Gehaltstransparenz und die interne Kommunikation von Vergütungsstrukturen stehen auf der Agenda von HR- und Vergütungsverantwortlichen weit oben. Mit zahlreichen Umbrüchen im Zuge der Covid-Pandemie haben sie die Chance, Vergütungsstrategien neu zu denken und zu optimieren. Viele Unternehmen berichten jedoch von einem Defizit an Informationen über verschiedene Vergütungsmethoden. Wie sieht die Vergütungsgestaltung im Einklang zwischen Flexibilität und Transparenz aus?
Strategische Bedeutung von Marktvergleichen steigt
Die aktuellen Ergebnisse der Studie „Vergütungsstrategien in Deutschland“ zeigen, dass bei vielen Unternehmen großer Informationsbedarf in Bezug auf Vergütungsbenchmarks besteht. Während die Mehrzahl die Vergütung von Wettbewerbern als wichtige Informationsgrundlage für die eigene Vergütungsgestaltung einstuft, existieren große Unterschiede im Informationsstand von HR- und Vergütungsverantwortlichen: Ein gutes Fünftel der Befragten gibt an, keinen Zugang zu Vergütungsbenchmarks zu haben; knapp die Hälfte verfügt über allgemeine Informationen. Lediglich 29 Prozent haben konkrete Anhaltspunkte dazu, wie Wettbewerber vergüten. Diese Informationsgefälle treten vor allem dann auf, wenn es um sehr spezifische Stellen geht, und lassen sich nicht allein durch die Branche oder Region der Unternehmen erklären.
Die Studie deutet darauf hin, dass sich ein Teil des Informationsgefälles auf die Art und Weise zurückführen lässt, wie Arbeitgeber Vergütungsbenchmarks angehen. Die meisten Unternehmen setzen auf kostenlose Quellen wie zum Beispiel Online-Plattformen (59 Prozent), einen informellen Austausch mit ehemaligen Kolleginnen (21 Prozent) oder auf sonstige interne Recherchen (61 Prozent). Nur ein Fünftel nutzt kostenpflichtige Quellen, um Vergütungsbenchmarks zu erlangen. Gleichzeitig ist das Interesse der meisten Unternehmen an solchen Daten groß. Dabei liegt der Fokus von Entscheidungsträgern bei Weitem nicht nur auf der Executive-Vergütung, sondern auf einer großen Bandbreite an Mitarbeitergruppen – besonders auf schwierig zu besetzende Stellen.
Transparenz als Schlüsselentscheidung
Neben dem Informationsstand von HR- und Vergütungsverantwortlichen spielt auch die Transparenz und interne Kommunikation von Vergütungsstrukturen eine große Rolle für Unternehmen. Rund die Hälfte der befragten Unternehmen gibt an, über eine unternehmensweite Vergütungsstruktur zu verfügen, mit der Stellen systematisch bewertet werden können. Ähnlich sieht es bei regelmäßigen Bewertungen der internen Vergütungsstruktur aus, die von knapp der Hälfte der Unternehmen durchgeführt werden. Da der Druck bezüglich transparenter Vergütungssysteme steigt, prüfen Arbeitgeber immer häufiger, welche Informationen an Mitarbeiter weitergegeben werden sollen. Obwohl viele Befragten den Wunsch nach höherer Gehaltstransparenz äußern, geben nur 15 Prozent der Unternehmen an, bereits detaillierte Informationen zur internen Vergütungsstruktur mit der Belegschaft zu teilen.
Dabei kann erhöhte Transparenz nicht nur die Stimmung in der Belegschaft verbessern, sondern hat aus Sicht vieler Unternehmen auch das Potenzial, Recruiting-Kosten zu senken. Wer beispielsweise detaillierte Vergütungsangaben in Stellenausschreibungen preisgibt, spricht gezielt Kandidaten an, die für eine Position infrage kommen. Trotzdem ist es in Deutschland heutzutage nicht üblich, Vergütung explizit in der Stellenausschreibung zu erwähnen.
Flexibilität im Fokus
Neben dem Trend nach mehr Transparenz in der Vergütung erhöht sich gleichzeitig der Druck auf Unternehmen, für ausreichend Flexibilität in der Vergütungsgestaltung zu sorgen. HR- und Vergütungsverantwortliche geben an, dass Flexibilität immer wichtiger wird, um Talente zu gewinnen und zu binden. Obwohl in der Praxis vor allem Flexibilität in der festen Vergütung eine Rolle spielt, setzen viele Befragte vermehrt auch auf Nebenleistungen wie Fort- und Weiterbildungen sowie Fahrt- und Umzugskostenzulagen, um qualifizierte Kandidatinnen zu gewinnen. Die Möglichkeit, Vergütungsangebote anzupassen, ist gerade bei sehr begehrten Talenten von Vorteil. Vor allem bei Stellen im IT-Bereich und im Vertrieb, so die Vergütungsverantwortlichen, führe eine größere Gehaltsflexibilität eher zur erfolgreichen Rekrutierung.
Inflationserwartung 2022
Mit Blick auf 2022 spielt beim Thema Flexibilität auch die zunehmende Inflationserwartung eine große Rolle. Steigende Preise stellen Unternehmen vor die Wahl, wann und wie sie Ausgleiche durchführen. Die Ergebnisse der Studie zeigen große Unterschiede hinsichtlich der Planungen der Arbeitgeber: 23 Prozent der Befragten geben an, dass die Vergütung trotz steigender Inflation nicht angepasst werden kann (siehe Abb. 2). 13 Prozent würden nur mitziehen, falls andere Unternehmen vorher anpassen. Während lediglich fünf Prozent in der Lage wären, Vergütung so schnell wie möglich anzupassen, würden 59 Prozent auf den nächstmöglichen Termin warten. Trotz der bestehenden Unterschiede sind sich die meisten Befragten einig, dass sich die Relevanz von Flexibilität in der Vergütungsgestaltung auch weiterhin als Trend in der Personalarbeit fortsetzen wird.
Ingrid Hägele
Arbeitsmarktökonomin University of California, Berkley
Gastwissenschaftlerin ifo Institut München
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