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Arbeitsrechtliche Grenzen im Blick behalten

Durch die Nutzung von People Analytics und KI können beispielsweise neben deskriptiven Kennzahlenberechnungen und Datenanalysen insbesondere auch zukünftige Entwicklungen personalbezogener Key Performance Indicators (KPIs) prädiktiv berechnet werden. In diesem Zusammenhang sind neben den praktischen Herausforderungen auch die rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten.

Was sind People Analytics und KI?

People Analytics und KI-Anwendungen bezeichnen IT-Tools und -Programme, die eng mit dem zentralen Begriff Big Data verbunden sind. Hinter Big Data steht die Verarbeitung riesiger Datenmengen aus vielfältigen Quellen in hoher Verarbeitungsgeschwindigkeit, die neue Erkenntnisse und Informationen mit wirtschaftlichem Nutzen generieren können. Mit diesen Technologien sollen bisher unbekannte Zusammenhänge erkannt werden, die es ermöglichen, treffsichere Prognosen für bestimmte Vorgänge zu erstellten.

Die Funktionsweise von KI steht im Spannungsverhältnis zu den Grundprinzipien und Zielen des Datenschutzes, die eine Datenvermeidung und -minimierung  vorgeben.
Eine Schlüsseltechnologie in der Datenanalyse ist die KI, für die aufgrund ihrer Komplexität aktuell noch keine allgemeingültige Definition existiert. Generell werden darunter Systeme verstanden, die mit einem „intelligenten“ Verhalten ihre Umgebung analysieren und lernen sowie mit einem Mindestgrad an Autonomie handeln, um bestimmte Ziele zu erreichen. KI basiert auf Algorithmen und arbeitet an Mustererkennung sowie Modellbildung. Ausgangspunkt der Datenanalyse ist hierbei eine konkrete Fragestellung. Im Beschäftigungskontext werden die Analyse und Auswertung umfangreicher Mitarbeiterdaten als People Analytics bezeichnet, die zum Ziel haben, personalwirtschaftliche Maßnahmen vorzubereiten und umzusetzen.

Chancen und Herausforderungen im Vergütungskontext

Auch im Rahmen von Vergütungssystemen können People Analytics und KI  schon jetzt bedarfsgerecht und optimierend eingesetzt werden. Einige Beispiele:

  • Mit Hilfe KI-gestützter Tools ist es beispielsweise möglich, eine variable Vergütungszuteilung anhand von vorher analysierten Leistungsdaten vorzunehmen.
  • People Analytics und KI können auch die Festlegung einer angemessenen Fixvergütung unterstützen. So ist denkbar, anhand verschiedener Faktoren, wie beispielsweise Ausbildung, Arbeitserfahrung, Leistung und marktübliche Gehälter, eine faire Vergütungseinstufung vorzubereiten. Im Optimalfall erhöht dies die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und stärkt ihre Bindung an das Unternehmen. In diesem Sinne tragen die KI-gestützten Tools dazu bei, die Fluktuation von Mitarbeitern zu reduzieren und den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens zu stärken.
  • Ein weiterer Einsatzbereich ist die Leistungssteuerung und Anreizschaffung. Zusammenhänge und Muster lassen sich erschließen, und die Erkenntnisse können gewinnbringend eingesetzt werden. Die Analysen bieten klare Antworten auf die Fragen, welche konkreten Maßnahmen zur Leistungssteuerung ergriffen und welche zielführenden Anreize gesetzt werden sollten. Für Mitarbeiter im Sales-Bereich können etwa passgenaue Vertriebsziele festgelegt werden, die ihrerseits wiederum als maßgebliche Parameter für die Höhe der variablen Vergütung genutzt werden können. Auf diesem Weg ist eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung von Vergütungssystemen möglich.

Für den Einsatz von People Analytics und KI im Bereich der Vergütungssysteme existieren bereits erste Programme und Lösungsanbieter. Die Entwicklungen in diesem Bereich und im Allgemeinen bei Big Data lassen allerdings erahnen, dass sich dieser Trend in Zukunft noch maßgeblich verstärken wird.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen

Neben den technischen Herausforderungen der individuellen Einsatzmöglichkeiten von People Analytics und KI im Bereich der Vergütungssysteme haben Unternehmen auch die rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten. Mögliche Grenzen könnten sich dabei unter anderem aus dem Datenschutzrecht, dem Antidiskriminierungsrecht sowie dem kollektiven und individuellen Arbeitsrecht ergeben. Auch wenn die rechtliche Diskussion hierzu noch keineswegs abgeschlossen ist, werden im Folgenden zumindest einige der möglichen rechtlichen Hürden kursorisch angesprochen.

1. Datenschutzrechtliche Anforderungen?

Das System der KI fußt darauf, dass Anwendungen mit Daten trainiert werden müssen, um valide Ergebnisse liefern zu können. Damit Korrelationen und Muster erkannt werden, anhand derer belastbare Schlussfolgerungen gezogen werden können, ist es erforderlich, dass ein KI-System kontinuierlich mit Daten „gefüttert“ wird, diese analysiert und die Datensätze entsprechend aus- und weiterverwertet werden. Diese Funktionsweise steht jedoch im Spannungsverhältnis zu den Grundprinzipien und den Zielen des Datenschutzes, der Datenvermeidung und der Datenminimierung (Datensparsamkeit).

Im Bereich von Vergütungssystemen können im Arbeitsprozess von People Analytics und KI-Anwendungen personenbezogene Daten sowie Leistungs- und Verhaltensdaten von Mitarbeitenden betroffen sein. Je nach Art der Daten sind verschiedene datenschutzrechtliche Anforderungen an die Erhebung und Verarbeitung durch die Systeme zu stellen und einzuhalten. Entsprechende Regelungen dazu finden sich beispielsweise in Art. 26 BDSG.

Ob rein automatisierte Entscheidungen im Beschäftigungskontext tatsächlich zulässig sind, ist bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden worden.
Ebenso ist zu beachten, dass Mitarbeitenden ein Auskunftsanspruch zusteht und der Arbeitgeber Informationspflichten zu erfüllen hat.

  • Insbesondere das Erfüllen der Anforderungen an die Informationspflichten kann sich bei dem Einsatz von People Analytics und KI als gewaltige Aufgabe erweisen und birgt Potenzial für Fehlerquellen und Konflikte. So ist bereits heute zu beobachten, dass Beschäftigte im Rahmen von Kündigungsstreitigkeiten häufig datenschutzrechtliche Auskunftsansprüche geltend machen, um den Arbeitgeber unter Druck zu setzen.
  • Weiterhin ist zu prüfen, bei welchen Anwendungsprozessen und unter welchen Voraussetzungen eine Einwilligung der betroffenen Mitarbeitenden für den Einsatz von KI-gestützten Systemen erforderlich ist.

2. Spannungsverhältnis zum Antidiskriminierungsrecht?

Die Datenanalyse durch People Analytics und KI dient der Bildung von abstrakten Gruppen und der Zuordnung von Personen (die bestimmte Eigenschaften aufweisen) zu diesen Gruppen. Die Erkenntnisse von Algorithmen basieren auf Gruppenwahrscheinlichkeiten, die auf Einzelne angewendet werden. Der Zweck des Antidiskriminierungsrechts ist es aber gerade, einen solchen Schluss aus der Zugehörigkeit zu einer Gruppe zu verhindern, jedenfalls wenn ein antidiskriminierungsrelevantes Merkmal – wie etwa ethnische Herkunft, Geschlecht oder Religion – betroffen ist. Dies kann in der Praxis insbesondere dann problematisch werden, wenn das KI-gestützte System an Merkmale anknüpft, die nur bestimmte Gruppen wie Vollzeitarbeitende oder von einem Geschlecht dominierte Bereiche betreffen, und damit eine geschlechterneutrale Vergütung im Sinne des AGG und des Entgelttransparenzgesetzes gefährdet wird.

3. Betriebliche Mitbestimmung

Der Einsatz von People Analytics und KI bedarf auch hinsichtlich der Beteiligung des Betriebsrats einer rechtlichen Prüfung. So statuiert § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, dass der Betriebsrat über die Planung von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen einschließlich des Einsatzes von KI zu unterrichten ist. Weiterhin bedarf es regelmäßig der Zustimmung des Betriebsrats, wenn beispielsweise bei den Richtlinien für Umgruppierungen KI-gestützte Systeme zum Einsatz kommen. Zudem ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu beachten, das bei der Einführung von People Analytics und KI-gestützten Systemen im Zusammenhang mit Vergütungssystemen grundsätzlich Anwendung findet.

Außerdem kann das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG beispielsweise bei Anwendung eines Rotationsprinzips auf die Vergabe von Büroarbeitsplätzen zu beachten sein. Schließlich sollten Unternehmen beachten, dass gem. § 80 Abs. 3 S. 2 BetrVG die Hinzuziehung eines Sachverständigen erforderlich ist, wenn der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von KI zu beurteilen hat.

4. Zulässigkeit automatisierter Entscheidungen?

Dem Arbeitgeber steht es grundsätzlich frei, sein Weisungsrecht und seine Entscheidungsfreiheit abzugeben und zu übertragen. Im Rahmen von People Analytics und KI, die als Systeme auch Entscheidungen zum Beispiel über die variable Vergütung aufgrund von Leistungsparametern vornehmen oder als Bots (Robotics) HR-Prozesse ausführen können, stellt sich allerdings die Frage, inwieweit automatisierte Entscheidungen zulässig sind.

Grundsätzlich schränkt Art. 22 Abs. 1 DSGVO die Zulässigkeit auf ausschließlich auf automatisierter Verarbeitung beruhenden Entscheidungen ein. Jedoch könnte durch das Eingreifen eines Ausnahmetatbestands im Einzelfall auch eine automatisierte Entscheidung zulässig sein, sodass es nicht zwangsläufig der Beteiligung eines menschlichen Entscheiders auf Seiten des Arbeitgebers im Prozess bedarf. In diesem Fall erscheint es zulässig, dass ein KI-gestütztes System nicht nur zur Vorbereitung vergütungsbezogener Personalentscheidungen genutzt wird, sondern die vom Arbeitgeber selbst errechnete Entscheidung sogar direkt in das Vergütungssystem implementiert wird.

Ob rein automatisierte Entscheidungen im Beschäftigungskontext tatsächlich zulässig sind, ist bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden worden. Dies könnte neben den weiteren Faktoren des Einzelfalls auch von der Bedeutung der jeweiligen operativen Entscheidung für den einzelnen Mitarbeitenden und der Art der verwendeten Daten abhängen.

Fazit

People Analytics und KI-Anwendungen im Beschäftigungskontext werden weiterhin an Bedeutung gewinnen. Durch ihren Einsatz können Vergütungssysteme bedarfsgerecht und zielorientiert implementiert werden. Es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie sich das praktische Interesse an der Nutzung von People

Analytics und KI bei der Ausgestaltung von Vergütung zukünftig mit den rechtlichen Herausforderungen und Rahmenbedingungen in Einklang bringen lässt.

Dr. Martin Hörtz
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht
GSK STOCKMANN Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft
martin.hoertz(*)gsk(.)de
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Dr. Theofanis Tacou
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht
GSK STOCKMANN Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft
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Dr. Björn Christ
Rechtsanwalt
GSK STOCKMANN Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft
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