Im finalen Entscheidungsprozess einer Bewerbung wollen Unternehmen um jeden Preis Fehler vermeiden. Chengwei Liu, Wirtschaftswissenschaftler und Leiter des Global Online
MBA-Programms an der ESMT Berlin, erklärt zwei Gründe, warum Sie stattdessen dem Zufall vertrauen sollten.
Professor of Strategy and Behavioral Science und Leiter des Global Online
MBA-Programms an der ESMT Berlin tätig. Foto: ESMT-Berlin
Komplexe Aufgaben in Unternehmen können oft nicht allein mit Fachwissen gelöst werden, sondern nur durch die Kombination des vielfältigen kognitiven Repertoires eines Teams. In solchen Fällen kann Diversität die Teamleistung steigern. Doch verschiedene soziale Grenzen halten Organisationen oft davon ab, Vielfalt zu erkennen oder zu integrieren. Die sogenannte Zufallsauswahl etwa ist ein unterbewertetes Instrument im Rekrutierungsprozess, um diese Diversität zu schaffen und zwei wesentliche Probleme in Organisationen zu lösen.
Die Zufallsauswahl kann eine auf guten Gründen beruhende Entscheidung nicht übertreffen. Aber lohnt es sich immer, zu begründen, warum eine Einstellung optimal ist? Nehmen wir an, es gibt mehrere Bewerbende, die „gut genug“ sind und bei denen es keine weiteren reduzierbaren Bewertungskriterien gibt. Wendet man nun mehr Zeit und Ressourcen auf, um diese Kriterien zu beurteilen, wird die Qualität der Entscheidung meist nicht wesentlich verbessert. Stattdessen entstehen nur erhebliche Opportunitätskosten. Mit einer zufälligen Auswahl zwischen diesen Kandidaten lassen sich unnötige Überlegungen vermeiden.
„Unternehmen sollten die Auswahl der ‚Besten‘ vermeiden, um die Vorteile eines diversen Teams nutzen zu können.“
Die Zufallsauswahl kann Organisationen außerdem dabei helfen, Verzerrungen im Einstellungsprozess zu beseitigen, die über die Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und Herkunft hinausgehen. So wird etwa Leistungsorientierung oft als Voreingenommenheit übersehen. Organisationen mit kompliziert aufgebauten Strukturen neigen zu einem falschen Glauben an die Leistungsgesellschaft: die Einstellung der „Besten“. Wenn man sich ein komplexes Problem wie ein Puzzle vorstellt, können die Besten vielleicht mehr Teile liefern, aber nicht alle Teile. Denn sie sind in der Regel nur auf eine homogene Weise qualifiziert. Um den Diversitätsbonus nutzen zu können, sollten Unternehmen diese Kandidatinnen und Kandidaten vermeiden und stattdessen das Losglück unter den in die engere Auswahl gekommenen einsetzen.
Auch wenn die Zufallsauswahl voreingenommene Entscheidungen beheben kann, bedeutet das nicht, dass diese Methode für jede Organisation funktioniert. Personalverantwortliche sollten zuerst bewerten, ob alle Stakeholder die Gründe für eine Entscheidung auf der Basis des Zufallsprinzips verstehen. Wenn wichtige Interessengruppen den Sinn einer Zufallsauswahl nicht nachvollziehen können, kann es passieren, dass der gewünschte Diversitätsbonus wegen mangelnden Einbezugs der eingestellten Person nicht zustande kommt. Darüber hinaus wird diese Person in solchen Fällen wahrscheinlich für jede schlechte Leistung verantwortlich gemacht – selbst wenn der Misserfolg einfach nur Pech ist.
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