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Avaloq: Success Sharing statt individuellen Bonus

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Ihr Unternehmen, die Avaloq Group mit Sitz im schweizerischen Freienbach, entwickelt Software für Banken. Was war für Sie der Anstoß, ein neues Vergütungsmodell für Ihre 2.200 Mitarbeiter in 26 Ländern zu entwickeln?

Christina Hübschen: Wir sind ursprünglich über das Thema Unternehmenskultur zu einem neuen Vergütungsmodell gekommen, denn damit haben wir uns intensiv beschäftigt und Eckpunkte identifiziert, an denen wir arbeiten wollen. Im Mittelpunkt standen Innovation und Netzwerkkollaboration. Wir hängen davon ab, dass wir gut innerhalb unserer Teams kooperieren. Damit ist die Frage verbunden, wie wir gemeinsam arbeiten und gemeinsam erfolgreich sind. In dem Zusammenhang haben wir auch intensiv über Performance-Management diskutiert. Unser Modell war früher ein klassisches Performance-Management mit Zielsetzung am Jahresbeginn, Feedback zur Jahresmitte, der Gaußschen Verteilung, und zum Jahresende bekam jeder einen Bonus entsprechend seinem Rating. Unsere Leute haben dieses Modell gehasst, und deshalb haben wir uns davon getrennt und haben die variable Vergütung vom Performance-Management-Prozess gelöst.

Christopher Jereb: Für uns sollte künftig die Netzwerkorganisation auch im Vergütungssystem eine wichtige Rolle spielen. Deshalb wollten wir bei der variablen Vergütung nicht mehr das Individuum, sondern den gemeinschaftlichen Teamaspekt in den Mittelpunkt stellen. Bei unserem neuen Vergütungsmodell ist entscheidend, dass wir nicht mehr nur auf die Höhe des individuellen Bonus schauen wollen. Vielmehr haben wir das Modell aus dem HR- und Vergütungsbereich heraus so entwickelt, dass das große Ganze zusammenpasst. Jedes einzelne Vergütungselement ist nur durch das Zusammenspiel mit allen Elementen erfolgreich. Unser neues Total-Compensation-Modell setzt sich aus drei Komponenten zusammen. Die erste Komponente ist die Grundvergütung. Sie wird monatlich gezahlt und richtet sich nach der Positionierung der Funktion innerhalb der Gehaltsbänder. Die zweite Komponente ist ein Gewinnbeteiligungs- oder Profit-Sharing-Modell, welches wir Success Share Unit Modell (SSU) genannt haben, um den Aspekt des Teilens des Geschäftserfolgs nochmals klar herauszustellen. Die Auszahlung dieser variablen Vergütungskomponente erfolgt jährlich, die Höhe richtet sich nach dem Geschäftserfolg des Unternehmens. Und die dritte Komponente ist der Extraordinary Achievement Reward. Dieser Bonus wird einem Team oder einer Person unterjährig und zeitnah für außerordentliche Leistungen gezahlt.

Auf welcher Basis haben Sie das Niveau der Grundvergütung festgelegt?

Christopher Jereb: Wir haben zunächst ein zehnstufiges Rahmenmodell entwickelt, sogenannte Avaloq Grades, welches wir durch ein klassisches Gradingmodell validiert haben. Dieses soll uns ermöglichen, konsistente und faire Gehaltsentscheidungen zu treffen. Mit dieser Struktur haben wir jede Funktion im Unternehmen weltweit den zehn Avaloq Grades zugeordnet, und dann konnten wir für jeden Avaloq Grade eine Grundvergütung, sowohl basierend auf dem bestehenden Gehaltsniveau als auch Marktdaten, festlegen. Damit haben die verschiedenen Funktionen innerhalb eines Avaloq Grade den gleichen Grundvergütungsrahmen, die sich entlang eines Vergütungsbands je Grade bewegen. Ausreißer nach unten oder oben konnten wir damit weitestgehend eliminieren. Vergütungsbänder haben wir für jede Region separat festgelegt, um Einflussfaktoren wie Lebenshaltenskosten und Gehaltsniveau berücksichtigen zu können.

Und die variable Vergütung?

Christopher Jereb: Wir haben darüber lange und intensiv nachgedacht und diskutiert. Auch die Möglichkeit, auf eine variable Vergütung ganz zu verzichten, haben wir erwogen. Den Gedanken haben wir aber verworfen, weil wir durch ein Bonusmodell die Möglichkeit haben wollen, geschäftlichen Erfolg mit den Mitarbeitern zu teilen. Abgeschafft haben wir das alte System mit seinen individuell funktionierenden Automatismen und uns für das SSU-Modell entschieden. Der Unternehmenserfolg wird derzeit am Gruppen-EBITDA und an unseren Sales-Zielen gemessen, und daraus wird auch das Volumen des gesamten SSU-Pools für alle Mitarbeiter abgeleitet. Jeder Mitarbeiter bekommt nach einem erfolgreichen Geschäftsjahr entsprechend seinem Avaloq Grade SSU-Anteile zugesprochen. Die konkrete Umrechnung der SSU-Anteile in einen Geldbetrag erfolgt dann mittels einer Konvertierung für jedes Land. Die Success Share Units sind also von der Grundvergütung losgelöst und unterstützen unsere Netzwerkorganisation sehr gut.

Besondere individuelle Leistungen erfahren also keine Honorierung mehr?

Christopher Jereb: Doch, denn wir haben noch ein drittes Element für unsere Top-Performer eingeführt. Das gesamte Volumen des Extraordinary Achievement Reward, kurz EAR, beträgt ungefähr ein Viertel des SSU-Pools pro Jahr. Jede Führungskraft hat die Möglichkeit, einen Mitarbeiter oder ein Team für einen solchen EAR zu nominieren. Sie muss die Nominierung durch einen unserer fünf Werte begründen. Das sind Nexus, Drive, Courage, Rigour und Insight. Damit bekommen wir wieder die Brücke zu unserer Unternehmenskultur hin. Ein Gremium je Vorstandsbereich entscheidet dann monatlich über die Nominierungen.

Christina Hübschen: Bei der Entwicklung des Vergütungsmodells haben wir uns auch intensiv mit Motivation beschäftigt. Für uns war ein Vortrag von Daniel H. Pink, dem Autor von „Drive“, über die Tatsache, dass die Leistung des Einzelnen kippt, sobald sie an einen individuellen Bonus gekoppelt ist, ein Schlüsselmoment. Deshalb haben wir uns gefragt, was Mitarbeiter wirklich motiviert, und es sind Autonomie, Mastery und Purpose. Wir wollen unsere Mitarbeiter durch spannende Aufgaben und Projekte halten, nicht lediglich durch Geld.

Christopher Jereb: Auch wenn sich wissenschaftliche Ergebnisse zu Risiken schwacher bzw. fehlgeleiteter Motivation durch individuelle Boni längst herumgesprochen haben sollten, stoßen wir immer wieder auf Unternehmen und vor allem auf Manager, die im Geld das Allheilmittel für eine gute Performance sehen.

Christina Hübschen: Ich halte den Sofortcharakter unseres EAR für wichtig, um den Kollegen möglichst schnell zu signalisieren, dass wir ihre besondere Leistung auch besonders honorieren, und zwar jetzt und nicht erst lange Zeit später.

Christopher Jereb: Unsere Mitarbeiter nehmen diesen Extrabonus auch gut an. Doch unsere Manager tun sich manchmal schwer mit der Bewertung, welche Leistung sie mit welchem Betrag honorieren wollen. Innerhalb einer vorgegebenen Matrix wäre es schwer, objektiv, transparent und fair vorzugeben und zu definieren, wie sich ein Wert für eine Leistung bemisst. Deshalb haben wir pro Land einen Mindestwert für einen Reward definiert, überlassen es aber der Führungskraft, die tatsächliche Höhe des Rewards über das Minimum hinaus zu begründen. Unsere Manager tasten sich an eine solche Bewertung heran, indem sie zum Beispiel quantifizieren, welche Kapazitäten sie durch den zu belohnenden Mitarbeiter eingespart oder dazugewonnen haben. Soll ein Team belohnt werden, können wir dahingehend differenzieren, dass die Treiber höhere Anteile am Team-EAR erhalten als die Mitläufer. Die Manager mussten lernen, dass sie bei EAR-Nominierungen differenzieren sollen. Es hilft dabei nicht, die Gießkanne herauszuholen, dafür ist das Programm nicht gedacht. Wir haben uns entsprechende Studien angeschaut, die von etwa 20 Prozent Top-Performern in Unternehmen ausgehen. Das ist ein Wert, an dem wir uns und unsere Führungskräfte bei EAR-Nominierungen als Ziel orientieren.

Haben Sie die Mitarbeiter in die Entwicklung des neuen Vergütungsmodells eingebunden?

Christina Hübschen: Ja, unsere Mitarbeiter waren von Anfang an in diesen Prozess eingebunden. Hier kommen wir wieder auf den Begriff vom Anfang des Gesprächs zurück, auf Netzwerkkollaboration. Wir nutzen die Intelligenz unserer Mitarbeiter, um HR-Projekte gemeinsam voranzubringen, so dass beide Seiten, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, mit den Ergebnissen gut leben können. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir in Zukunft EAR-Nominierungen von Mitarbeitern durch Mitarbeiter sehen werden.

Christopher Jereb: Dadurch, dass wir Mitarbeiter aus anderen Fachbereichen und mit anderen Kompetenzen und Hintergründen in die Projekte einbinden, bringen wir diese noch besser voran. Unterschiedliche Meinungen, Erfahrungen und Perspektiven helfen uns dabei sehr. Zugleich können sie auch eine Herausforderung darstellen, wenn Mitarbeiter beispielsweise noch mehr Transparenz im Vergütungsbereich nachfragen. Das kann sehr sensibel werden, doch natürlich wollen unsere Kollegen erfahren, ob sie fair bezahlt sind oder wie sie am Markt im Vergleich zum Wettbewerb stehen.

Christina Hübschen: Die Einbindung der Mitarbeiter hat uns die Kommunikation beim Roll-out des neuen Vergütungsmodells deutlich erleichtert. Wir hatten sofort eine große Akzeptanz, weil die Mitarbeiter auch unsere Unternehmenskultur darin wiedererkannt haben. Hinzu kommt die Transparenz. Das alte Modell war zum Teil intransparent, jetzt ist vieles transparent. Zudem ist das neue Modell sehr elastisch und passt zu unserer flexiblen Organisation, die sich immer wieder verändern und anpassen muss. Das spüren wir insbesondere bei den Entwicklungsgesprächen, die seit der Abkopplung vom Bonus viel besser geworden sind.

 

Wie administrieren Sie das neue Vergütungsmodell?

Christopher Jereb: Unser gesamtes Datenmanagement basiert auf einem SAP-System, mit dem wir auch unsere Festvergütung und den SSU-Plan managen. Für den EAR nutzen wir ein anderes, digitales Tool, in dem wir diesen Workflow sehr gut steuern können. Bei über 2.000 Mitarbeitern und rund 400 Line-Managern lässt sich eine Komponente wie der EAR nicht mehr in Excel-Listen führen. Das digitale Tool hilft uns an dieser Stelle, doch wir wollen auch hier die Prozesse noch effizienter und effektiver gestalten, dies ist Teil unseres kontinuierlichen Verbesserungsprozesses.