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Mit künstlicher Intelligenz die menschliche Seite der Arbeit verstehen

Siri und Alexa können anhand unseres Online-Verhaltens vorhersagen, was wir kaufen wollen. Solche Möglichkeiten lassen sich auch für HR nutzen, um unstrukturiertes Feedback auszuwerten, passende Weiterbildungen anzubieten oder Gründe für eine erhöhte Fluktuation zu erfahren.

Maschinelles Lernen (ML) und Künstliche Intelligenz (KI) sind auf dem Vormarsch und haben bereits in vielen Bereichen unseres Lebens Einzug gehalten. Die Implementierung von KI-gestützten Tools wird bei den täglichen HR-Aktivitäten eine immer größere Rolle spielen. Sie sollen HR einfacher, schneller, objektiver machen und Personaler entlasten. Einsatzmöglichkeiten gibt es beispielsweise im Recruiting. Auch Chatbots können durch KI eigenständig wiederkehrende Anfragen beantworten. Andere Tools erlauben es Unternehmen, Mitarbeitenden zielgerichtet persönliche Weiterbildungsangebote zukommen zu lassen, die aufgrund ihrer Kompetenzen, Aufgaben und den bisher genutzten Weiterbildungsangeboten als optimal eingestuft werden.

Digitale Feedbackprozesse

Im Bereich der Feedbackprozesse haben KI-gestützte Tools das Potenzial, die Bedürfnisse der Mitarbeiter besser zu erkennen und somit Engagement, Produktivität sowie Work-Life-Balance zu verbessern. Die Fortschritte im Bereich von KI, der Verarbeitung natürlicher Sprache NLP (Natural Language Processing) und des maschinellen Lernens haben in den letzten Jahren die Art und Weise, wie Mitarbeiterfeedback analysiert und umgesetzt werden kann, drastisch verändert und den Zyklus von Befragungen signifikant verkürzt.

Automatisierte Analysen und die Auswertung umfassender Datensätze mit Hilfe von KI spielen daher im Bereich Mitarbeiterdaten eine wichtige Rolle. Algorithmen erkennen eigenständig Zusammenhänge in bestehenden Datensätzen, um so die Auswertung umfangreicher Daten zu erleichtern. Der Einsatz von KI hilft, gerade um Erkenntnisse aus unstrukturiertem Mitarbeiterfeedback, wie etwa Freitextkommentare in Befragungen, zu gewinnen, oder durch das sogenannte Web Scraping die Inhalte einer Website wie Arbeitergeberbewertungen bei Kununu auszulesen. Die Analyse von freien Kommentardaten und Freitexten von Mitarbeitern war traditionell mühsam, dauerte lange und erforderte entweder eine arbeitsaufwendige manuelle Kodierung oder eine ressourcenintensive Textanalyse. Zudem war sie selten frei von Voreingenommenheit.

Zwischen den Zeilen lesen

Die Gedanken und Meinungen der Mitarbeiter werden häufig aber von Emotionen bestimmt, was bedeutet, dass viele der Erkenntnisse oft nuanciert und subtil sind. Ältere Feedbacksysteme stützten sich auf Tools wie handcodierte Schlüsselwörter und andere vereinfachende Maßnahmen, die diese Nuancen nicht erfassen. Die NLP, ein Teilbereich der KI-Technologie, ermöglicht es, die Feinheiten der menschlichen Sprache schnell und genau zu entschlüsseln, also die Texte semantisch zu analysieren und festzustellen, ob Freitextkommentare positive, negative oder neutrale Nuancen enthalten. Dies ermöglicht es HR und Führungskräften, zwischen den Zeilen zu lesen und inhärente qualitative Daten zu quantifizieren, indem Emotionen und andere Feinheiten in maßnahmenorientierte Erkenntnisse umgewandelt werden. Maschinelles Lernen erlaubt es, Emotionen, Vagheit und viele andere komplizierte Aspekte der menschlichen Sprache zu entschlüsseln, die ältere Feedbacksysteme nicht erkennen würden, geschweige denn interpretieren konnten.

Diese neuen Lösungen können die menschliche Sprache interpretieren, sodass Konzepte und Ideen verstanden werden können und nicht nur Worte allein. Der Ansatz von „Texte als Konzepte/Ideen“ ermöglicht es Unternehmen, sich auf die wichtigen Beziehungen zwischen diesen Ideen zu konzentrieren. Jeder Kommentar wird in Echtzeit berücksichtigt, was bedeutet, dass wir das Feedback in dem Moment sehen können, in dem es gegeben wird. Viele Tools ermöglichen zusätzlich eine automatische Übersetzung. Und da es sich um eine Maschine handelt, welche die wichtigsten Themen und Zusammenhänge in den Daten identifiziert, und nicht um einen Menschen, ist das Risiko der Voreingenommenheit weitgehend ausgeschlossen.

Personalanalytik als Mittelpunkt der HR-Strategie: mit Daten zu Taten

People Analytics ermöglicht auch Einblicke in das Mitarbeiterengagement. Gerade im Angesicht der Debatte um die sogenannte „Great Resignation“ kann Analytics helfen, Fakten von Fiktionen zu trennen: Haben Unternehmen tatsächlich ein Fluktuationsproblem, und wenn ja, wo? In welchen Jobfamilien, an welchen Standorten oder Abteilungen? Handelt es sich um Personen, die schon lange angestellt sind? Sind es bestimmte Gruppen, zum Beispiel Frauen, die überproportional häufig den Arbeitsplatz verlassen? Oder sind die Fluktuationszahlen zwar ein wenig höher als 2020, spiegeln aber im Grunde „nur“ eine nachgeholte Fluktuation wider, die nach der „Corona-Starre“ fast erwartet werden konnte?

Maschinelles Lernen erlaubt es, Emotionen, Vagheit und viele andere komplizierte Aspekte der menschlichen Sprache zu entschlüssel.

Bevor Unternehmen Lösungen suchen, müssen sie verstehen, warum Mitarbeiter den Arbeitgeber verlassen wollen. Oft ist nicht die Vergütung der Grund, sondern ein Umfeld, in dem sich die Mitarbeiter nicht (mehr) wertgeschätzt fühlen. Personal-Analytics kann helfen, Fluktuationsprognosen und die wichtigsten Gründe (Faktoren) für die tatsächliche Fluktuation zu ermitteln.

Einzug von KI in deutsche Unternehmen?

Der Trend hin zu einem Echtzeit-Feedback ist unaufhaltsam, denn Technologien zur Automatisierung der Auswertung liefern reichhaltige Erkenntnisse, die unstrukturierten Mitarbeitermeinungen viel mehr Bedeutung und Erkenntnis verleihen. Letztendlich geht es bei Datenanalysen mit KI darum, Daten, Fakten und Einblicke in die menschliche Seite der Arbeit zu vermitteln.

Während einige Unternehmen Innovationen wie NLP und ML schnell annehmen, werden sich andere, wenn überhaupt, nur mit Mühe und Not für eine effizientere und aufschlussreichere Lösung entscheiden. Es gilt, die Zustimmung der Unternehmensführung oder der Mitbestimmungsorgane einzuholen. Das mag – wie so oft bei neuen Technologien – nicht immer ganz einfach sein. Jedoch kann ein ergebnisorientierter Ansatz, der die potenziellen Vorteile klar darstellt, wichtige Entscheidungsträger überzeugen.
Die Fähigkeit, ein positiveres Mitarbeitererlebnis zu schaffen, Engagement und Arbeitskultur zu verbessern, besteht jedoch nicht nur darin, beeindruckende Datenmengen zu sammeln oder diese auf viele verschiedene Arten zu segmentieren, Stimmungen zu analysieren und unstrukturierte Daten in Ideen und Konzepte zu verwandeln. Die Analyse von Daten – egal ob mit oder ohne KI – allein schafft zwar Erkenntnisse, aber um die Unternehmensperformance erfolgreich zu erhöhen, müssen die Daten nicht nur gesammelt, sondern auch verstanden und für die Talentstrategie des Unternehmens nutzbar gemacht werden.

Kerstin Lange
Associate Director
Employee Experiene
WTW
kerstin.lange(*)willistowerswatson(.)com
www.wtwco.de