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Wertgleicher Wechsel von Defined Benefit zu Defined Contribution

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Der Automobilhersteller BMW AG unterstützt seine Beschäftigten seit einem halben Jahrhundert mit einer betrieblichen Altersversorgung. „Die Betriebsrente genießt bei uns als Zusatzleistung einen sehr hohen Stellenwert“, betont Monika Hennersberger, in der BMW Group für Vergütung, Zusatzleistung, bAV und Altersteilzeit zuständig. 1971 führte der Konzern für die Belegschaft in Deutschland eine Direktzusage in Form einer lebenslangen Rente – das „BMW Ruhegeld“ – ein. Dabei erhalten die Pensionäre je nach Betriebszugehörigkeit und Eingruppierung eine Altersrente, die Gewähr einer Erwerbsminderungsleistung sowie eine Hinterbliebenenrente für den Ehepartner.

Knapp 40 Jahre später nahm der Automobilhersteller eine erste Kurskorrektur vor: 2009 startete er für die mittleren und oberen Führungskräfte ein beitragsorientiertes Modell, das „BMW Alterskapital“. In diesem Modell erhalten die Beschäftigten monatliche Arbeitgeberzuschüsse abhängig von der individuellen Einstufung und dem Beschäftigungsgrad. Die Beiträge werden auf die individuellen Vorsorgekonten der Beschäftigten eingezahlt und am Kapitalmarkt investiert. Neben Pensionsleistungen umfasst der Alterskapitalplan ebenfalls Leistungen für den Erwerbsminderungsfall und eine Hinterbliebenenversorgung.

Die Prozesse zwischen der Entgeltabrechnung, dem externen Provider, der Kapitalanlage und den Konten der Beschäftigten sind kürzer und komplett automatisiert.

Im Jahr 2014 folgte der nächste Schritt: Der Konzern schloss die alte Direktzusage (das BMW-Ruhegeld) für Neueintritte. Stattdessen steigen neue Mitarbeitende seitdem in das DC-Modell ein. Wie bei den Führungskräften fließen feste Arbeitgeberbeiträge entsprechend der individuellen Entgeltgruppe auf die Vorsorgekonten. Zudem matcht der Arbeitgeber umgewandeltes Entgelt gemäß der Entgeltgruppe eins zu eins. Auch in diesem Modell sind die Beiträge inklusive Matching an die Entgeltgruppe gekoppelt.

Verhandlungen über neue Betriebsvereinbarung

Nach 2014 verblieben noch rund 61 000 Tarifmitarbeitende im alten Ruhegeldmodell. Die parallele Existenz der alten Leistungszusage und der neuen Beitragszusage innerhalb der Bestandsbelegschaft der BMW AG wollte der Konzern im Jahr 2021 mit dem Projekt „Value“ verringern. Dafür bot er einem Großteil der Beschäftigten im Ruhegeldplan ein Angebot für einen Wechsel vom DB- in den DC-Plan  nach dem Vorbild des 2014er-Modells an. Im Januar 2021 verhandelten Arbeitgeber und das Mitbestimmungsgremium zunächst über eine neue Betriebsvereinbarung. Als Berater und Dienstleister für die Verhandlungen, für die Berechnungen und die Dokumentation sowie zur Klärung rechtlicher und steuerlicher Fragen holte sich der Konzern von Anfang an die H2B-Aktuare ins Boot.

„Dem Betriebsrat waren in den Verhandlungen zwei Aspekte besonders wichtig: die Freiwilligkeit der Wechseloption und das Äquivalenzprinzip bei der Planumstellung“, erklärt Wolfgang Degel, Leiter des Center of Competence Altersversorgungssysteme in der BMW Group. Beides hatte der Arbeitgeber ohnehin geplant. „Zudem haben wir auf Wunsch des Betriebsrats bei den Erwerbsminderungsleistungen noch einmal nachgelegt.“ So stockte der Konzern die Leistungen für den Erwerbsminderungsfall im Alterskapitalplan auf, sodass sie heute deutlich über denen des Ruhegelds liegen. Die Hinterbliebenenleistung im Alterskapitalplan wurde auf ein Niveau von 100 Prozent der Leistung für den verbliebenen Ehepartner gegenüber den 60 Prozent im Ruhegeldplan angehoben.

Im April 2021 unterschrieben beide Seiten die neuen Betriebsvereinbarungen. Damit stand fest, dass BMW 46 000 jüngeren Beschäftigten ein Wechselangebot vorlegen wollte, während die älteren bis zum Jahrgang 1965 nicht umgestellt werden. Im Juni schickte BMW den Mitarbeitenden individuelle Wechselangebote zu.

Vorstand unterstützt Kommunikationskampagne

Kern des Wechselangebots war für jeden Beschäftigten die individuelle Berechnung des Barwerts des Ruhegelds ab dem Datum des Planwechsels. Den errechneten Barwert sagte das Unternehmen als Startgutschrift für das neue Konto im Alterskapitalplan zu. Wenn ein Beschäftigter das Wechselangebot annahm, erhielt er ab Oktober 2021 zusätzlich zum Startguthaben regelmäßige Arbeitgeberbeiträge auf sein Altersvorsorgekonto. „Uns war es sehr wichtig, den Kolleginnen und Kollegen ein wertgleiches Leistungsangebot zu unterbreiten“, hebt Monika Hennersberger hervor. „Wir wollten kein Einsparmodell für den Arbeitgeber umsetzen, sondern einen Plan, der den Beschäftigten für alle denkbaren Karriereverläufe eine wertgleiche Alternative darstellt.“

Zusammen mit dem postalischen Versand der Wechselangebote im April 2021 startete das Unternehmen eine breite Informationskampagne, in die die Bereiche HR, IT und Kommunikation eingebunden waren. Auch der Vorstand und die Arbeitnehmervertretung der BMW AG unterstützten die Kampagne aktiv. So erläuterten der Vorstandsvorsitzende Oliver Zipse und Manfred Schoch, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats, auf einer zentralen digitalen Informationsveranstaltung vor rund 80 000 zugeschalteten Teilnehmern das Angebot zum Wechsel.

Die Kommunikationskaskade, die Monika Hennersberger und Wolfgang Degel zusammen mit den eingebundenen Teams gestalteten, umfasste digitale Einzelveranstaltungen, Informationsmaterial in Bild, Wort und Film, Hotlines sowie das Altersvorsorgeportal. Interessierte Mitarbeitende hatten daher die Möglichkeit, sich crossmedial über die Wechseloption zu informieren. Auch die neuen Konten samt Beiträgen, Anwartschaften und Kapitalanlage waren bereits zu diesem Zeitpunkt auf dem Online-Portal einsehbar, das der Dienstleister Lohoff Pension Services bis heute betreut.

65 Prozent der Berechtigten nehmen an

Die Informationskampagne zur Wechseloption löste eine Welle an Rückfragen der Beschäftigten aus. „Viele Mitarbeitende im Ruhegeldmodell kannten den Alterskapitalplan noch gar nicht und haben ihn zunächst einmal hinterfragt“, berichtet Monika Hennersberger. Andere haben das Benefit bAV zum ersten Mal bewusst wahrgenommen, woraus sich viele Grundsatzfragen ergaben.

Das Gros der Fragen bezog sich auf die komplexen Modellrechnungen, das Zusammenspiel von Beiträgen und Matching sowie die Auszahlung und die Kapitalanlage. Weitere Beschäftigte interessierten sich für die Vereinbarkeit von bAV mit Karriere und vorzeitigem Austritt aus dem Berufsleben. Entsprechend hoch war der Kommunikationsaufwand. „Sehr positiv ist für uns, dass das Interesse der Beschäftigten an der bAV, aber auch an Themen wie Kapitalanlage und Nachhaltigkeit im vergangenen Jahr deutlich gestiegen ist“, so Monika Hennersberger.

Bis Ende August 2021 hatten die 46 000 Berechtigten die Möglichkeit, die Wechseloption zu ziehen – und 65 Prozent von ihnen nahmen an. „Tendenziell sind etwas mehr jüngere Beschäftigte als ältere gewechselt“, analysiert Wolfgang Degel. „Auch stellen wir fest, dass die Wechselbereitschaft umso größer ist, je höher die Entgeltgruppe ist.“ Das bestätige einen langfristigen Trend und hänge mit dem verfügbaren Einkommen zusammen.

Vom Kapitalmarkt profitieren

Generell erfreuen sich die Entgeltumwandlung und das Matching im Alterskapitalplan bei den Berechtigten bereits seit Jahren großer Nachfrage. Sie haben die Möglichkeit, zusätzlich zu den Arbeitgeberbeiträgen einen festen Beitrag aus dem Bruttogehalt umzuwandeln und dabei vom Eins-zu-eins-Matching zu profitieren. Im Alterskapitalplan partizipieren sie an der Performance am Kapitalmarkt. Das eröffne gerade jüngeren Menschen bei sehr langfristigen Anlagehorizonten Chancen auf höhere Renditen.

Die Einbringung des Eigenbeitrags samt Matching ist für Neueinstellungen sowie für Neueinsteiger in den Alterskapitalplan von Anfang an automatisch aktiviert. Beschäftigte, die den Eigenbeitrag nicht einbringen wollen, müssen ihm aktiv widersprechen. Allerdings ist die Teilnahmequote beim Matching bei allen Beschäftigten im Alterskapitalplan mit über 90 Prozent sehr hoch. Zusätzlich bietet die BMW AG eine klassische Opting-in-Entgeltumwandlung an. Dabei haben die Mitarbeitenden die Möglichkeit, jeden Monat flexibel über die Höhe der Entgeltumwandlung zu entscheiden.

Der Konzern sichert die angelegten Mittel mit einer garantierten Mindestverzinsung auf dem Niveau der Lebensversicherung ab, immer in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Einzahlung und vom dann geltenden Mindestzins. Ab dem Jahr 2022 beträgt er 0,25 Prozent. Das Alterskapital stützt sich auf eine Lifecycle-Strategie mit längeren Anlagezeiträumen und einer ertragsorientierten Kapitalanlage. In der Leistungsphase, die frühestens mit dem 62. Lebensjahr einsetzt, können die angehenden Pensionärinnen und Pensionäre zwischen einer einmaligen Kapitalauszahlung und bis zu 20 Einzelraten wählen. Die Auszahlung monatlicher lebenslanger Renten ist – im Gegensatz zum alten Ruhegeld – im Alterskapitalplan nicht mehr möglich.

Herausfordernde IT-Umstellung

Nachdem sich die Wechselberechtigten im Spätsommer entschieden hatten, begann bei BMW in der IT und der Entgeltabrechnung die Umstellung auf den Alterskapitalplan. Inzwischen ist das Value-Projekt abgeschlossen. „Es ist uns gelungen, unsere bAV-Landschaft weiter zu vereinheitlichen und das beitragsorientierte Modell zu stärken – zum Wohle des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer“, resümiert Wolfgang Degel. Damit erreicht der Konzern gleich mehrere Ziele: Er konnte die finanziellen Risiken aus dem alten Pensionsplan wie Zinssätze, Langlebigkeit und Inflation reduzieren. Demgegenüber lasse sich ein beitragsorientierter Plan besser steuern. Die Prozesse zwischen der Entgeltabrechnung, dem externen Provider, der Kapitalanlage und den Konten der Beschäftigten sind kürzer und komplett automatisiert.

Zudem will HR den Beschäftigten einen modernen Pensionsplan anbieten, der ihnen hilft, am Kapitalmarkt zu partizipieren. Im internationalen BMW-Konzern ist das Ziel, beitragsorientierte Pensionsmodelle einzuführen, schon seit Langem vorgegeben. Die Einheiten des Automobilherstellers mit den größten Pensionsplänen, vor allem in Großbritannien und in den USA, haben schon längst auf beitragsorientierte Modelle umgestellt. „Wir in Deutschland hinkten etwas hinterher“, räumt Wolfgang Degel ein. Grundsätzlich variiert die Höhe der Arbeitgeberbeiträge stark von Land zu Land und je nach Sozialversicherungssystem. So liegen die Beiträge zum Pensionssystem in Großbritannien wesentlich höher als in Deutschland.

Nach der Umstellung der BMW AG steht in Deutschland in diesem Jahr eine Wechselkampagne in den Tochtergesellschaften BMW Bank und Alphabet Fuhrparkmanagement bevor.

Dr. Guido Birkner
leitender Redakteur betriebliche Altersversorgung/ Pensions-Management, dpn – Deutsche Pensions- und Investmentnachrichten
guido.birkner(*)faz-bm(.)de
www.dpn-online.com