Daher haben sich in den letzten Jahren neue Varianten des Performance Managements ausgeprägt. Das Mitarbeitergespräch im strengen Jahresrhythmus wurde durch regelmäßigere Touch Points ersetzt und individuelle Ziele sind häufig Teamzielen gewichen. In nicht wenigen Unternehmen ist mehr oder weniger nur ein administratives Ritual übriggeblieben, da fast alle Beschäftigten die Ziele erfüllen – oder sogar übererfüllen, was in Zeiten des Booms nachvollziehbar war, aber mit echtem Wertbeitrag und Impact für die Unternehmens-performance sehr wenig zu tun hat.
Durch die Covid-19-Krise und den damit einhergehenden wirtschaftlichen Druck, den viele Branchen zumindest kurzfristig spürten, hat sich das Blatt wieder gewendet. Finanzzahlen gewannen wieder an Wichtigkeit, und die Frage, wie sich die Performance der Mitarbeitenden besser steuern lässt, nahm im Hinblick auf die Gesamtperformance der Unternehmen an Bedeutung zu. Das Controlling wurde zuletzt mächtiger und stellt durchaus berechtigt die Frage: Wie passen Unternehmensverluste mit gleichzeitig extrem hoher durchschnittlicher Zielerreichung der Mitarbeitenden zusammen? Die Beschäftigung mit dem Thema Performance Management erlebt aktuell eine längst überfällige Renaissance – und immer mehr Arbeitgeber hinterfragen, wie das Instrument transformiert werden kann, ohne zur reinen Farce zu verkommen.
Paradigmenwechsel im Performance Management
Studien zeigen, dass nur zwei Prozent der Unternehmen glauben, dass ihr Performance-Management-Prozess ein Werttreiber ist. Und nur 21 Prozent der Mitarbeitenden glauben, dass ihre Bezahlung und die Incentives sie dazu motivieren, ihre Ziele zu erreichen. Ein gutes Viertel geht davon aus, dass das Feedback aus den Mitarbeitergesprächen ihnen hilft, besser zu werden. Dies zeigt die „Global Performance Management Study" von Mercer aus dem Jahr 2019. Damit wird deutlich, dass ein reines „Überarbeiten“ des Performance-Management-Prozesses nicht sinnvoll sein kann.
Vielmehr muss ein Paradigmenwechsel einsetzen, der veränderte Zielgruppenpräferenzen, ein verändertes Verständnis von Arbeit und Arbeitsplatz und nicht zuletzt ein modernes Führungsverständnis berücksichtigt. Moderne Performance-Management-Systeme berücksichtigen diese Facetten bereits teilweise, jedoch oft nicht ganzheitlich und umfassend. Dennoch sind die Erkenntnisse und Erfahrungen der Unternehmen essenziell für den Neuanfang. Dabei sind vor allem folgende Aspekte wichtig:
- Die Grundphilosophie muss sich ändern. Statt einer Einordnung und Bewertung der Leistung des Einzelnen rückt ein coachendes Führungsverständnis mit dem Ziel, eine bessere Performance zu erzielen, ins Zentrum, ebenso wie die Entwicklung der Mitarbeitenden.
- Die Unternehmensziele müssen Ausgangspunkt der Zieldefinition sein. Beschäftigte wollen verstehen, welche Rolle ihre Ziele im Gesamtgefüge spielen. Individuelle und teilweise willkürlich vereinbarte Zielvereinbarungen werden abgelöst von einer Zielmechanik, die die gesamte Organisation zusammenführt und eine Sogwirkung und Ambitionen über Teams und Organisationseinheiten hinweg erzeugt.
- Der standardisierte und auf einen Jahreszyklus ausgelegte Prozess mit dem „einen“ Mitarbeitergespräch muss sich zu einem permanenten Dialog wandeln, der sich in den Arbeitsalltag von Mitarbeitenden und Führungskräften natürlich integriert. Niemand möchte einmal im Jahr bewertet werden.
- Die Logik, dass das Performance-Gespräch vor allem der Festlegung des variablen Vergütungsanteils dient, muss sich wandeln. Vor allem der von der Gesamtunternehmensentwicklung oder dem Teamerfolg losgelöste Blick auf den Einzelnen muss neu definiert werden. Ein ganzheitlicher Blick auf Vergütungs- und Anreizsysteme, die Entwicklung und Perspektiven einschließen, sollte das langfristige Ziel sein.
- Der vorherrschende Fokus auf Vergütung und finanzielle Anreize muss sich ändern in Richtung individuelle Entwicklung und spürbare Maßnahmen im High-Performer-Management. Wenn der Dialog als kontinuierlicher Verbesserungsprozess gelebt und verstanden wird, ist er für alle Seiten sinnvoll.
Wie können Unternehmen das Thema neu denken?
Die oben skizzierten Rahmenbedingungen für Performance Management sind nicht völlig neu. Und dennoch haben Unternehmen bislang vielfach Schwierigkeiten gehabt, die Themen umzusetzen. Dies liegt auch daran, dass das simple Verändern einzelner Bestandteile des Performance-Management-Systems nicht zu einer plötzlichen Akzeptanz und Wirksamkeit führt, sondern im Gegenteil nur noch mehr Komplexität und Aufwand in einem schon umstrittenen HR-getriebenen Prozess erzeugt. Die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre können nun jedoch zusammen mit dem Beschleuniger „Covid-Krise“ zu einem echten Momentum werden. Bereits im Zuge der „Fridays for Future“-Diskussion ist der persönliche Anteil des Einzelnen am großen Ganzen in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt.
Viele Studien zeigen, dass Mitarbeitende immer mehr den Sinn in ihrer Arbeit suchen (Purpose), verstehen wollen, welche Bedeutung ihr Einsatz und ihre Tätigkeit für den Erfolg haben (Impact), und dass das Erlebnis und die Erfahrungen (Employee Experience) im Job immer relevanter für die Arbeitgeberattraktivität und damit die Zufriedenheit der Mitarbeitenden sind. Davon ausgehend müssen sich Unternehmen beim Aufsetzen des Performance-Management-Prozesses mit genau diesen drei Faktoren beschäftigen, bevor einzelne Prozessbausteine sinnvoll angepasst werden können.
- Create Purpose: Sinnhaftigkeit sicherstellen
Der Sinn kann nur dadurch sichergestellt werden, dass der Performance-Prozess als Teil des Prozesses der Unternehmensstrategie verstanden wird. Voraussetzung dafür ist, dass die Unternehmensstrategie klar ist und Ziele entsprechend auf Teams und Mitarbeitende verteilt werden können. Wenn jede Führungskraft und jeder Mitarbeitende versteht, auf welche Ziele er sich verpflichtet und welchen Beitrag seine Ziele am Gesamterfolg haben, können sie die Ziele vorbehaltlos und ohne das Gefühl von Willkür annehmen. Gelebte Realität ist heute, dass das Alignment auf der Führungsebene in Teamansätzen versagt. Strategien werden im kleinen Top-Management-Kreis erarbeitet, und die Einbindung inspirierend und motivierend gestaltet. Damit fehlt es schon an der positiven „Experience“ auf der mittleren Führungsebene, die ihrerseits aber für die direkte Führung der Mitarbeitenden in diesem Prozess so wichtig ist. Dazu zählt auch, dass die Perspektive nicht nur auf den Unternehmenserfolg gerichtet sein sollte, sondern auch auf die Entwicklung des Mitarbeitenden. Wenn klar wird, wie Unternehmensentwicklung und persönliche Entwicklung miteinander verwoben sind und die Mitarbeitenden dadurch Richtung und Perspektive erhalten, wird das Verständnis für die „gemeinsame Sache“ noch verstärkt. Im Idealfall ist der Performance-Management-Prozess dann kein „Bewertungsritual“, sondern ein Check-in zur Unternehmensstrategie und zur eigenen Rolle beim großen Ganzen. - Create Impact: den Nutzen definieren
Idealerweise ist der Performance-Prozess ein Instru-ment, das dem Unternehmen und den Mitarbeitenden nützt. Nutzen entsteht dabei nicht durch das harte Verdrahten von Leistung und Gehalt und die damit einhergehende motivatorische „Karotte“, die den Mitarbeitenden vor die Nase gehalten wird – sondern dadurch, dass der Prozess wirklich für beide Seiten Mehrwert liefert. In Zeiten des Fachkräftemangels wird es für Unternehmen immer wichtiger, Instrumente aufzubauen, die tatsächlich auf die Motivation der Mitarbeitenden und die Arbeitgeberattraktivität zielen.Die Erfahrung zeigt, dass Ziele ohne Gesamtverständnis und eine reine Belohnung über variable Vergütung – wenn überhaupt – nur kurzfristig motivieren. Vielmehr sind Komponenten wie echtes Feedback und Coaching sowie Standortbestimmungen und Karriereperspektiven für die Mitarbeitenden entscheidend. Wenn das Gefühl entsteht, dass es wirklich um die persönliche Entwicklung geht, ist es auch legitim, wenn Unternehmensziele mit der eigenen Entwicklung verknüpft werden. In einer Kombination aus persönlichen, nachvollziehbaren Zielen, einer Verknüpfung mit dem Unternehmens-/Teamerfolg, die auch das Gefühl der „Jagdgemeinschaft“ stärkt, und einem echten Dialog auf Augenhöhe kann die Vergütung durchaus Bestandteil der Performance-Systematik bleiben. Voraussetzung ist, dass dies zur Tätigkeit und zur Kultur passt und dass die variable Vergütung nicht als Hauptbestandteil des Performance-Management-Prozesses gesehen wird – sondern als eine Komponente im Gesamtkontext.
- Create User-Experience: den Prozess spürbar und erlebbar gestalten
Das beste System funktioniert nicht, wenn das Prinzip nicht verstanden wird oder die Handhabung umständlich ist. Mitarbeitende sind durch Smartphone und Computertechnologie an eine Erlebniswelt gewöhnt, in der Prozesse und auch Bewertungen einfach und direkt möglich sind. Hotels und Essensbestellungen können direkt bewertet werden, Kommunikation erfolgt per Chat, und Anwendungen sind nach dem „Don’t make me think“-Prinzip gestaltet und ohne Einarbeitung bedienbar. Für das Performance Management heißt das: Der Prozess muss so einfach und intuitiv wie möglich gestaltet sein – für Mitarbeitende und Führungskräfte gleichermaßen. Wenn der Prozess mit einer gewissen Leichtigkeit einhergeht, wenn die Funktionen transparent sind und der Prozess gut im Alltag funktioniert, dann sind auch kontinuierliche Zyklen beherrschbar, die mehr gemeinsame Zeit erfordern als der „eine Termin Anfang des Jahres“. Dazu kommt, dass die verknüpften Aktivitäten transparent sein müssen. Wenn der Fokus auf die Karrieremöglichkeiten und die Entwicklung der Mitarbeitenden gelegt wird, müssen die Anforderungen für die Karriereschritte und die möglichen Wege deutlich und verständlich kommuniziert sein.Das Gleiche gilt für variable Boni und deren Erreichbarkeit und Berechnung. Nicht zuletzt ist es selbstverständlich, dass die Rollenerwartungen an Mitarbeitende und Führungskräfte klar definiert sein müssen – dies betrifft die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Termine. Ein neuer Performance-Management-Prozess ist immer auch eine Veränderung. Der Mehrwert muss entsprechend in ein Change-Management-Konzept verpackt werden. Wenn die Story nicht stimmt oder zu sorglos mit Veränderung umgegangen wird, riskieren Unternehmen ein Scheitern des neuen Prozesses – auch wenn das eigentliche Konzept gut ist und Mehrwert für alle Beteiligten liefert.
Performance ist ein Kultur- und Führungsthema
Bei der Betrachtung der verschiedenen Dimensionen wird eines deutlich: Ob modernes Performance Management funktioniert, ist zukünftig in erster Linie ein Kultur- und Führungsthema. Nur wenn die Organisation dahintersteht und der Zuschnitt des Performance Managements mit den kulturellen Rahmenbedingungen einhergeht, kann der Ansatz erfolgreich sein.
Dabei müssen Unternehmen aber unbedingt beachten, dass sie sich beim Performance Management nicht an der Organisation der Vergangenheit orientieren. Sowohl für Zielgruppen und ihre Präferenzen als auch für den kulturellen Rahmen ist entscheidend, welche Organisation für das Business der Zukunft gebraucht wird. Nur so schließt sich dann auch der Kreis. Wenn den Mitarbeitenden klar ist, wohin die Reise geht, werden sie auch Gefallen daran finden, wenn ihre Leistung direkt und durchaus messbar darauf einzahlt.
Michael Eger
Partner
Mercer/ Promerit
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Nicole Peichl
Partner
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