würden Mandanten mit Betriebsräten nach entsprechenden betrieblichen Regelungen zur Einführung und Nutzung von KI fragen. Es gebe mehrere Rechtsbereiche, die bei der Nutzung von KI berührt seien, so Fülbier. Aber rechtlich sei das Ganze noch relativ überschaubar. „Ob Unternehmen nun eine neue Software oder eine KI-gestützte Lösung einführen – für uns in der Beratung macht das keinen grundsätzlichen Unterschied.“

Allerdings verweist er auf die unterschiedlichen kulturellen Eigenheiten der internationalen Mandantschaft: „Während es bei unseren deutschen Mandanten selbstverständlich ist, den Betriebsrat rechtzeitig in dieses Thema einzubinden, ist das im US-amerikanischen Rechtsraum komplett anders. Dort gilt: Je höher jemand in der Unternehmenshierarchie steht, umso umfassender ist seine Erwartung, Einblick in das Verhalten der ihm unterstellten Mitarbeitenden zu nehmen – teils bis in sehr private Bereiche hinein. Ob man das gut findet oder nicht – faktisch erschwert dieser grundsätzliche Unterschied den global einheitlichen Umgang mit KI erheblich“, kommentiert Fülbier die unterschiedlichen Rechtsauffassungen.

Das deutsche Betriebsverfassungsgesetz genießt innerhalb der EU einen Sonderstatus, der Arbeitnehmer- und Personalvertretungen eine starke Position bei der Einführung von KI sichert. Deshalb gilt es, den Betriebsrat frühzeitig einzubinden. „Man kann wirklich versuchen, den anstehenden Wandel gemeinsam mit dem Betriebsrat zu gestalten“, bekräftigt Holger Jungk von Mercer. „In einem Projekt sind wir zusammen in eine offene Diskussion gegangen und haben dem Betriebsrat erläutert, dass wir durch KI in fünf Jahren ohnehin eine neue Organisation haben werden.“ Deshalb sei es wichtiger, sich darauf zu konzentrieren, welche Mitarbeitergruppen wie davon betroffen sein werden und diesen dann eine Perspektive zu bieten. „In der Konsequenz haben wir zusammen mit dem Betriebsrat ein Positionspapier entwickelt, auf das wir, wenn wir beispielsweise neue HR-IT-Tools einführen, referenzieren können.“

 

Info zum Round Table Für ausgewählte aktuelle Themen lädt die Personalwirtschaft Expertinnen und Experten zu einem Round Table ein, um mit ihnen über Trends und aktuelle Entwicklungen zu diskutieren. Die Expertenrunde wurde von Sven Frost, Redakteur der Personalwirtschaft, moderiert.

Berichte zu unseren Round Tables finden Sie auf unserer Übersichtsseite.

„Wo HR weiterhin eine wichtige Rolle spielt, sind die Bereiche People, Change und die kulturelle Ebene.

Holger Jungk, Partner, Mercer

Verhinderer oder Chance: der EU AI Act

Auf EU-Ebene hat man sich bereits sehr früh Gedanken über den Einsatz der KI in Unternehmen gemacht. Viel und kontrovers in Unternehmen diskutiert sind die Folgen und möglichen Einschränkungen, aber auch die Chancen des KI-Einsatzes durch die Verordnung. Seit der EU AI Act zum 1. August 2024 in Kraft getreten ist, hat sich der Einsatz von KI zumindest für in der EU operierende Unternehmen nochmals drastisch verändert. Das gilt speziell für die Position europäischer Unternehmen im internationalen Wettbewerb.

„Der EU AI Act soll den Spagat schaffen zwischen Innovationsförderung und dem Schutz von Grundrechten – auch der Beschäftigten“, erklärt Fülbier. Der Gesetzgeber setze dabei auf eine risikobasierte Regulierung, die Vertrauen schaffen soll. „Ich gehe allerdings davon aus, dass da noch viel Feintuning erfolgen wird. Gerade in innovativen Bereichen hinkt das Recht oft der Realität hinterher – die Regelungen werden sicher noch nachgeschärft werden.“ Er fügt hinzu: „Viele Risiken von KI kennen wir heute noch gar nicht.“

Fülbier verweist darauf, dass die Bewertung des EU AI Act oft von der persönlichen Haltung zur Technologie geprägt sei. Er meint damit besonders die Frage, ob KI menschliche Entscheidungen ersetzen könnte. „Hier überwiegt oft das Bauchgefühl – nicht die juristische Analyse. Ich glaube, dass wir deshalb eine Regulierung zumindest nach deutschem Verständnis gut finden.“ Zur Erläuterung verweist er auf das Recruiting, in der eine KI eine Lebenslaufanalyse nach Noten vornimmt und die eingegangenen Dokumente kategorisiert. „So etwas will die KI-Verordnung fördern, weil Prozesse damit effizienter werden. Aber wo KI Menschen ersetzen soll, da verläuft eine ethische Grenze. Und da hat die KI-Verordnung aus meiner Sicht einen guten Weg gewählt.“

Ähnlich pragmatisch bewertet Kraus den AI Act: „Meines Erachtens hilft er uns auch beim verstärkt aus den USA kommenden Wettbewerb. Das hat, wie ich meine, auch ein bisschen mit dem intrinsischen Ansatz, ‚die Dinge richtig zu machen‘ zu tun. Während die Amerikaner eher zehn Projekte gleichzeitig beginnen und es ihnen reicht, wenn eines davon gelingt, dann passt das für sie.“ Kraus verweist darüber hinaus auf das hohe Potenzial europäischer Unternehmen im KI-Umfeld und plädiert dafür, viel europäischer zu denken und zu handeln.

Auch Thuma bewertet den AI Act positiv. „Als Softwareunternehmen, das sich ja letzten Endes auch mit solchen regulatorischen Anforderungen auseinandersetzen muss, würde ich den EU AI Act im Grunde auch erst mal als gar nicht so schlecht beurteilen“, erläutert er. „Denn er liefert einen Grund, sich intensiv mit der KI-Thematik als Ganzem auseinanderzusetzen. Das schafft einen gewissen Standard und Reifegrad auf Unternehmensseite.“

„Sicher sind wir uns alle einig, dass eine Regulierung notwendig ist“, wirft Wunsch ein. „Die Frage ist jetzt tatsächlich, wie wir damit umgehen.“ Er verweist dabei auf die anspruchsvolle Phase der Unsicherheit, die noch länger andauern und allen Parteien einige Anstrengungen abfordern werde. „Als Digitalisierungspartner sind wir enorm gefordert, auch weit außerhalb von technologischen Fragen.“ Ihm ist wichtig: „Woran wir alle arbeiten müssen, sind einfach gute Standards – Standards, die praxisorientiert und stark sind.“ Er mahnt: „Dabei müssen wir allerdings in Europa aufpassen, dass diese nicht zu einem komplexen Regelwerk mit kompliziertesten Ausprägungen pro Land werden.“

„Eigentlich sollte HR den KI-Officer stellen und nicht die IT.“

Marek Kraus, Country Manager Germany, Lucca Software

KI muss sich rechnen

Dass KI nicht „mal eben so“ in Unternehmen eingeführt werden kann, ist den meisten klar. Auch wenn es sicherlich niemanden gibt, der nicht wenigstens spielerisch im Privaten wie auch am Arbeitsplatz Bekanntschaft mit ChatGPT und Co gemacht hat. Allerdings ist ein KI-Einführungsprojekt ähnlich anspruchsvoll und aufwendig wie jede andere Implementierung einer Software. Neben den grundsätzlichen Einsatz-, Optimierungs- und Compliance-Fragen stellt sich vor allem die nach dem Kosten-/Nutzen-Verhältnis, dem Return on Investment (ROI) und den möglichen Betriebskosten. Last but not least geht es auch um die Reduzierung des aktuellen Kostendrucks in den Unternehmen mittels KI-Einsatz.

„Wenn ich mir die tatsächlichen Kosten des KI-Einsatzes anschaue, dann können die sehr hoch sein“, kommentiert Jungk die aktuelle Kostensituation und berichtet von einem Business Case, bei dem die Kosten eines Recruiting-Tools pro Fallzahl abgerechnet werden: „Da haben wir mal den Gegenvergleich gemacht. Dafür hätte ich fast anderthalb Recruiter einstellen können.“ Generell gelte deshalb: Die Kosten von KI müssten sich auf jeden Fall mit dem Nutzen gegenrechnen lassen.

„Wer es allerdings schafft, durch den KI-Einsatz eine gewisse Anzahl an FTEs (Full Time Equivalent, d. Red.) freizusetzen, der kann natürlich anders argumentieren“, so Jungk. Er vermutet, dass das auch zunehmend passiert. Allerdings geht er davon aus, dass sich die Hochpreisphase im KI-Umfeld in den nächsten zwei Jahren nach unten bewegt und normalisiert, da durch eine effiziente Nutzung von Rechnerkapazitäten der KI-Modelle, wie beispielsweise bei DeepSeek, die Kosten nach unten gehen.

Auch Pry glaubt, dass zahlreiche Unternehmen unter Kostendruck stünden. „Man muss für die verschiedenen Fragen und Nöte der Kunden offen sein und mögliche Anwendungsfälle skizzieren, mit denen man den Kunden auf die Reise in die Zukunft mitnehmen kann“, so Pry. „Ich denke dabei zum Beispiel an eine KI-gestützte einfache Software, die Belege ausliest, sie überprüft, freigibt und damit die Belegprüfung automatisiert. Das spart dem Kunden Zeit, und er kann die Software bei Bedarf noch selbst trainieren und damit weiterentwickeln.“

„Ich glaube, dass HR lernen muss, die KI als Freund zu sehen, statt als ein weiteres Projekt“

Thomas Pry, Geschäftsführer, Belonio

Daten und KI sind Enabler

So viel steht fest: KI wird Arbeitsplätze überflüssig machen – und gleichzeitig neue schaffen. Sie wird HR entlasten und Kapazitäten freischaufeln, die dann für strategische Aufgaben frei werden. Und trotz aller Zweifel und diffuser Ängste der Belegschaft, möglicherweise wegrationalisiert zu werden, bleibt das Lob, mit dem KI aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit immer wieder überschüttet wird.

In Software integriert, im Recruiting, der Entgeltabrechnung, im Learning, im Talent Management und allen anderen HR-Aufgaben entzieht KI sich dennoch einer seriösen Prognose über ihren echten Impact auf die künftigen Aufgaben der HR-Abteilung. Hinzu kommt, dass die Personalfunktion, seit Jahren immer wieder angezählt, zunehmend in die Linie diffundiert. Aber wird HR dadurch wirklich überflüssig? Die Teilnehmer der Runde sehen das differenziert. „Ich glaube, dass HR lernen muss, die KI als Freund zu sehen, statt als ein weiteres Projekt“, kommentiert Pry die Rolle zwischen HR und KI. Ähnlich entspannt sieht sein Kollege Jungk die künftige Rolle von HR. Seiner Ansicht nach funktioniert die Frage nach dem künftigen Nutzen von HR wie ein Bumerang: „Diese Frage taucht reflexartig etwa alle zwei bis drei Jahre bei jedem Technologiesprung auf. Manchmal habe ich den Eindruck, dass die von HR selbst gestellt wird. Ich meine, niemand käme auf die Idee zu fragen, ob zum Beispiel Finance noch gebraucht wird.“

„Weil HR heute viel mehr Daten zur Verfügung stehen als vor Jahren, lässt sich der eigene Wertbeitrag innerhalb der Organisation immer besser darstellen.“

Sebastian Thuma, COO, D.vinci HR-Systems

Und weil diese Technologie nicht nur auf HR-relevanten Plattformen laufe, sondern ebenfalls von anderen Unternehmensbereichen genutzt werde, würden sich Business Cases in der Produktion, im Marketing oder im Vertrieb zunächst viel besser rechnen lassen. Der HR Use Case werde, weil er schwerer zu rechnen sei, deshalb meistens hintangestellt. Vielleicht könne das, so Jungk, ein Grund für die Zweifel an der Rolle von HR begründen. Indessen ist er sich sicher: „Wo HR weiterhin eine wichtige Rolle spielt, sind die Bereiche People, Change und die kulturelle Ebene. Da geht es ja nicht nur darum, alle Mitarbeitenden mit Copilot-Lizenzen auszurüsten, sondern auch zu überlegen, wie zum Beispiel KI in der Praxis nutzbar ist und wie man die Belegschaft entsprechend befähigen kann. Ob HR dann immer die Vorreiterrolle einnehmen muss, darüber kann man trefflich streiten“, resümiert Jungk.

Auch Wunsch zweifelt nicht daran, dass Menschen künftig auch im HR-Bereich die entscheidende Rolle spielen werden: „Der Mensch wird als Entscheider und Orchestrator weiterhin seine Rolle wahrnehmen. Bei administrativen Tätigkeiten, wie den Serviceprozessen, können wir die Personaler künftig sicher weitestgehend entlasten“, kommentiert Wunsch die Frage nach der künftigen Bedeutung von HR. Daher betont er: „Ich bin sicher, HR wird künftig noch wesentlich mehr gefragt sein als bisher, gerade für Aufgaben in den Bereichen People und Culture oder Transformation und Empowerment. Deswegen bin ich überzeugt, dass auf Personalabteilungen rosige Zeiten zukommen – zumindest, wenn man ihnen die Chance gibt, Veränderungsprozesse zu gestalten und umzusetzen.“

„Der Mensch wird als Entscheider und Orchestrator weiterhin seine Rolle wahrnehmen. Bei administrativen Tätigkeiten, wie den Serviceprozessen, können wir die Personaler künftig sicher weitestgehend entlasten.“

Robin Wunsch, CEO, GuideCom

Kraus schließt sich dieser Position an. Er ist davon überzeugt, HR sollte eher eine zentrale Rolle erhalten, anstatt aufgrund von KI möglicherweise überflüssig zu werden. „Eigentlich sollte HR den KI-Officer stellen und nicht die IT“, fordert er. Er hält es für falsch, KI als Technologiethema üblicherweise bei der IT zu verorten. Der Einsatz neuer Tools, meint Kraus, sei sowieso eher ein Weiterbildungs- und Veränderungsthema für die Belegschaft und nur marginal ein IT-Thema. „Deshalb denke ich, dass HR eine zentrale Rolle spielen sollte, solche Veränderungsprozesse zu steuern und zu gestalten.“ Daher sieht er HR auch eher in der Geschäftsführung.

Dass die Rolle von HR an Relevanz künftig zunimmt, davon ist auch Thuma überzeugt: „Weil HR heute viel mehr Daten zur Verfügung stehen als vor Jahren, lässt sich der eigene Wertbeitrag innerhalb der Organisation immer besser darstellen.“ „Da ist KI für mich eher ein Hebel“, betont er, weist aber auch auf die Vorbedingungen hin: „Wir müssen jedoch zu Beginn die Daten verfügbar machen und dann vernünftig auswerten können. Dann kann HR sich – ungeachtet des KI-Einsatzes – in seiner Rolle besser entwickeln.“ Deshalb fordert er: „Wenn wir nicht anfangen, mit HR ernsthaft erwachsen auf Augenhöhe umzugehen und sie dahin zu bringen, dass sie wirklich wertstiftend und am Ende auch wertgetrieben arbeiten, dann wird HR keinen Platz am strategischen Tisch erhalten.“ Dann, so Thumas Prognose, „werden wir in zehn Jahren noch zusammensitzen und sagen ‚KI war eine tolle Revolution‘, aber HR sitzt weiterhin irgendwo im verlängerten Arm als administrativer Prozess.“

Fotos:  Personalwirtschaft mit KI, Peter Moertl Corporate Communications, Mercer, privat, Belonio, Willi Lübbers, GuideCom